Helsinki, ein Freitagmorgen. Die Temperaturen sind in der Nacht auf 18 Grad unter Null gesunken, mittlerweile eine Seltenheit in der Stadt. Aber um Punkt neun Uhr sind sie trotzdem da, die Klimademonstranten. Mit dicken Jacken, Plakaten, einem Verstärker. Einer hat sich als Eisbär verkleidet.
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Wenn sich das Klima ändert - Finnland kommt ins Schwitzen" in der Sendung "Gesichter Europas".
Auf der großen Freitreppe des monumentalen Parlamentsgebäudes wirken die Demonstranten fast ein bisschen verloren: Nur ein gutes Dutzend ist gekommen, in der Woche zuvor waren es Hunderte. Jaana ist jeden Freitag hier. Schnee, Regen, Kälte – egal. Die Lehrerin arbeitet nur noch an vier Tagen in der Woche, am fünften demonstriert sie für das Klima:
"Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Wir als Erziehungsberechtigte tragen große Verantwortung. Und hier führen wir fort, was Greta angefangen hat."
"Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Wir als Erziehungsberechtigte tragen große Verantwortung. Und hier führen wir fort, was Greta angefangen hat."
Vorbild Greta
Gemeint ist Greta Thunberg, schwedische Klimaaktivistin und Initiatorin des sogenannten Schülerstreiks fürs Klima. Weltweit bekannt wurde die 16-Jährige auch durch ihre Reden auf der letzten UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz.
Seit August fehlt Greta jeden Freitag in der Schule, und weltweit folgen Schülerinnen und Schüler ihrem Beispiel, auch in Finnland: In immer mehr kleineren Städten und Gemeinden, aber auch in Helsinki.
Seit August fehlt Greta jeden Freitag in der Schule, und weltweit folgen Schülerinnen und Schüler ihrem Beispiel, auch in Finnland: In immer mehr kleineren Städten und Gemeinden, aber auch in Helsinki.
Ossi ist zwölf und müsste jetzt eigentlich anderthalb Kilometer von hier in der Schule sitzen. Er schwänzt, weil er den Klimawandel stoppen will, denn der macht ihm mehr Angst als Schelte oder Nachsitzen:
"Warum sollten die Schüler in der Schule sitzen, wenn ihre Zukunft auf der Kippe steht! Sie fürchten, dass die Entscheider nichts tun, um die Katastrophe abzuwenden."
Oft kommen Schüler auch mit ihren Lehrern her. Sie thematisieren den Klimawandel dann vorher und nachher im Unterricht, oder gestalten Plakate für die Demo. Manchmal setzen sich auch die Eltern für ihre Kinder ein. Reve, 13 Jahre alt, hat seine Mutter dabei. Sie finde es auch wichtig, dass er herkomme, obwohl er eigentlich zur Schule müsste:
"Ich habe mit den Lehrern abgemacht, dass er dafür eine Bildercollage von hier im Unterricht präsentiert."
Oft kommen Schüler auch mit ihren Lehrern her. Sie thematisieren den Klimawandel dann vorher und nachher im Unterricht, oder gestalten Plakate für die Demo. Manchmal setzen sich auch die Eltern für ihre Kinder ein. Reve, 13 Jahre alt, hat seine Mutter dabei. Sie finde es auch wichtig, dass er herkomme, obwohl er eigentlich zur Schule müsste:
"Ich habe mit den Lehrern abgemacht, dass er dafür eine Bildercollage von hier im Unterricht präsentiert."
Die "Klima-Angst" geht um
Überhaupt sieht es so aus, als würde die finnische Gesellschaft gerade aufwachen, vor allem die junge Generation. Wörter wie "Kohlenstoffsenke", also die Kapazität von Bäumen und Wäldern, Kohlenstoffdioxid zu binden, haben es aus dem Fach-Lexikon längst in die Umgangssprache geschafft. Neben Klimademos wächst die Zahl derer, die nicht mehr fliegen wollen. Zeitungen schlagen "Klimadiäten" vor, und wer keine Nachrichten liest, kommt auf Social-Media-Kanälen kaum um das Thema herum. "Ilmastoahdistus" ist unter jungen Leuten zum geflügelten Wort geworden: "Klima-Angst".
Laura Kolehmainen, 24, ist groß, voller Energie, sie hat wilde rote Haare, und trägt ein knallblaues Kleid. In Socken und mit Tablet auf dem Schoß sitzt sie bei der Arbeit: auf einem Sofa beim Thinktank "Demos" in Helsinki. In ihrer Freizeit ist sie Aktivistin.
"Es ist utopisch, dass eine Mehrheit so nachhaltig lebt. Man kann doch auch den Chinesen oder Indern nicht sagen: Kauf das Auto nicht, kauf den Kühlschrank nicht. Und selbst wenn: Die Diskussion um kleine Schritte bringen uns nicht weiter. Es geht um die großen Linien!"
"Es ist utopisch, dass eine Mehrheit so nachhaltig lebt. Man kann doch auch den Chinesen oder Indern nicht sagen: Kauf das Auto nicht, kauf den Kühlschrank nicht. Und selbst wenn: Die Diskussion um kleine Schritte bringen uns nicht weiter. Es geht um die großen Linien!"
Lange hat sie sich für Menschenrechts- und Flüchtlingsthemen eingesetzt. Aber dann kam der Klimareport im Herbst, der den großen Unterschied zwischen dem 1,5- und dem 2-Grad-Ziel aufzeigte: "Da habe ich kapiert: Verdammt, wir haben nur noch zwölf Jahre Zeit!"
"Wo ist unser Schnee hin?"
Laura redet so schnell, als wäre gar keine Zeit mehr zum Reden. Und ja, sie hat viel zu sagen. Ihre Kampagne "Ilmastoveivi" - "Klimatod" - ist mittlerweile im ganzen Land bekannt. Sie will Finnland zum neuen Musterschüler machen. Nicht in Sachen Bildung, sondern in Sachen Klimawandel.
Mitstreiter haben einen Kurzfilm gemacht, er steht symbolisch für das Klima-Problem: In "Lumi - our snow" sieht man einen Langläufer im Finnlandtrikot, seine Skier knirschen über einen steinigen Weg am Stadtrand. Der Asphalt ist weiß gesprenkelt, der Schnee, der früher immer da war, fehlt. Am Schluss steht er im Stadtzentrum, seine Skier in der einen, ein Pappschild in der anderen Hand: "Wo ist unser Schnee hin?", steht darauf. Keiner bleibt stehen. Keiner sieht hin.
Aber Laura ist optimistisch. Es bewege sich was, sagt sie. Die Zeit sei reif: "Wenn ich die Kampagne letzten Frühling gestartet hätte - keine Chance. Aber ich glaube, seit dem Klimareport ist klar, wie ernst die Lage ist."
Nachdem sie schon zahlreiche Multiplikatoren und Geldgeber für sich gewonnen haben, sammeln Laura und ihre Mitstreiter jetzt Unterschriften. Eine halbe Million sollen es werden, dann wollen sie ihre Petition dem Premierminister übergeben. Sie hoffen vor allem auf das zweite Halbjahr 2019, wenn Finnland die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
"Wenn wir weitermachen wie jetzt, erwärmt sich die Erde um 3,5 Grad. Finnland muss das Klima zum Topthema in der EU und das 1,5-Grad-Ziel zum verbindlichen Ziel machen. Und wenn das Ziel feststeht, kann man über den Weg sprechen, über Bioenergie oder Atomkraft."
Mitstreiter haben einen Kurzfilm gemacht, er steht symbolisch für das Klima-Problem: In "Lumi - our snow" sieht man einen Langläufer im Finnlandtrikot, seine Skier knirschen über einen steinigen Weg am Stadtrand. Der Asphalt ist weiß gesprenkelt, der Schnee, der früher immer da war, fehlt. Am Schluss steht er im Stadtzentrum, seine Skier in der einen, ein Pappschild in der anderen Hand: "Wo ist unser Schnee hin?", steht darauf. Keiner bleibt stehen. Keiner sieht hin.
Aber Laura ist optimistisch. Es bewege sich was, sagt sie. Die Zeit sei reif: "Wenn ich die Kampagne letzten Frühling gestartet hätte - keine Chance. Aber ich glaube, seit dem Klimareport ist klar, wie ernst die Lage ist."
Nachdem sie schon zahlreiche Multiplikatoren und Geldgeber für sich gewonnen haben, sammeln Laura und ihre Mitstreiter jetzt Unterschriften. Eine halbe Million sollen es werden, dann wollen sie ihre Petition dem Premierminister übergeben. Sie hoffen vor allem auf das zweite Halbjahr 2019, wenn Finnland die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
"Wenn wir weitermachen wie jetzt, erwärmt sich die Erde um 3,5 Grad. Finnland muss das Klima zum Topthema in der EU und das 1,5-Grad-Ziel zum verbindlichen Ziel machen. Und wenn das Ziel feststeht, kann man über den Weg sprechen, über Bioenergie oder Atomkraft."