"Das erste Mal, als ich auf den Pastoruri stieg, das war im Jahr 1967. Dieser Gletscher reichte mindestens 600 Meter weiter ins Tal. All das hier war reines Eis. Es war ein riesiger Gletscher. Niemals hätten wir gedacht, dass sich eine Lagune bilden würde und dass der Gletscher so sehr schmelzen könnte."
Der Glaziologe Benjamín Morales weist mit seinem Wanderstock auf den See am Fuße des Bergs Pastoruri, dessen milchiges Grün einen starken Farbkontrast zu den nackten, grauen Felswänden und den weißen Eisblöcken bildet. Immer mehr solche Lagunen entstehen durch das Schmelzwasser, erklärt er. Der Pastoruri ist Teil der Cordillera Blanca, der weißen Gebirgskette im Norden Perus, die höchste des amerikanischen Kontinents.
"Durch den Klimawandel werden sich diese Lagunen noch weiter mit Wasser füllen. Und je mehr die Lagunen wachsen, desto größer ist die Gefahr: Es kommt zu Lawinen, zu Erdrutschen. Kanäle können zerstört werden, Wasserkraftwerke und vor allem die umliegenden Dörfer."
Der 80-Jährige spricht aus Erfahrung. Im Laufe seines Lebens hat er schon mehrmals erlebt, wie Eismassen sich lösen, Geröll, Steine und Schlamm anschieben, eine immense Geschwindigkeit entwickeln und ganze Dörfer oder Kleinstädte überrollen. Zuletzt 2010.
Zerstörte Häuser, tote Tiere
"Die Lawine von 2010 war eine ohne Erdbeben, die einfach durch die Dynamik eines Gletschers produziert wurde, der schon Risse hatte. Die Lawinen bilden sich, weil ein Gletscher sich bewegt und in die Position rückt, wo leere Stellen sind. Ein Eisstück fällt so hinunter und verursacht eine Lawine."
Die Lagune, die sich bereits durch das Schmelzwasser gebildet hatte, vergrößerte die Wucht der Lawine von 2010. Denn ein Eisblock stürzte in das Wasser, löste eine 25-Meter-hohe Schwallwelle aus und bahnte ihren Weg ins Hochtal. Hier etwas oberhalb von der Kleinstadt Carhuaz, etwa 450 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima, wohnt Carlos Montes. Im Hof vor seinem Haus füllt er getrockneten Mais in Säcke. Als die Lawine damals herunter rollte, verkaufte er gerade seinen Mais auf dem Markt.
"Als ich nach Hause kam, waren alle Eukalyptusbäume umgestürzt, die Brücke war völlig unter Steinen und Schlamm begraben. Eine Woche lang saßen wir hier fest. Schweine und Schafe kamen zu Schaden, aber Menschen nicht. Und natürlich Pflanzen und Felder. Es hat uns Angst gemacht."
Der junge Mann hatte Glück gehabt, dass sein Haus nicht zerstört wurde, denn das Hotel direkt neben an wurde von den Schlammmassen vollkommen niedergewalzt.
"Wir haben schon darüber nachgedacht, woanders hinzuziehen, aber die Frage ist, wohin. Wenn wir weiter ins Tal ziehen, wären wir auch in Gefahr."
30 Prozent weniger Eismasse
Mit Gletscherschmelze und Klimawandel setzt sich auch Klimaexpertin Rocío Valdeavellano auseinander. Peru sei in Südamerika das Land, das am meisten von den Folgen des globalen Klimawandels betroffen sei, sagt sie, nur Zentralamerika leide noch mehr wegen der Hurrikane.
"Peru besitzt 71 Prozent der tropischen Gletscher weltweit. Dadurch ist es vom Klimawandel stärker betroffen als Bolivien. Bis vor kurzem ging man noch davon aus, dass die Gletscher sich seit 1970 um knapp ein Viertel ihre Masse reduziert haben. Doch nun sind es schon 30 Prozent, und bei manchen Gletschern sogar die Hälfte. Man sagt, dass die Gletscher, die unterhalb von 5.000 Metern liegen, innerhalb der nächsten zehn Jahre verschwinden werden."
Mit Sorge betrachtet Benjamín Morales die Linien und Risse des Gletschers auf dem Berg Pastoruri.
"Wenn es so weiter geht, wird sich der Gletscher in zwei Teile spalten. Und die Lagune hier wird weiter anschwellen. Da gibt es keinen Schutz. Der einzige Schutz wären weniger Emissionen."