Songlin Fei wollte wissen, wie es dem Wald geht. Also ging der Professor für Messwerte und quantitative Analysen an der Purdue University in West Lafayette zur US-Forstbehörde und bat um Datensätze.
"Die Forstbehörden verfügen über Feldbeobachtungen, die seit Beginn der 1980er Jahre bis heute durchgeführt werden. Mit diesen Daten konnten wir vergleichen, was früher an einem Ort wuchs und was dort heute wächst, wie also die Baumarten auf den Wandel des Klimas reagiert haben."
Durchschnittsgewindigkeit: 15 Kilometer pro Jahrzehnt
An zehntausenden von Stellen hatten die Mitarbeiter der Forstbehörde über die Jahre hinweg protokolliert, wie viele Bäume welcher Art dort wuchsen. Songlin Fei und seine Kollegen werteten all diese Daten für den gesamten Osten der USA, von Florida bis Texas und von Maine bis Minnesota aus und waren vom Ergebnis überrascht: Sie entdeckten, dass die meisten Bäume nach Westen gewandert waren, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Jahrzehnt.
Songlin Fei: "Genauer gesagt sind viele Laubbäume nach Westen gewandert, während immergrüne Nadelbäume nach Norden zogen. Laubbäume wie Ahorn und Eichen kommen mit Trockenheit schlecht klar und reagieren daher sehr sensibel auf Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit. Nun ist es so, dass der westliche Teil unseres Untersuchungsgebietes in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell feuchter geworden ist, während gerade der Südosten trockener wurde und immer öfter unter Dürren leidet."
Sensible Reaktionen auf Feuchteveränderungen
Die Laubbäume folgten Songlin Feis Ergebnissen zufolge den feuchteren Bedingungen nach Westen, während die Nadelbäume vor den steigenden Temperaturen nach Norden auswichen. Rodney Keenan war nicht an der Studie beteiligt. Der Professor für Wald- und Ökosystemforschung an der Universität von Melbourne in Australien untersucht, wie sich Wälder dem Klimawandel gegenüber widerstandsfähiger machen lassen. Er findet die Arbeit von Songlin Fei und seinen Kollegen sehr spannend.
"Viele unserer Computermodelle deuteten bislang darauf hin, dass die Bäume in erster Linie den steigenden Temperaturen folgen würden. Dabei wissen wir aus Beobachtungen, dass viele Arten auch sehr sensibel auf Feuchteveränderungen reagieren. Und diese Studie zeigt jetzt zum ersten Mal, dass Bäume auf Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit tatsächlich stärker reagieren als auf Temperaturveränderungen."
Jede Baumart individuell betrachten
Das mache es allerdings auch deutlich schwerer, Prognosen zu erstellen. Denn während sich der Einfluss des Klimawandels auf die Temperaturen relativ leicht modellieren lasse, beherbergten Niederschlagsmodelle noch enorme Unsicherheiten.
"Ich denke, die zentrale Aussage der Studie ist, dass Baumarten individuell unterschiedlich auf den Klimawandel reagieren. Wenn man die Ergebnisse also auf andere Weltregionen übertragen will, heißt dass, wir müssen genauer verstehen, wie die Baumarten in diesen anderen Regionen auf Temperatur- und Feuchteveränderungen reagieren."
Dem stimmt auch Songlin Fei zu. Seiner Ansicht nach sind die unterschiedlichen Reaktionen der Baumarten von zentraler Bedeutung für die Wälder der Zukunft.
"Sie können sich die Bäume im Wald als Familie vorstellen, die seit sehr langer Zeit, oft seit Jahrtausenden, zusammenlebt, und in der jedes Mitglied seinen festen Platz hat. Wenn wir jetzt innerhalb von nur 30 Jahren sehen, dass einige Familienmitglieder verschwinden, andere neu hinzukommen, und davon ausgehen, dass das rasante Tempo dieser Veränderungen anhalten wird, dann könnten einige der heutigen Waldgesellschaften zusammenbrechen."