"Was wir momentan sehen ist ein Naturexperiment. Die Natur stellt die Bedingungen ein, und ich kann gucken, was passiert."
Jochen Koop leitet das Referat Tierökologie an der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. Alljährlich im Frühjahr fahren er und seine Mitarbeiter den Rhein und die Elbe entlang, um in regelmäßigen Abständen Proben zu nehmen. Sie fangen Fische und Krebse, sammeln Muscheln vom Flussbett und filtern Kleinstorganismen aus Wasserproben sowie aus dem Schlick im Untergrund. So ermitteln sie, welche Tiere dort vorkommen und in welcher Zahl, ob sie heimische Arten sind oder aus fernen Regionen stammen.
Zudem checken sie den Gesundheitszustand der Organismen.
In diesem Jahr trafen die Forscher auf ganz besondere Bedingungen. Es ist ungewöhnlich, dass die großen Flüsse so früh im Jahr so niedrige Pegel haben. Weil das Wasservolumen deutlich kleiner ist, müssen die Tiere im Flussbett stärker zusammenrücken.
"Parasiten werden häufig durch Kontakt von Tieren übertragen, andere Krankheiten auch. Dann sind noch viel mehr Tiere angesteckt oder von Parasiten befallen. Die Tiere werden schwach dadurch. Und wenn noch eine Hitzeperiode dazukommt, dann kann es dazu führen, dass wir zum Beispiel ein Fischsterben oder auch ein Muschelsterben haben, also ein Massensterben."
Wie in den besonders heißen Sommern 2003 und 2006. Damals erwärmte sich das wenige verbliebene Wasser des Rheins bis auf über 28 Grad Celsius.
Im laufenden Jahr rechnen Fachleute damit, dass sich ähnliche Extreme einstellen könnten.
Für Jochen Koop ist das eine besonders interessante Situation. Normalerweise ist er auf Versuche im Labor angewiesen, wenn er herausfinden will, wie Flusstiere auf stark erhöhte Wassertemperaturen reagieren. Nun kann er Laborwerte mit Beobachtungen aus der freien Natur abgleichen. Davon erhofft er sich Erkenntnisse darüber, ob und wie der Klimawandel das Leben im Fluss verändern wird.
"Wir gucken uns nicht nur an, ist ein Tier da oder ist es nicht da, sondern wir gucken uns an: Welchen Gesundheitszustand hat es? Ist es fit, ist es gesund, ist es gut ernährt, hat es seine Energiespeicher gefüllt, oder im Gegenteil, hat es Stress gehabt? Wenn ich Populationen habe, die in der Fitness geschwächt sind, dann werden die auf Veränderungen viel dramatischer reagieren, als wenn ich Populationen habe, deren Vertreter sehr fit sind."
Bei den Untersuchungen geht es auch um die Frage: Welche Arten werden künftig dominieren, welche werden vielleicht ganz verschwinden, welche kommen neu hinzu?
Dieses Wissen ist wichtig, um einschätzen zu können, ob ein Fluss in seinen ökologischen Funktionen intakt bleibt. Mit den bisher üblichen Bewertungsmethoden ist das kaum möglich.
"Wenn ich mir jetzt die Wasserrahmenrichtlinie anschaue: Wie wird denn da bewertet? Da geht man zum Beispiel hin, nimmt Besiedlungen von sagen wir des Rheins aus den 20er-Jahren. Da denkt man okay, damals war der Rhein noch relativ gut in Schuss. Deswegen sage ich: Das ist mein Leitbild für morgen. Und versuche das zu erreichen. Leider ist es so, dass parallel dazu natürlich der Klimawandel kommt. Und der verschiebt diese ganze Besiedlung in eine bestimmte Richtung. Das heißt, dass vielleicht dann in 20, 30, 50 Jahren die tatsächliche Besiedlung überhaupt nichts mehr zu tun hat mit dem, was wir heute als Leitbild festgelegt haben. Das heißt: Wir haben keinen Korrekturfaktor da drin."
Jochen Koop arbeitet daran, neue Maßstäbe für die ökologische Bewertung der Flüsse zu entwickeln. Weil der Klimawandel zwangsläufig Veränderungen mit sich bringt, ist es seiner Ansicht nach falsch, die Natur in einem bestimmten früheren Zustand konservieren zu wollen. Gerade eingewanderte Arten, die höhere Temperaturen besser vertragen, könnten künftig eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, ökologische Funktionen der Flüsse intakt zu halten.
Wie sich das Artenspektrum in Zukunft verschiebt, werden die Ökologen erst dann genauer wissen können, wenn der Klimawandel weiter fortgeschritten ist. Doch aus den Messdaten so extremer Jahre wie diesem lassen sich zumindest schon mögliche Tendenzen herauslesen.
"Da ist immer die Frage: Werden die Karten neu gemischt unter den Organismen, und wie? Also: Wer kriegt welche Karten, wer hat plötzlich das Ass in der Hand und wer nicht? Und wie gehen die Organismen damit um, wie spielen die ihre Asse aus, und wie verändert sich das in den nächsten zwei, drei Jahren wieder. Die Natur bietet uns da ein ganz spannendes Feld."
Jochen Koop leitet das Referat Tierökologie an der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. Alljährlich im Frühjahr fahren er und seine Mitarbeiter den Rhein und die Elbe entlang, um in regelmäßigen Abständen Proben zu nehmen. Sie fangen Fische und Krebse, sammeln Muscheln vom Flussbett und filtern Kleinstorganismen aus Wasserproben sowie aus dem Schlick im Untergrund. So ermitteln sie, welche Tiere dort vorkommen und in welcher Zahl, ob sie heimische Arten sind oder aus fernen Regionen stammen.
Zudem checken sie den Gesundheitszustand der Organismen.
In diesem Jahr trafen die Forscher auf ganz besondere Bedingungen. Es ist ungewöhnlich, dass die großen Flüsse so früh im Jahr so niedrige Pegel haben. Weil das Wasservolumen deutlich kleiner ist, müssen die Tiere im Flussbett stärker zusammenrücken.
"Parasiten werden häufig durch Kontakt von Tieren übertragen, andere Krankheiten auch. Dann sind noch viel mehr Tiere angesteckt oder von Parasiten befallen. Die Tiere werden schwach dadurch. Und wenn noch eine Hitzeperiode dazukommt, dann kann es dazu führen, dass wir zum Beispiel ein Fischsterben oder auch ein Muschelsterben haben, also ein Massensterben."
Wie in den besonders heißen Sommern 2003 und 2006. Damals erwärmte sich das wenige verbliebene Wasser des Rheins bis auf über 28 Grad Celsius.
Im laufenden Jahr rechnen Fachleute damit, dass sich ähnliche Extreme einstellen könnten.
Für Jochen Koop ist das eine besonders interessante Situation. Normalerweise ist er auf Versuche im Labor angewiesen, wenn er herausfinden will, wie Flusstiere auf stark erhöhte Wassertemperaturen reagieren. Nun kann er Laborwerte mit Beobachtungen aus der freien Natur abgleichen. Davon erhofft er sich Erkenntnisse darüber, ob und wie der Klimawandel das Leben im Fluss verändern wird.
"Wir gucken uns nicht nur an, ist ein Tier da oder ist es nicht da, sondern wir gucken uns an: Welchen Gesundheitszustand hat es? Ist es fit, ist es gesund, ist es gut ernährt, hat es seine Energiespeicher gefüllt, oder im Gegenteil, hat es Stress gehabt? Wenn ich Populationen habe, die in der Fitness geschwächt sind, dann werden die auf Veränderungen viel dramatischer reagieren, als wenn ich Populationen habe, deren Vertreter sehr fit sind."
Bei den Untersuchungen geht es auch um die Frage: Welche Arten werden künftig dominieren, welche werden vielleicht ganz verschwinden, welche kommen neu hinzu?
Dieses Wissen ist wichtig, um einschätzen zu können, ob ein Fluss in seinen ökologischen Funktionen intakt bleibt. Mit den bisher üblichen Bewertungsmethoden ist das kaum möglich.
"Wenn ich mir jetzt die Wasserrahmenrichtlinie anschaue: Wie wird denn da bewertet? Da geht man zum Beispiel hin, nimmt Besiedlungen von sagen wir des Rheins aus den 20er-Jahren. Da denkt man okay, damals war der Rhein noch relativ gut in Schuss. Deswegen sage ich: Das ist mein Leitbild für morgen. Und versuche das zu erreichen. Leider ist es so, dass parallel dazu natürlich der Klimawandel kommt. Und der verschiebt diese ganze Besiedlung in eine bestimmte Richtung. Das heißt, dass vielleicht dann in 20, 30, 50 Jahren die tatsächliche Besiedlung überhaupt nichts mehr zu tun hat mit dem, was wir heute als Leitbild festgelegt haben. Das heißt: Wir haben keinen Korrekturfaktor da drin."
Jochen Koop arbeitet daran, neue Maßstäbe für die ökologische Bewertung der Flüsse zu entwickeln. Weil der Klimawandel zwangsläufig Veränderungen mit sich bringt, ist es seiner Ansicht nach falsch, die Natur in einem bestimmten früheren Zustand konservieren zu wollen. Gerade eingewanderte Arten, die höhere Temperaturen besser vertragen, könnten künftig eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, ökologische Funktionen der Flüsse intakt zu halten.
Wie sich das Artenspektrum in Zukunft verschiebt, werden die Ökologen erst dann genauer wissen können, wenn der Klimawandel weiter fortgeschritten ist. Doch aus den Messdaten so extremer Jahre wie diesem lassen sich zumindest schon mögliche Tendenzen herauslesen.
"Da ist immer die Frage: Werden die Karten neu gemischt unter den Organismen, und wie? Also: Wer kriegt welche Karten, wer hat plötzlich das Ass in der Hand und wer nicht? Und wie gehen die Organismen damit um, wie spielen die ihre Asse aus, und wie verändert sich das in den nächsten zwei, drei Jahren wieder. Die Natur bietet uns da ein ganz spannendes Feld."