Klimawandel
Wie Leugner den Klimaschutz ausbremsen

Flutkatastrophen, Waldbrände, Dürren – die Folgen des Klimawandels sind längst spürbar. Trotzdem wächst der Einfluss von Klimawandelleugnern. Ihre Ziele: Zweifel streuen, Klimaschutzmaßnahmen verzögern, die Forschung diskreditieren.

Von Jonas Reese und Christopher Weingart |
Niederländische Windkraftanlagen produzieren erneuerbare Energie über dem ruhigen Meer.
Um Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern, verbreiten Klimawandelleugner Desinformationen. Sie stellen zum Beispiel Windkraftanlagen als gesundheitsschädlich dar. (picture alliance / Zoonar / Fokke Baarssen)
Die Klimapolitik nur Hysterie, durchgedrückt von einer „Klima-Diktatur“ in der „DDR 2.0“ – so sieht das Weltbild von Klimawandelleugnern aus. Sie sind überzeugt: Der Klimawandel ist bloß ein riesiger Schwindel, erfunden, um eine Deindustrialisierung zu erzwingen und den Bürgern ihre Freiheiten zu nehmen.
Neben dieser klassischen Form der Klimawandelleugnung haben sich auch subtilere Formen herausgebildet. Dabei wird der Klimawandel als solches nicht mehr angezweifelt, doch dafür wird der eigene Einfluss heruntergespielt - oder Klimaschutzmaßnahmen angegriffen. Dann spricht man von Climate Obstruction oder Klimaschutzverhinderung.

Inhalt

Warum leugnen Menschen den Klimawandel?

„Der Klimawandel stellt eine Bedrohungssituation dar“, erklärt Marlis Wullenkord, die im schwedischen Lund zur Psychologie der Klimawandelleugner forscht. Das zentrale Motiv der Leugnung sei Angst. Angst vor den unmittelbaren Folgen von Klimakatastrophen für das eigene Hab und Gut oder die physische Unversehrtheit - und Angst vor den Veränderungen, die eine konsequente Reaktion auf die Klimakrise erfordern würde.
Das nutzen Leugner und Verhinderer. Sie spielen die Gefahr durch den Klimawandel herunter und behaupten stattdessen: „Nicht das Klima ist in Gefahr, sondern unsere Freiheit.“

Welche Formen nimmt die Leugnung an?

In der Psychologie wird das Phänomen der Klimawandelleugnung in drei Arten unterteilt:

  • Die buchstäbliche Leugnung, in welcher die Existenz des menschengemachten Klimawandels bestritten wird.
  • Die interpretative Leugnung, in welcher der Klimawandel zwar anerkannt wird, seine Folgen aber verharmlost werden.
  • Die implikatorische Leugnung, die weder den Klimawandel noch dessen Folgen leugnet, aber daraus kein Handeln ableitet, sondern auf angebliche Zukunftstechnologien setzt oder die eigene Verantwortung ignoriert.
Dazu gibt es noch die Unterscheidung in individuelle und organisierte Leugnung. Während es sich bei der individuellen Leugnung um die Meinungen von Einzelpersonen handelt, kommt die organisierte Leugnung von Interessensgruppen wie Konzernen oder Parteien.

Wie hat sich die Klimawandelleugnung verändert?

Achim Brunnengräber, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, erklärt, dass der Einfluss der klassischen Leugner zwar abgenommen habe, die Klimaschutzverhinderer dafür aber einen Höhenflug erleben. Angetrieben von libertären Thinktanks, rechten Politikern und einflussreichen Konzernen, entwickle sich eine Bewegung, die gegen Windkraft auf die Straße geht, vom „Heiz-Hammer“ schwadroniert oder das angebliche „Verbrenner-Aus“ bekämpft.
Dieter Plehwe vom Wissenschaftszentrum Berlin forscht zu den Verbindungen von Leugnern und Verhinderern in die Medien, die Wirtschaft und die Politik. Für ihn sind die Leugner „hidden in plain sight“, wie er in einem Aufsatz gemeinsam mit Achim Brunnengräber und Moritz Neujeffski schreibt. Das bedeutet: Die Leugner und Verhinderer sind mitten in der Gesellschaft.

Wer sind die Leugner und Verhinderer?

Bei den Klimaschutzverhinderern gibt es nicht die eine tonangebende Gruppe. Die Bewegung besteht aus unterschiedlichen Organisationen mit jeweils eigenen Zielen. Sie alle eint, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse ablehnen oder verdrehen und sich gegen die Transformation der Wirtschaft wenden. Ein prominentes Beispiel ist Vernunftkraft e.V. - ein Verein, der sich gegen den Ausbau der Windenergie ausspricht und Ortsgruppen über die ganze Bundesrepublik verteilt unterhält.
Die wichtigste Organisation der Klimaleugner im deutschsprachigen Raum ist EIKE, das Europäische Institut für Klima und Energie mit Sitz im thüringischen Jena. Von EIKE stammt der Slogan zur Freiheit, die in Gefahr sei. Das „Institut“ EIKE ist allerdings nur ein eingetragener Verein, der auf seiner jährlichen Konferenz gegen die Theorie des menschengemachten Klimawandels agitiert.

Welche kommunikativen Strategien nutzen die Leugner und Verhinderer?

Eine wichtige Rolle spielt die Diffamierung der Gegenseite. Dabei werden Ausdrücke wie „Klima-Terroristen“ oder „Grüne Khmer“ gebraucht. So werden Klimawissenschaftler und Aktivisten in die Nähe von Gruppierungen wie den Roten Khmer gestellt, die in den 70er-Jahren mehrere Millionen Menschen in Kambodscha ermordet haben.
Dazu wird die Klimawissenschaft als Glaubenssatz dargestellt, der mit religiösem Eifer gegen alle, die der gängigen Meinung zu Klimathemen widersprechen, verteidigt werde. Für Leugner und Verharmloser gibt es außerdem keinen Konsens in der Klimaforschung, Gruppen wie re:look climate vom Ex-CDU-Abgeordneten Philipp Lengsfeld bemühen sich darum, den Eindruck einer noch offenen Debatte zu erwecken.

Die vermeintliche Gefahr durch Windräder

Anstelle etablierter Klimawissenschaftler versuchen Leugner und Verhinderer eigene Wissenschaftler zu etablieren und beispielsweise die Gefahr durch Windräder herauszuarbeiten. Eine Studie des Mainzer Herzchirurgen Christian-Friedrich Vahl will beispielsweise herausgefunden haben, dass der Schall von Windkraftanlagen Herzfasern nachhaltig schädige.
Gruppen wie Vernunftkraft verbreiten diese Narrative und versuchen damit, den Bau neuer Windenergieanlagen zu verhindern. Dabei ignorieren sie, dass Vahls Erkenntnisse längst widerlegt sind, seine Ergebnisse beruhten auf einem fehlerhaften Versuchsaufbau, so Stefan Holzheu von der Universität Bayreuth.
Dennoch gelingt es Leugnern und Verhinderern, ihre Narrative zu platzieren und Zweifel an Klimawandel und Klimaschutzmaßnahmen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Damit schaffen sie es immer wieder, Klimaschutzmaßnahmen auszubremsen. Das lohnt sich besonders für fossile Energiekonzerne, die über Personen wie Ex-RWE- und Shell-Lobbyist Fritz Vahrenholt auch Vernunftkraft nahestehen.

Wie nehmen die Leugner und Verhinderer politisch Einfluss?

Der Einfluss wird über ein weit verzweigtes Geflecht aus Lobbygruppen, Konzernen, politischen Akteuren, Medien und Bürgerinitiativen ausgeübt. Dieter Plehwe vom Wissenschaftszentrum Berlin erklärt, dass es zwar offiziell keine Unternehmen gibt, die dem 1,5 Grad-Ziel widersprechen. Trotzdem lobbyieren beispielsweise deutsche Autohersteller erfolgreich gegen Stickoxid-Grenzwerte und das Verbrenner-Aus.

Narrative in den Medien

Getragen würden die Narrative der Verhinderer in Medien wie der "Welt" oder der Bild-Zeitung und weiter propagiert zum Beispiel durch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder Gruppen wie Republik21 der Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU), so Plehwe.
Daneben sei das sogenannte Astroturfing verbreitet: Dabei gründen Konzerne vermeintliche Graswurzelbewegungen, um ihre Anliegen in der Öffentlichkeit als Bürgermeinung zu verkaufen. Daher auch der Name: Astroturf bedeutet Kunstrasen auf Englisch. Die Gruppe „Rettet unsere Industrie“ wurde beispielsweise von Fritz Vahrenholt (SPD), dem Ex-Umweltberater, Shell-Manager und RWE-Lobbyisten, gegründet.

Gute Beziehungen in die Politik

Auffällig sind die guten Beziehungen vieler Leugner und Verhinderer in die Politik. Karsten Hilse, der umweltpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, beschäftigt in seinem Abgeordnetenbüro den Vizevorsitzenden von EIKE.
2019 veranstaltete die AfD das alternative Klimasymposium im Bundestag, wo sie einigen Klimaleugnern eine offizielle Bühne bereitete. Andere konservative oder marktliberale Parteien von FDP bis CDU stehen unter dem Einfluss von Autolobby und Klimaschutzverhinderern.