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Expertenbericht zu Emissionen
Klimawandel gefährdet globale Gesundheit

Luftverschmutzung, Hitzewellen, Ernährungsunsicherheit: Die anhaltende Nutzung fossiler Brennstoffe gefährde die Gesundheit von Menschen weltweit. Davor warnen Expertinnen und Experten im Jahresbericht „Lancet Countdown on Health and Climate Change“.

Von Volker Mrasek |
Das Großkraftwerk Mannheim. Das Steinkohlekraftwerk erzeugt Strom für rund 2,5 Millionen Menschen, Gewerbe und Industrie sowie Fernwärme für rund 120.000 Haushalte durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).
„Regierungen und Unternehmen geben fossilen Energieträgern weiterhin den Vorzug vor sauberen Energielösungen – zu Lasten der Gesundheit“, heißt es in dem Bericht. (picture alliance / Daniel Kubirski)
Die Menschheit sei noch immer süchtig, ihre Droge: die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas. Deren Emissionen schadeten nicht nur dem Klima, sondern auch der Gesundheit von Menschen weltweit, beklagt Marina Romanello vom University College London. Die argentinische Forscherin ist leitende Autorin des neuen Lancet-Countdown-Reports. Fast einhundert Fachleute haben daran mitgeschrieben:
“Wir sehen eine anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die andere Krisen wie die Covid-19-Pandemie noch verschlimmert. Die negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels nehmen rasant zu. Das können wir gerade für dieses Jahr gut dokumentieren. Dennoch favorisieren Regierungen und Unternehmen weiterhin fossile Energieträger. So gefährden sie die Gesundheit von Menschen auf der ganzen Welt.“
Beispiel Hitzewellen: In vielen Regionen der Erde werden sie nachweislich stärker und dauern länger:
“Seit Beginn des Jahrhunderts ist die hitzebedingte Sterblichkeit bei Menschen über 65 Jahren um fast 70 Prozent gestiegen. Auch der Wirtschaft machen extreme Temperaturen immer mehr zu schaffen. Wir schätzen, dass im vergangenen Jahr 470 Milliarden Arbeitsstunden global verlorengegangen sind, weil es zu heiß war. Das ist ein Anstieg um 40 Prozent seit den 1990er Jahren.“

Hitzewellen gefährden Ernährungssicherheit

Lang anhaltende Hitzewellen können auch Ernten schmälern oder ganz vernichten. Ein wachsendes Risiko für die Ernährungssicherheit, so Marina Romanello: 
“Das ist vielleicht unser besorgniserregendstes Ergebnis und eine Sache, die wir uns zum ersten Mal angeschaut haben. Im Jahr 2020 waren es fast 100 Millionen Menschen mehr, die der Welternährungsorganisation berichteten, sie hätten infolge einer Hitzewelle nicht mehr genügend zu essen – verglichen mit den Jahren von 1981 bis 2010.“
Klimafreundliche erneuerbare Energieträger wie Sonne und Wind lieferten heute noch nicht einmal ein Zehntel des weltweit erzeugten Stroms, heißt es im neuen Lancet Countdown. Über 90 Prozent stammten immer noch aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken. Und das mit unverändert hoher, staatlicher Unterstützung:
“Regierungen weltweit haben fossile Energieträger 2019 mit 400 Milliarden US-Dollar subventioniert. Sie schulden ärmeren Ländern aber bis heute 100 Milliarden Dollar, die sie ihnen schon vor Jahren für Anpassungen an den Klimawandel zugesagt hatten. Wir stecken also eine viermal höhere Summe in die Subventionierung fossiler Brennstoffe.“

Bericht beleuchtet Verantwortung der Industrie

Auch deshalb kommt der Ausbau von Windrädern und Solaranlagen in ärmeren Ländern nicht voran. Die Folge: Viele Menschen dort haben nach wie vor keinen Strom, auch nicht zum Kochen. Stattdessen verbrennen sie zuhause Holz, Erntereste oder Kohle. Auch das steht im Lancet Countdown: In mehr als 60 Ländern atmen die Leute auf diese Weise viel zu viel gesundheitsschädlichen Feinstaub ein – im Schnitt 30mal mehr, als die Weltgesundheitsorganisation für sicher hält.

Der jährlich erscheinende Lancet Report fragt diesmal speziell nach der Verantwortung der Industrie. Die Zukunftspläne von 15 der weltgrößten Öl- und Gaskonzerne wurden durchleuchtet. Für Paul Ekins war das Ergebnis ernüchternd. Er ist Professor für Ressourcen- und Umweltpolitik am University College London:
“Wir dachten, es ist notwendig, das zu zeigen: Viele dieser Konzerne behaupten, sie seien auf dem Weg zu null Emissionen, hielten sich an die Pariser Klimaschutzziele und so weiter. Tatsächlich sind sie weit davon entfernt. Ihre Förderpläne für die kommenden zwei Jahrzehnte tragen uns weit über eine Erderwärmung von 1,5 oder zwei Grad Celsius hinaus.“