Luxus und CO2-Ausstoß
Wie Reiche den Klimawandel antreiben

Reiche Menschen haben einen größeren Anteil am Klimawandel als der Durchschnitt. Zusätzlich treiben große finanzielle Unterschiede innerhalb einer Gesellschaft die CO2-Emissionen weiter in die Höhe. Doch warum und welche Lösungen gibt es?

31.05.2024
    Luxusyachten liegen nebeneinander im Hafen von Monte Carlo.
    Bei Luxus fallen auch Luxusemissionen an: Nicht wenige Jachten verbrauchen bei Vollgas bis zu 2000 Liter Sprit in der Stunde - volltanken kann bis zu einer Million Euro kosten. (IMAGO / Pond5 Images / vladimir drozdin)
    Nicht alle Menschen tragen gleich viel zur Klimakrise bei. Reiche Personen haben einen größeren Anteil daran als beispielsweise Mittel- oder Geringverdienende.

    Inhalt

    Sind reiche Menschen schuld am Klimawandel?

    Reiche sind nicht schuld am Klimawandel, doch sie verstärken ihn. Denn sie haben verglichen mit dem Durchschnitt der Gesellschaft zumindest einen großen Anteil am Klimawandel.
    Eine im November 2023 veröffentlichte Untersuchung der Entwicklungsorganisation Oxfam zeigt exemplarisch für das Jahr 2019:
    • Die einkommensstärksten zehn Prozent der Deutschen haben 28 Prozent der CO2-Emissionen verursacht.
    • Das reichste obere Prozent war trotz geringer Personenzahl für acht Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich (jeweils bezogen auf den CO2-Ausstoß von Privatpersonen).

    Grafik zeigt Energieverbrauch pro Kopf: Die ärmsten 50% verbrauchen etwa 5 Tonnen CO2, die mittleren 40% etwa 11 Tonnen, de reichsetn 10% etwa 29 Tonnen und das reichste 1%  über 80 Tonnen CO2.
    Die Verantwortlichkeiten für die Klimakrise unterscheiden sich auch in Deutschland deutlich (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Die gesamte ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung hatte 2019 einen Anteil am Klimawandel von 5,4 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Kopf. Das einkommensstärkste Prozent brachte es auf mehr als 15-mal so viel: 83,3 Tonnen.
    Im globalen Vergleich sind die Unterschiede beim Ausstoß noch stärker: Die ärmere Hälfte der Welt emittiert durchschnittlich 1,4 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person und Jahr, sagt Klimaforscher Tilman Santarius. Bei den sogenannten Superreichen, den Top 0,01 Prozent, seien es 2300 Tonnen. 
    CO2-Äquivalente sind eine Einheit, die genutzt wird, um verschiedene Treibhausgase zusammenzufassen.

    Warum verursachen reiche Menschen mehr CO2?

    Einerseits aufgrund ihres privaten Konsums. Aber auch Investitionen wie Unternehmensanteile spielen eine Rolle.

    Privater Konsum

    Je mehr Geld Menschen haben, desto mehr Treibhausgase werden durch ihr persönliches Konsumverhalten freigesetzt: mehr Online-Warenbestellungen, schnellere Autos, häufige Flugreisen. Im Fall der oberen 0,01 Prozent vergrößern extreme Luxusgüter wie Privatjets, Jachten und Villen den ökologischen Fußabdruck besonders stark.
    Grafik zeigt Verbrauchskategorien und Anteil der jeweils oberen und unteren 10%. Im folgenden werden die oberen 10% zuerst genannt, danach die unteren 10%)
Indirekte Energie (45%, 1,5%)
Lebensmittel (32,5%, 2,5)
Alkohol und Tabak (40%, 1%)
Kleidung (42%, 2%)
Möbel, Haushaltsgeräte und Dienstleistungen (53%, 1%)
Gesundheit (42%, 0,5%)
Auto (70%, 0%)
Sonstiger Verkehr (46%, 0,5%)
Kommunikation (58%, 0,1%)
Freizeitartikel (66%, 0%)
Pauschalurlaub (76%, 0%)
Erziehung, Finanzen und sonstiger Luxus (51%, 0,5%9

Direkte Energie (36%, 2%)
Heizung und Strom (32%, 2,5%)
Kraftstoff, Betrieb des Fahrzeugs (56%, 0,3%)

Gesamt (39%, 2%)
    Energienachfrage weltweit je Einkommen (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Die obige Tabelle verdeutlicht im internationalen Vergleich, wie sehr der Anteil an der Klimakrise vom Wohlstand abhängt. In Segmenten wie dem Kauf von Freizeitartikeln, Urlauben oder Autos liegt die Differenz zwischen den Reichsten und den Ärmsten bei bis zu 70 Prozent.
    Bei Energie ist die Schere ebenfalls groß: Das reichste Zehntel ist für fast 40 Prozent des Energiekonsums verantwortlich. Beim ärmsten Zehntel sind es rund zwei Prozent.

    Besitz von Unternehmensanteilen

    Trotz Jachten, Penthäusern und Luxusautos: Die meisten Emissionen reicher Menschen werden oft gar nicht im sichtbaren Bereich ihres Lebensstils erzeugt. Deutlich stärker kann der Besitz von Unternehmensanteilen die CO2-Bilanz in die Höhe treiben.
    Der Ökonom Philipp Bothe ist Koordinator des „Climate Inequality Report 2023“. Die Autoren der Studie sagen, dass Besitzer von Unternehmensanteilen mitverantwortlich für die Emissionen der jeweiligen Firmen seien. Schließlich könnten sie beeinflussen, wie viele Klimagase diese ausstoßen.
    Nach den Ergebnissen einer Analyse von Oxfam „erzeugen die Investitionen von 125 der reichsten Milliardär*innen der Welt im Durchschnitt pro Milliardär*in jedes Jahr Emissionen von drei Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das entspricht den durchschnittlichen Emissionen von rund einer Million Menschen aus den ärmeren 90 Prozent der Weltbevölkerung.“ Nur eine Person der betrachteten Milliardärinnen und Milliardäre hat demnach in ein Unternehmen für erneuerbare Energien investiert.
    Berücksichtigt man diese „unsichtbaren“ Investitionen, bleiben die Emissionen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung konstant. Der Grund: Diese Hälfte besitzt kaum Aktien oder Unternehmensbeteiligungen.

    Wieso verstärkt Ungleichheit den Klimawandel?

    Nach Ansicht des Klimaforschers Tilman Santarius ist ökonomische Ungleichheit ein Treiber des Klimawandels. Das hat Gründe:
    • Ungleichheit verringert gesellschaftlichen Zusammenhalt
    Vermögende und Menschen mit geringem Einkommen haben oft wenig Berührungspunkte. Dadurch sinke die Kooperationsbereitschaft auch beim Klimaschutz.
    • Statusvergleiche orientieren sich nach oben
    Nicht selten sehe die Mittelschicht (manchmal auch Geringverdienende) im Konsum der Reichen ein Ideal, sagt Santarius. Die Folge: Eine verhältnismäßig große Gruppe konsumiert zunehmend mehr.
    • Manchmal bremsen Reiche die Klimapolitik
    Vor allem Superreiche würden häufig versuchen, klimapolitische Maßnahmen zu blockieren, sagt Santarius. Das passiere vor allem dann, wenn diese Maßnahmen dazu führen, dass ihre Investitionen plötzlich weniger Rendite einbringen (z.B. technische Anlagen, deren Ertragskraft aufgrund klimapolitischer Entscheidungen abnimmt).

    Welche Gegenmaßnahmen werden diskutiert?

    Es gibt verschiedene Ideen, die zu mehr Klimagerechtigkeit führen könnten.
    • Impact Investing
    Beim sogenannten Impact Investing wird Geld so angelegt, dass es nicht nur Gewinne, sondern auch die gewünschte gesellschaftliche oder ökologische Wirkung erzielt. Denkbar sind beispielsweise Investitionen in neue Technologien zu Energiespeicherung.
    • Klimageld
    Hinter dem Klimageld steckt die Idee, Steuereinnahmen (und Erlöse aus Zertifikaten des Emissionshandels) nicht nur für den allgemeinen Steuerhaushalt zu verwenden. Stattdessen sollen die Gelder an Bürgerinnen und Bürger rückverteilt werden.
    Menschen mit weniger Einkommen sollen mehr Klimageld bekommen. Denn für Geringverdienende dürfte es schwerer sein, Klimafolgenschäden oder deren Vorbeugung zu finanzieren.
    • Vermögenssteuer
    In Deutschland hat es lange Zeit eine zusätzliche Besteuerung von Vermögen gegeben: von 1923 bis 1996. Seit ihrer Abschaffung wurden immer wieder Vorschläge zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer diskutiert.
    Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze zur Gestaltung. Sollten bereits Millionäre damit besteuert werden oder nur Milliardäre? Letzteres fordert unter anderem der Armutsforscher Christoph Butterwegge. Nur noch wenige OECD-Länder haben derzeit eine Vermögenssteuer, darunter sind Norwegen, Frankreich und die Schweiz.
    • Übergewinnsteuer
    Laut Analysen von Oxfam und Action Aid haben 722 der größten Unternehmen der Welt in den vergangenen zweieinhalb Jahren unerwartete Übergewinne erwirtschaftet. Diese Mehreinnahmen belaufen sich zusammen auf über eine Billion US-Dollar.
    Durchschnittlich 237 Milliarden US-Dollar pro Jahr gingen davon in die Kassen von 45 Energiekonzernen. Die Oxfam-Untersuchung führt auf, dass „eine Steuer von 50 bis 90 Prozent nur auf die Übergewinne dieser 722 Megakonzerne bis zu 941 Milliarden US-Dollar hätte einbringen können.“
    In Deutschland galt für die Jahre 2022 und 2023 eine Art zeitlich befristete Übergewinnsteuer, um auf dem Höhepunkt der Energiekrise Zufallsgewinne von stromproduzierenden Unternehmen abzuschöpfen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei Die Linke nahesteht, geht in einer Analyse davon aus, dass eine generelle Übergewinnsteuer für die profitabelsten Konzerne „jährlich bis zu 40 Milliarden Euro mehr an Steuern einnehmen“ könnte.
    • Reform der Erbschaftssteuer
    Knapp die Hälfte der Vermögen in Deutschland wird nicht erarbeitet, sondern vererbt. „In Deutschland werden Erbschaften effektiv mit drei Prozent besteuert, Arbeit mit 30 Prozent“, sagt Miriam Rehm, Professorin für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen. „Wir stützen damit die Reichsten.“
    Manche empfinden es zudem als ungerecht, dass die Besteuerung von Erbschaften in Deutschland regressiv statt progressiv geschieht. Das heißt: Je mehr man erbt, desto weniger Steuern müssen gezahlt werden. Eine Reform, die die zahlreichen Ausnahmeregelungen der Erbschaftssteuer beenden könnte, wird politisch nicht zuletzt von der höchsten Einkommensgruppe bekämpft.

    Jan-Martin Altgeld