Das Phänomen der Klimaangst ist mittlerweile global so verbreitet, dass der jährliche Bericht des Weltklimarats IPCC dem Thema „Klimawandel und mentale Gesundheit“ seit 2022 ein eigenes Kapitel widmet. Die Sorge hat einen Großteil der jungen Bevölkerung ergriffen. Wie kann man der Klimaangst begegnen? Und warum ist der Begriff durchaus kritisch zu sehen?
Was ist Klimaangst?
Für das belastende Gefühl angesichts von Umweltzerstörung und Verlust vertrauter Lebensräume durch den Klimawandel gibt es inzwischen sogar einen Fachbegriff: Solastalgie. Auch einen eigenen Forschungsbereich für Klimaangst gibt es.
Dabei handelt es sich keineswegs nur um Angst, sondern streng genommen um eine „ganze Bandbreite an Gefühlen, mit denen Menschen auf globale Krisen reagieren“, sagt die Psychologin Katharina van Bronswijk. Das könne Empörung und Wut über die Untätigkeit der Politik sein. Oder die Sorge aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. Oder auch ganz handfest: Sorgen vor Extremwetterereignissen in der eigenen Region.
Solche Gefühle zu haben, sei „erst einmal vollkommen normal“ und auch wichtig, sagt Bronswijk. Weil diese uns warnten und dazu antrieben, so etwas wie Katastrophenvorsorge zu betreiben. Ähnlich sieht es die Umweltpsychologin Astrid Krause. Bei dem, was wir über die Konsequenzen des Klimawandels wissen, sei es wichtig, die Ängste von Menschen nicht herunterzuspielen, sondern sie sehr ernst zu nehmen.
Eigentlich ist Klimaangst also keineswegs negativ – im Gegenteil. Das Gefühl sagt uns ‚Wir müssen etwas ändern‘ – und kann zur Motivation werden, sich politisch zu engagieren. Zur Gefahr wird die Klimaangst, wenn wir in dem Gefühl ohnmächtig verharren.
Wie viele Menschen leiden unter Klimaangst?
Der Klimawandel und damit verbundene psychische Belastungen betreffen nicht nur einzelne Menschen. Die scheinbar privaten Gefühle von Angst oder Sorge um die Zukunft wirken sich auf die Gesellschaft als Ganzes aus.
Internationale Studien haben es gezeigt: Eine Mehrheit der Befragten zwischen 16 und 25 macht sich „große“ bis „sehr große“ klimabedingte Sorgen um die Zukunft. Und in der Studie der Bertelsmann Stiftung von 2022 zeigten sich 80 Prozent der Befragten im Alter von 12 bis 18 Jahren „besorgt“, 42 Prozent sogar „sehr besorgt“ über das Thema Klimawandel.
Generell sind junge Menschen eher von Klimaangst betroffen und Frauen stärker als Männer, sagt der Psychologe Stephan Heinzel gegenüber dem ZDF.
In einer Umfrage der BBC in Großbritannien sagten zwei Drittel, dass die Erwachsenen nicht genug auf ihre Anliegen hören. Und in einer weltweiten Befragung von jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren gaben 40 Prozent an, sie wollten wegen der Folgen des Klimawandels keine Kinder haben.
2022 hat der jährliche Bericht des Weltklimarats IPCC dem Thema „Klimawandel und mentale Gesundheit“ erstmals ein eigenes Kapitel gewidmet. Demnach wirkt sich die Klimakrise weltweit messbar auf die mentale Gesundheit aus. Extremwetterereignissen lösen hohe Stressbelastungen bis hin zu höheren Suizidraten aus.
Das zeigt beispielsweise auch eine Studie der Betriebskrankenkasse (BKK) zum Hochwasser im Ahrtal. Sechs Monate nach dem Hochwasser habe es laut der Studie eine signifikante Steigerung von Depressionen, Ängsten und Suchterkrankungen gegeben, sagt die Psychologin Lea Dohm. „Und damit sind ja lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und viel menschliches Leid verbunden.“
Was tun gegen Klimaangst?
Wichtig sei es, Selbstwirksamkeit zu erfahren, sagt die Psychologin Lea Dohm. „Das heißt: Wir brauchen im Grunde Handlungsmöglichkeiten für die jungen Menschen. Etwas, das sie wirksam und machbar in den Alltag integrieren können. Und da wird es schon ein bisschen knifflig, weil was können wir denn als Einzelne Wirksames gegen die Klimakrise tun?“ Schließlich kann man noch so sehr versuchen, seinen CO2-Fußabdruck durch vegane Ernährung, Flug- und Auto-Verzicht zu verkleinern – letztendlich lässt sich diese Krise nur global lösen.
Da heißt es dann schnell: Ich selbst habe doch sowieso keinen Einfluss, es ist doch schon längst zu spät… alles vergeblich: Doch Dohm tritt solchen Argumentationslinien entschieden entgegen. „Da gilt es natürlich zu sagen, dass es nicht stimmt“, sagt sie. Vielmehr gelte: „Dass wir jetzt gerade im entscheidenden Jahrzehnt leben, in dem wir noch wichtige Weichen stellen können.“ Denn angesichts der Größe des Problems zu kapitulieren, hilft weder gegen den Klimawandel noch gegen die Angst davor.
Ein weiterer Tipp gegen das Ohnmachtsgefühl der Klimaangst: Sich mit anderen Menschen vernetzen, seine Gefühle zum Ausdruck bringen - und dabei ernst genommen werden. Ansprechpartner können dabei zum Beispiel auch die „Psychologen und Psychotherapeuten für die Zukunft“ sein. Bei ihnen kann man anrufen – und erhält dann Coaching, Brainstorming und Ermutigung.
Außerdem gilt: Sich nicht durch Schreckensnachrichten in den Medien überrollen lassen. Stattdessen lieber mal Medienpausen einlegen.
Mit anderen Worten: Nicht wie gebannt durch Horrormeldungen scrollen. Sondern stattdessen sich gemeinsam mit anderen Menschen gegen den Klimawandel engagieren – auch wenn die Auswirkungen noch so gering erscheinen. „Also mein eigenes Effizienzgefühl und meine eigene Handlungsmächtigkeit etwas zu erhöhen“, fasst es die Umweltpsychologin Astrid Krause zusammen.
Warum ist der Begriff der Klimaangst kritisch zu sehen?
Klimaangst ist keine Angststörung, kein individuelles Leiden. Er ist eine berechtigte Reaktion auf reale Veränderungen unserer Umwelt. Genau das kann dieser Begriff aber suggerieren und damit das Problem pathologisieren. Statt die Gefahren des Klimawandels anzugehen, wird eine vermeintlich krankhafte Störung in den Fokus genommen.
Gleichzeitig kann das Problem mittels des Begriffs individualisiert werden, anstatt die Verantwortung der Gesellschaft, der Wirtschaft und Politik in den Blick zu nehmen. Letztendlich kann der Begriff der Klimaangst auch von dem eigentlichen Problem ablenken: dass in Sachen Klimaschutz zu wenig getan wird.
Denn: Am besten gegen den Klimawandel und damit auch gegen die Klimaangst hilft wohl eines: eine konsequente Klimapolitik.