Das spanische Meeresforschungsinstitut Instituto de Ciencias del Mar (ICM) liegt in Barcelona direkt am Meer. Doch Patrizia Ziveri kommt selten dazu, den Strand zu genießen. Die Biologin erforscht das Meer, genauer: sie erforscht, wie Plastikmüll und Überfischung dem Mittelmeer zusetzen. Ihr Spezialgebiet ist ein bislang weniger bekanntes Phänomen: Die Versauerung der Meere.
"Es ist wie eine stille Krankheit des Meeres, die man nicht gleich erkennt. Man sieht sie nicht und auch Politiker haben sie nicht auf dem Schirm. Wenn wir die Versauerung irgendwann deutlich spüren, wird es zu spät sein. Wir müssen jetzt etwas tun", erklärt Patrizia Ziveri.
Meere speichern große Mengen CO2
Die Versauerung entsteht durch eine einfache chemische Reaktion: Die Meere speichern große Mengen an Kohlendioxid, die weltweit durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas freigesetzt werden. Kommt CO2 mit Wasser in Kontakt, entsteht Kohlensäure, die den pH-Wert des Wassers senkt und es somit saurer macht.
Im Keller des Instituts liegt das Labor der Meeresbiologen. Die Luft ist feucht, der Boden nass. An den Wänden stehen schwarze Plastiktröge, randvoll mit Wasser. Darin tummeln sich Fische. In einigen Glas-Aquarien schweben Quallen und am Beckenboden liegen Schnecken und Muscheln. Hier hat Patrizia Ziveri untersucht, wie anfällig Meerestiere für die Versauerung sind.
"Muscheln haben eine Schutzhülle aus Kalk. Wenn es in den Meeren nun zu einer Kombination aus Erwärmung und Versauerung kommt, dann kann sich diese Schutzhülle nicht richtig ausbilden. Der Kalk wird zerfressen. Davon sind viele Schalentiere betroffen."
Meer als Nahrungsquelle in höchster Gefahr
Und was die Meerestiere bedroht, wird auf längere Sicht auch für den Menschen zu einem Problem.
"Hier in Barcelona gibt es viele Fischereibetriebe und Muschelzüchter. Durch den Klimawandel erleben wir hier immer häufiger Hitzewellen. Das führt dazu, dass die Muscheln absterben. Die Fischer müssen die Tiere deshalb vorzeitig aus dem Wasser holen, wenn sie noch nicht ausgewachsen sind. Denn tote Muscheln kann man nicht verkaufen", so Meeresbiologin Ziveri.
Das Meer als Nahrungsquelle ist darum in höchster Gefahr: Durch Versauerung, durch die Erwärmung, durch die Überfischung und nicht zuletzt die Vermüllung der Meere. Die Vereinten Nationen haben sich in ihren Nachhaltigkeitszielen vorgenommen, bis 2030 die Probleme der Weltmeere zumindest einzudämmen. Deshalb treffen sich ab dem 5. Juni Politiker, Forscher und Nichtregierungsorganisationen in New York zur großen UN-Ozeankonferenz.
"Ozeane sind Regulatoren unserer Erde"
Darunter auch der schwedische Forscher Johan Rockström vom Stockholm Resilience Center. Der Umweltforscher gilt als "Vater" des Konzepts der "planetaren Grenzen", das im Jahr 2009 erstmals die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde aufzeigte. Rockström will den Politikern in New York die Dringlichkeit des Meeresschutzes vor Augen führen.
"Ob wir es mögen oder nicht: Die Meere werden zum Mülleimer unserer verschwenderischen Lebens- und Produktionsweise. Denn alles, was wir an Land an Verschmutzung produzieren, fällt auf die Meere zurück. Die Ozeane sind Regulatoren unserer Erde, aber sie sind auch die Opfer unserer umweltschädlichen Lebensweise", so der schwedische Forscher und Träger des Deutschen Umweltpreises.
Nicht nur ein Gipfel schöner Worte
Deshalb haben sich die Staaten nun vorgenommen, mit konkreten Aktionen den Meeresschutz voranzubringen. Statt um eine gemeinsame Resolution geht es auf der "Ocean Conference" in New York um einen Austausch. Die Idee: Die Teilnehmer-Staaten gehen freiwillige Verpflichtungen für die nächsten Jahre ein und loten aus, wie sich Länder gegenseitig unterstützen können. Das deutsche Bundesumweltministerium will die hierzulande eingeführte Müllgebühr für Schiffe in der Ostsee vorstellen. Das Besonders an ihr ist: Die Gebühr ist im Liegeentgelt für den Hafen bereits enthalten und wird nicht extra erhoben. Weil die Schiffe ohnehin anlegen müssen, zwingt das die Kapitäne, die Gebühr zu bezahlen. So lohnt es sich nicht, den Müll ins Meer werfen, um Kosten zu sparen.
Auch die schwedische Regierung will vermeiden, dass die "Ocean Conference" nur ein Gipfel schöner Worte wird. Im Vorfeld trifft sie sich deshalb mit Fischereikonzernen, um die Überfischung zum Thema zu machen. Doch während sich Fischbestände durchaus wieder erholen können, ist das Problem der Versauerung weitaus schwieriger, warnt Umweltforscher Rockström:
"Die Ozeanversauerung ist eine chemische Krise. Die Lösung kann nur darin bestehen, dass wir so schnell wie möglich mit der Verbrennung von fossilen Ressourcen aufhören. Nur so haben wir weniger CO2 in der Atmosphäre und damit in den Ozeanen. Das ist der einzige Weg."
Rockström empfiehlt deshalb nicht nur, weniger Fisch zu essen, sondern auch beim Autofahren und Einkaufen an die Meere zu denken. Der schwedische Forscher mahnt: "Am nachhaltigen Umgang mit den Meeren entscheidet sich, ob es der Menschheit gelingt oder nicht, die Erde auch in Zukunft lebenswert zu bewahren."