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Klimawandel im zweiten Stock

Klimaforschung. – Der Anstieg der Treibhausgase hat je nach Atmosphärenstockwerk unterschiedliche Konsequenzen. Wissenschaftler haben jetzt in "Science" die Trends für das mittlere Atmosphärenstockwerk beschrieben. Dort kühlt sich die Lufthülle ab.

Von Volker Mrasek |
    In Bodennähe hat sich das Klima im Laufe des Industriezeitalters im Schnitt um 0,7 Grad Celsius erwärmt. Das ist minimal im Vergleich zu dem, was in viel höheren Luftschichten geschieht. Auch von dort liegen inzwischen jahrzehntelange Temperatur-Messreihen vor. Etwa aus der 0 bis -90 Grad kalten Mesosphäre. Das ist das Höhenband 50 bis 90 Kilometer über dem Erdboden.

    "In der Mesosphäre haben wir während der letzten drei Dekaden etwa Änderungen in der Größenordnung von 10 Grad Celsius. Und wir erklären diese Variationen durch den Treibhauseffekt."

    Jürgen Bremer forscht am Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik in Kühlungsborn bei Rostock. Der Physiker zählt zu einem Kreis internationaler Experten, der jetzt in der Fachzeitschrift "Science" über das berichtet, was sich in der mittleren Atmosphäre abspielt. Es klingt zunächst paradox, aber: Jenseits von 50 Kilometern Höhe wird es nicht wärmer wie an der Erdoberfläche, sondern immer kälter. Die Zunahme von Treibhausgasen wie CO2 - in der Mesosphäre führt sie zu einer Abkühlung. Bremer:


    "Und wenn sie kühler wird, dann sinkt sie in sich zusammen. Man hat also eine Art Schrumpfungsprozess in der Atmosphäre."

    Ein warmes Paket Luft dehnt sich aus, ein kaltes aber zieht sich zusammen. Genau das geschieht mit der oberen Erdatmosphäre, weil sich das langlebige Kohlendioxid auch in ihr immer stärker anreichert. CO2 reflektiert infrarote Wärmestrahlung und ist deshalb ein Klimagas. Das mit seiner höhenabhängigen Wirkung kann man sich vereinfacht so vorstellen: In Bodennähe kommt die Wärmestrahlung von unten, von der durch die Sonne aufgeheizten Erdoberfläche, und ein engmaschiges Netz aus CO2-Molekülen hält sie zurück wie die Glasscheiben in einem Treibhaus. Auch in der Mesosphäre hat Kohlendioxid diese Barriere-Eigenschaft. Nur verhindert es dort, dass Wärme ins System gelangt, wie Bremer erläutert:

    "In dieser Höhe strahlen CO2 oder auch andere Treibhausgase auch solche infrarote Strahlung ab. Die wird dann aber nicht mehr durch die Erdatmosphäre gefangen, sondern in den interplanetaren Raum abgestrahlt. Man spricht da von einer Abkühlung im Infraroten, einer Infrarot-Abstrahlung."

    Die Mesosphäre wird also kälter. Und sie schrumpft: um einige Kilometer pro Jahrzehnt, wie die Messungen zeigen. Dieser Trend erfasst auch noch einen Teil der darüber liegenden Thermosphäre bis in etwa 300 Kilometern Höhe. Der Einfluss des Klimawandels reiche viel weiter als allgemein gedacht, folgert Jan Lastovicka vom Institut für Atmosphärenphysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag. Durch den Schrumpfprozess ändere sich auch die Dichte freier Elektronen in Meso- und Thermosphäre, sagt der Co-Autor des aktuellen Artikels in "Science". Das habe sogar Auswirkungen auf die Anwendung von Weltraum-Technologien. Lastovicka:

    "”Für die Übertragung von GPS-Signalen zur Satelliten-Navigation durch die Atmosphäre ist die Elektronendichte zum Beispiel sehr wichtig. Wenn sie größer wird, nehmen auch kleinräumige Luftturbulenzen zu, und die können die Übermittlung von GPS-Signalen stören.""

    Andererseits hat das Schrumpfen der mittleren Atmosphäre auch etwas Gutes, und zwar für Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen. Sie kreisen gerade oberhalb der absackenden Luftschichten. Deshalb verringert sich die Teilchendichte in ihrer Reiseflughöhe. Lastovicka:

    "Wenn die Teilchendichte in der Umlaufbahn kleiner wird, verringert sich auch die atmosphärische Reibung, die Satelliten abbremst und mit der Zeit absinken lässt. Das erhöht ihre Lebensdauer im All."

    Dennoch müssen auch Satellitenbetreiber auf die veränderten Bedingungen reagieren. Denn die Messwerte, die ihre Späher im All liefern, stehen immer in Relation zur Höhe der Umlaufbahn. Wenn Satelliten nicht mehr so rasch absinken, sollte das deshalb bei der Datenauswertung bekannt sein.