Schon vor fünf Jahren sollte es ihn eigentlich geben. Einen internationalen Klimaschutz-Vertrag, in dem sich Industrie- und Schwellenländer ernsthaft dazu verpflichten, endlich weniger Treibhausgase auszustoßen. Doch der Klimagipfel in Kopenhagen damals scheiterte, wie auch Michel Jarraud bedauert, der Generalsekretär der Welt-Meteorologie-Organisation WMO. Diesmal sei die Situation aber eine andere:
"2009 wurden noch einige Unsicherheiten in der Klimaforschung als Ausrede benutzt, um keine Maßnahmen zu ergreifen. Inzwischen bestehen diese Unsicherheiten aber nicht mehr. Und es gibt keine Entschuldigung mehr für Untätigkeit."
Der WMO-Chef spielt damit vor allem auf die sogenannte Erwärmungspause an, die auch Klimaforscher kalt erwischte. In den letzten 15 Jahren ist die globale Mitteltemperatur in Bodennähe nicht mehr so stark angestiegen. Das führte zu erhitzten Diskussionen und Fragen an Klimaforscher, ob sie die Erwärmung nicht überschätzten. Inzwischen ist die Pause aber nicht mehr so rätselhaft. Der Meteorologe Kevin Trenberth von Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in den USA:
"Es sind die Ozeane, der sich derzeit vor allem aufheizen! Wir haben herausgefunden, dass große Anteile der Wärmeenergie in größere Meerestiefen transportiert wurden. Wie wir sehen, manifestiert sich der Klimawandel manchmal in unerwarteter Weise."
Erwärmungspause geht zuende
Mit der Erwärmungspause dürfte jetzt eh Schluss sein. Denn der tropische Pazifik steuert auf einen El Nino zu, das heißt: Nach kühleren Jahren wechselt der weltgrößte Ozean wieder einmal in eine natürliche Warmphase. Mit weitreichenden Folgen, die man jetzt schon spürt. So war der Oktober 2014 der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, wie die WMO gerade erst mitteilte.
Trenberth: "Ein Teil dieser Wärme aus dem Pazifik geht in die Atmosphäre und erzeugt dort eine zusätzliche Mini-Klimaerwärmung. Es könnte deshalb gut sein, dass 2014 am Ende das wärmste Jahr der Aufzeichnungen wird. Und 2015 ist gleich der nächste Kandidat."
Es gibt weitere Entwicklungen, die den Druck auf die Delegierten beim bevorstehenden Klimagipfel in Peru erhöhen. Und die noch nicht einmal im neuesten Bericht des Weltklimarates IPCC stehen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung:
Westantarktisches Eis könnte vor dem Zerfall stehen
"Es ist in diesem Frühjahr durch mehrere Forschergruppen gezeigt worden, dass die West-Antarktis - ein großer Eisschild dort, der genug Eis enthält, um den Meeresspiegel um drei Meter anzuheben -, dass die praktisch ihren kritischen Punkt überschritten hat, das heißt in einem sich selbst erhaltenden, unaufhaltsamen Zerfallsprozess übergegangen ist. Und das ist wirklich neu seit dem IPCC-Bericht."
Einer der Hauptautoren dieses Reports ist Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern. Der Schweizer wird selbst in Lima sein. Und den Teilnehmern der Weltklimakonferenz zur Verfügung stehen, um Expertenfragen zu beantworten. Zum Beispiel auch die nach dem zwei Grad-Ziel. Und wie man es noch schaffen kann, die globale Erwärmung unter dieser Schwelle zu halten - in der Hoffnung, dass der Klimawandel dann noch beherrschbar sein könnte. Laut Stocker läuft den Regierungen die Zeit davon:
"Ein Klimaziel ist nur in einem beschränkten Zeitfenster eine Option. Und wenn wir so weitermachen wie bisher, nämlich dass die Emissionen von Treibhausgasen um etwa zwei Prozent pro Jahr ansteigen, dann wird dieses Klimaziel zwei Grad Celsius innerhalb von wenigen Jahren ein sehr ehrgeiziges und in etwa 20 Jahren ein unmögliches Ziel. Ein Ziel, das wir verloren haben werden."
Deshalb sei es wichtig, jetzt in Peru die Weichen zu stellen für einen wirkungsvollen Welt-Klimaschutz-Vertrag, der dann im nächsten Jahr unterschriftsreif sein soll:
"An der Wissenschaft und an der Information kann es sicher nicht liegen, wenn das nicht so herauskommt, wie sich das viele wünschen."