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Von Hitzschlag bis Zeckenbisse
Wie die Klimakrise die Gesundheit von Sportlern gefährdet

Die Fahrer der Tour de France leiden unter Temperaturen von fast 40 Grad. Der Klimawandel macht solche Temperaturen wahrscheinlicher, Sportlerinnen und Sportler können sich den Risiken aber nicht entziehen, sagte der Sportsoziologe Sven Schneider. Die Verbände könnten aber Maßnahmen ergreifen.

Sven Schneider im Gespräch mit Maximilian Rieger | 17.07.2022
Fußballer Jude Bellingham von Borussia Dortmund kühlt seine Stirn mit einer Wasserflasche.
Fußballer Jude Bellingham von Borussia Dortmund kühlt seine Stirn mit einer Wasserflasche. (IMAGO/Kirchner-Media)
200 Kilometer Radfahren bei fast 40 Grad. Die Belastung auf der 15. Etappe der Tour de France waren immens. Die Hitze war so stark, dass die Tour-Organisatoren die Regeln anpassten: Die Karenzzeit wurde hinaufgesetzt, Verpflegung war bis auf die letzten zehn Kilometer immer möglich und die Fahrer durften ihre Trinkflaschen nicht nur in den "Müllzonen" wegwerfen, sondern überall, wo Fans standen.

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Hohe Temperaturen hat es bei der Tour de France schon immer gegeben, durch den Klimawandel werden extreme Hitzewellen allerdings zunehmen. Und das betrifft nicht nur den Radsport. Insgesamt werden die gesundheitlichen Risiken für Sportlerinenn und Sportler durch den Klimawandel zunehmen.

Gesundheitliche Risiken von Hitzschlag bis Zeckenbissen

Für den Sport gebe es auf den Klimawandel bezogen insgesamt sechs Risikofelder, sagt Sven Schneider, Sportsoziologe an der Uni Heidelberg. Diese Risiken seien Hitze, die UV-Strahlung, Extremwetterereignisse, die Ozonbelastung, Allergien und Infektionsrisiken, die durch die Klimakrise verstärkt würden. "Nur ein Beispiel ist hier die Zeckenpopulation, die ganz im Frühjahr jetzt auch schon sehr aktiv ist."
Anders als andere Risikogruppen könnten sich Sportlerinnen und Sportler diesen Risiken nicht entziehen, sagte Schneider. "Die Ligaspiele finden einfach statt. Die Spielpläne sind gesetzt, nicht nur bei den Profisportlern der Tour de France, sondern auch im Amateursport. Das spielt die D-Jugend eben am Sonntagmittag um 14 Uhr in gleißender Hitze."

"Sportler informieren und animieren"

Wie können sich Sportlerinnen und Sportler also schützen? Dazu gebe es zwei Ansätze, erklärte Schneider. "Zum einen die sogenannte Verhaltensprävention. Das sind Ansätze, wo wir den Sportler informieren und animieren, sich entsprechend zu schützen. Und der zweite Ansatz ist ein sogenannter Verhältnispräventiver Ansatz, wo der Verband, der Übungsleiter, der Organisator einer Veranstaltung in der Pflicht ist, selber etwas zu unternehmen, um die Athleten zu schützen."
Hier hätten die Sportverbände noch Nachholbedarf, wie Schneider herausgefunden hat: "Insgesamt gibt es in Deutschland rund 70 Sportverbände. Und wir sehen, dass 20 Prozent der Verbände zumindest einmal der Website rudimentäre Informationen über Hitze, UV, also diese sonnenbedingten Risiken geben. Wenn auch teilweise wirklich nur ganz rudimentär. Alle anderen Risikofaktoren werden kaum erwähnt." Gerade Sportverbände hätten auf ihren zentralen Webseiten "ideale Möglichkeiten, die Athleten entsprechend in der Breite zu informieren."

Thema bei Sportverbänden "möglicherweise" noch nicht angekommen

Das Thema sei in den Sportverbänden also "möglicherweise" noch nicht angekommen, sagte Schneider. Beim DOSB gebe es nun aber erste Initiativen "und wir hoffen und versuchen, das zu unterstützen, das auch in den Landesverbänden und bis runter zu den Vereinen und zu den Übungsleitern die Informationen, aber auch die Maßnahmen, ankommen und umgesetzt werden. Also das ist tatsächlich der Prozess, der jetzt gerade anläuft."
Zu den Maßnahmen würde gehören, "dass man natürlich die Athleten anhalten kann, sich einzucremen und vor dem Wettkampf zu trinken. Das sind individuelle verhaltenspräventive Maßnahmen."
Dazu gebe es noch technische Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen und personenbezogene Maßnahmen. "Technische Maßnahmen bedeutet, dass man die Hallen entsprechenend energetisch saniert, dass man bei Wettkämpfen Sonnensegel aufstellt, dass man Kampfgericht und Trainerbänke beschattet", erklärt Schneider.

Organisatorische Maßnahmen mit größtem Potential

Das größte Potential hätten die organisatorischen Maßnahmen. "Also gibt es irgendwie die Möglichkeiten, das Spiel zu verlegen, wenn ich weiß, dass am Sonntag um 14 Uhr die Temperatur bei 38 Grad sein wird? Wie sieht es mit Kleiderregeln aus? Beim Fußball gibt es keine Möglichkeit, den Platz zu beschatten und man darf auch keine Kopfbedeckung tragen. Warum eigentlich nicht?"
Bei den personenbezogenen Maßnahmen seien die Trainer und Übungsleiter gefragt. "Denn gerade bei Trainern sind die Zielgruppen häufig Kinder und Jugendliche, die besonders vulnerabel sind. Und hier sind die Trainer die Schlüsselpersonen als Multiplikatoren."
Im Profisport sollten nach Schneider die Spielpläne flexibilisiert werden, fordert Schneider. "Muss das Nachmittagsspiel im Sommer tatsächlich stattfinden? Oder kann der ganze Ligabetrieb dann nicht auch mehr in Richtung Winterhalbjahr verlagert werden? Wir haben viel mildere Winter und vielleicht muss die Sommerpause vielleicht verlängert werden." Die Spielpläne müssten so flexibilsiert werden. "dass wir eben gerade in den besonders relevanten Monaten eben nicht die Spiele in der Mittagszeit und in der Mittagshitze haben."