Es war ein besorgniserregender Zwischenfall bei der Copa America: Beim Vorrundenspiel zwischen Kanada und Peru kollabierte der Schiedsrichter-Assistent Humberto Panjoj am Ende der ersten Halbzeit, bei schwül-heißen 34 Grad im Stadion von Kansas City. Nach einer Nacht im Krankenhaus wurde der Unparteiische wieder entlassen.
Es ist ein Extrem-Beispiel, wie die extremeren Wetterbedingungen in Zeiten der Klimakrise die Akteure an ihre Belastungsgrenze - und darüberhinaus - bringen. Schiedsrichter hätten dabei ebenso mit heißen Bedingungen zu kämpfen wie die Spieler, sagte Madeleine Orr, Dozentin für Sport und Ökologie an der Universität Toronto, im Deutschlandfunk.
Hitzepausen bei manchen Bedingungen "nicht mehr ausreichend"
Bei dem Spiel in Kansas City habe es ein Hitze-Protokoll gegeben, die vorgeschriebenen Getränke und Pause. "Aber manchmal ist das nicht genug. Wir lernen gerade, dass eine kurze Hitzepause bei manchen Bedingungen einfach nicht ausreicht."
Schon vor den Hitzespielen bei der Copa America gab es ähnliche Vorfälle, etwa beim Afrika-Cup. Deshalb müsse man anfangen, über weitergehende Maßnahmen nachzudenken, sagte Orr, Gründerin und Direktorin der "Sport Ecology Group":
"Wenn wir sagen, dass es manche Bedingungen gibt, in denen selbst unsere besten Hitze-Pausen-Protokolle nicht gut genug sind - dann kommen wir in den Bereich, wo es darum geht: Können wir dann überhaupt noch spielen? Und wo können solche Sportereignisse überhaupt stattfinden? Und auf einmal sind für manche Jahreszeiten weite Gebiete in Nordamerika aus dem Spiel, genauso wie Teile von Südeuropa und von Asien."
Sportwissenschaftlerin Orr: Es geht um die Gesundheit der Spieler
Dementgegen stünden bislang vor allem kommerzielle Interessen, wie eng getaktete Spielpläne und die Angst vor Spielabsagen, gerade bei großen Turnieren. Aber es gehe um die Gesundheit und auch Performance der Aktiven - und damit auch um den Wettbewerbscharakter und die Fairness, sagte Orr: "Hitzepausen sind nicht genug. Wir brauchen Möglichkeiten, Spieler auch mal während des Spiels heraus zu nehmen und dann wieder zurückzubringen. Außerdem Ersatz-Schiedsrichter. Das sind keine harten Anpassungen, aber es ist etwas, womit wir uns in Zukunft auseinander setzen müssen."
Klimatisierte Stadien schließen "große Teile der Welt" vom Fußball aus
In manchen Austragungsorten in den USA betragen die Temperaturen mehr als 40 Grad - ohne klimatisierte Stadien wären Fußballspiele gar nicht möglich. Auch die meisten Stadien bei der WM in Katar konnten runtergekühlt werden. Es könnte ein Modell für die Zukunft sein.
Dies gelte aber nur für den professionellen Bereich, so Orr: "Wir haben nicht für jedes Kind, das Fußball spielen will, ein klimatisiertes Stadion. Und dann wird es ein Problem, wenn wir sagen: Es ist nicht sicher bei Temperaturen ab 35 Grad zu spielen. Damit schließen wir große Teile der Welt aus, die solche Anlagen nicht haben. Und dies bedeutet am Ende, dass wir in machen Teilen der Welt gar kein Fußball mehr spielen. Das ist eine Debatte, die wohl niemand haben möchte."
Klimaforscherin Orr prognostiziert "Hitze-Szenario" bei WM 2026
Für die WM 2026, die in den USA, Kanada und Mexiko stattfinden wird, prognostiziert die Klimaforscherin aus Toronto ebenfalls ein "Hitze-Szenario". Das Finale finde im sehr heißen Sommer in New York City statt, ähnliche Bedingungen seien in Mexiko zu erwarten. Dort seien Stadien zudem nicht klimatisiert, einige Stadien bei der WM hätten zudem kein Dach.
Orr forderte den Weltverband FIFA deshalb jetzt schon auf, weitergehende Maßnahmen einzuführen: Etwa eine zweite Hitzepause pro Halbzeit, oder die Möglichkeit, belastete Spieler in einen klimatisierten Raum oder ein Kühlbad zu bringen.
Spiele zur Mittagszeit bei WM 2026 "nicht vertretbar"
Eine zentrale Frage, was die Belastung durch Hitze angeht, sind die Ansetzungen der Spiele: Bei der WM 1994 in den USA wurden die meisten Spiele am frühen Nachmittag Ortszeit angepfiffen, damit sie in Europa abends zur Prime-Time live übertragen werden konnten.
Spiele im Sommer zur Mittagszeit hält Sportökologin Orr für manche Teile Nordamerikas für nicht vertretbar. Die Alternative seien Abendspiele, so Orr, dies würden aber die Europäer nicht mögen würden. Auch Partien am Morgen seien möglich. "Ein Spiel, das um zehn Uhr morgens beginnt und um zwölf Uhr vorbei ist, ist viel besser als ein Spiel, das um zwölf Uhr beginnt und bei großer Hitze bis in den Nachmittag geht."