2023 war das weltweit heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Europa hat sich seit den 1980er-Jahren etwa doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt erwärmt. Extreme Wetterereignisse wie Waldbrände, Hitzewellen, Dürren oder Überschwemmungen werden dadurch verschlimmert.
Die EU ist auf solche Klimarisiken nicht ausreichend vorbereitet, zu diesem Schluss kommt der erste Klimarisikobericht der Europäischen Umweltagentur. Ein Hotspot für mehrere Klimarisiken gleichzeitig ist laut dem Bericht Südeuropa, wo brennende Hitze und Wasserknappheit drohen.
Der Bericht fasst 36 Hauptklimarisiken für Europa in fünf Clustern zusammen: Ökosysteme, Nahrungsmittel, Gesundheit, Infrastruktur sowie Wirtschaft und Finanzen.
1. Klimarisiken für die Ökosysteme
Die Risiken für die Meeres- und Küstenökosysteme werden als besonders schwerwiegend eingestuft. Der EU drohen demnach enorme Kosten, wenn sie keine drastischen Gegenmaßnahmen ergreift. Am Ende des Jahrhunderts könnten sich die Ausgaben auf über eine Billion Euro jährlich belaufen, heißt es im Bericht.
Die Meeresökosysteme sind nicht nur durch die Erwärmung des Wassers gefährdet, sondern auch durch massive Einleitungen von Nährstoffen aus der Landwirtschaft und von Industrieabwässern. Ihre Bedrohung bringt ein hohes Potenzial für Kaskadeneffekte auf andere Bereiche wie Ernährung, Gesundheit, Infrastruktur und Wirtschaft mit sich.
2. Klimarisiken für die Ernährung
Anhaltende und weiträumige Dürren stellen eine erhebliche Bedrohung für landwirtschaftliche Erträge, die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung dar. Nicht nur der Süden, auch die Länder Mitteleuropas sind gefährdet. Eine mögliche Lösung wäre laut dem Bericht eine Ernährungsumstellung von tierischen Eiweißen hin zu nachhaltig angebauten pflanzlichen Eiweißen, da sie den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft und die Abhängigkeit von importierten Futtermitteln verringern würde.
3. Klimarisiken für die Gesundheit
Hitze ist das größte Klimarisiko für die menschliche Gesundheit. Besonders betroffen sind Menschen, die im Freien arbeiten, schon älter sind oder alleine und in schlecht isolierten Wohnungen leben. In stark versiegelten Innenstädten wird die Hitze noch verstärkt. Die Europäische Umweltagentur empfiehlt hier neben gesundheitspolitischen Maßnahmen auch Anpassungen in der Stadtplanung oder beim Arbeitsrecht.
4. Klimarisiken für die Infrastruktur
Häufigere und zunehmend extreme Wetterereignisse erhöhen die Risiken für bebaute Gebiete in Europa und Dienstleistungen in Bereichen wie Energie, Wasser und Verkehr. Während die Hochwasserrisiken an den Küsten bislang relativ gut bewältigt wurden, können steigende Meeresspiegel und Veränderungen der Sturmmuster verheerende Auswirkungen auf Menschen, Infrastruktur und Wirtschaftstätigkeiten haben.
Im Süden des Kontinents entstehen durch Hitze und Dürren erhebliche Risiken für die Energieerzeugung, die Übertragung von Energie und die Nachfrage danach. Auch Wohngebäude müssen an die zunehmende Hitze angepasst werden.
5. Klimarisiken für Wirtschaft und Finanzen
Klimaextreme führen zur Erhöhung von Versicherungsprämien, können Vermögenswerte und Hypotheken gefährden und höhere staatliche Ausgaben und Kreditkosten nach sich ziehen. Zudem sei der Solidaritätsfonds der Europäischen Union aufgrund der hohen Kosten durch Überschwemmungen und Waldbrände stark ausgelastet, so die Europäische Umweltagentur. Durch den Klimawandel können auch private Versicherungslücken größer werden und damit einkommensschwache Haushalte unter größeren finanziellen Druck geraten.
Was die EU gegen die Folgen der Klimaerwärmung tun will
Mehr als die Hälfte der in dem Bericht genannten Hauptrisiken erfordern eine sofortige Intensivierung der Gegenmaßnahmen. Dabei geht es vor allem um den Erhalt von Ökosystemen, den Schutz vor Hitze, um Maßnahmen gegen Überschwemmungen und Waldbrände und die Sicherung europäischer Solidaritätsmechanismen, beispielsweise des Solidaritätsfonds der Europäischen Union.
"Wir brauchen jetzt ein Gesetz, was uns widerstandsfähig macht", fordert Michael Bloss, Europaabgeordneter der Grünen: "Damit in zehn und 20 Jahren auch noch Essen auf unseren Böden wächst, damit die Wälder erhalten bleiben, damit die Infrastruktur, die Brücken, die Gebäude gegen die Fluten und gegen die Stürme gerüstet sind."
Die EU-Kommission hat in Reaktion auf den Bericht der Umweltagentur Vorschläge für den Umgang mit Klimarisiken präsentiert. Für eine bessere Anpassung an die Folgen der Klimakrise müssen solche Risiken nach Ansicht der Kommission stärker bei der Planung und Instandhaltung kritischer Infrastrukturen beachtet werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der Klimaresilienz seien für den Schutz der Menschen und die Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar. So müssten politische Entscheidungsträger, Unternehmen und Investoren die Zusammenhänge zwischen Klimarisiken, Investitionen und langfristigen Finanzierungsstrategien besser verstehen. Die Kommission will unter anderem dafür den Zugang zu Daten, Modellen und Szenarien verbessern - von Frühwarnsystemen bis zur langfristigen Planung. Klimarisiken sollen zudem bei den Katastrophenschutzsystemen eine Rolle spielen.
pj