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Klimawandel
Überlebensstrategien für Küstenregionen

Infolge des Klimawandels wird der Meeresspiegel steigen - mit weitreichenden Folgen für viele Küstenregionen weltweit. Ein internationales Forscherteam hat jetzt Beispiele für Regionen zusammengetragen, die schon heute mit mehr Wasser zurecht kommen müssen. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?

Von Monika Seynsche |
    Auf Stelzen gebaute informelle Siedlungen an Wasserläufen und im Watt prägen das Bild philippinischer Großstädte wie Davao, Tagbilaran und Manila.
    Häuser auf Stelzen waren für Menschen auf den Philippinen die Lösung für den Anstieg des Meeresspiegels. (Deutschlandradio / Thomas Kruchem)
    Das Tohoku Erdbeben vom 11. März 2011 hat einen gewaltigen Tsunami und in Fukushima eine der größten Atomkatastrophen der Geschichte ausgelöst. Gleichzeitig hat das Beben den Erdboden in der Region abgesenkt, um durchschnittlich einen Meter. Und genau das macht dieses Beben spannend für Forscher wie Miguel Esteban, die sich mit möglichen Folgen des Meeresspiegelanstieges beschäftigen. Denn die Küste von Tohoku lag nach dem Beben so weit unter Wasser, wie Klimaforscher es für viele Küstenregionen weltweit bis Ende dieses Jahrhunderts erwarten.
    "In Tohoku hat man sich an diesen relativen Meeresspiegelanstieg angepasst, indem man das Land künstlich angehoben hat. Durch das Beben war es um einen Meter abgesackt. Deshalb wurden die Häfen um einen Meter erhöht, um wieder das ursprüngliche Niveau zu erreichen. Darüber hinaus wurde - um Schäden durch zukünftige Tsunamis zu minimieren - mit enormen staatlichen Mitteln der Boden ganzer Dörfer und Städte um acht bis 17 Meter angehoben."
    Mehr Geld, mehr Möglichkeiten
    Mit einem gewaltigen Aufwand wurden rund um die Dörfer ganze Berge abgetragen, um mit dem Gestein das Gelände zu erhöhen.
    "Wenn Sie genug Geld haben, können Sie das tun. Es ist völlig verrückt, aber Sie können sich an den steigenden Meeresspiegelanstieg anpassen, indem Sie Berge abtragen und an anderer Stelle wieder aufbauen."
    Miguel Esteban von der Universität Tokio und seine Kollegen haben sich aber nicht nur die Region Tohoku angeschaut. Auch auf den Philippinen kam es infolge eines Erdbebens im Jahr 2013 zum Absacken des Landes. Allerdings in der Danajon Bank, einer Inselregion, die von Armut geprägt ist.
    "Dort ist es schwierig, das gesamte Land anzuheben, schlicht weil den örtlichen Behörden das Geld fehlt. Stattdessen haben die Inselbewohner damit begonnen, ihre Häuser auf Pfähle zu stellen."
    Flucht ins Landesinnere?
    Mehr als eine Milliarde Menschen leben heute in tief gelegenen Küstenregionen. Je stärker der Meeresspiegel ansteigt, desto mehr von ihnen werden bedroht sein. Die gängige Theorie unter Klimaforschern geht daher davon aus, dass viele Hundert Millionen Menschen von den Küsten ins Landesinnere werden fliehen müssen. Miguel Esteban aber glaubt nicht an diese Theorie der Massenmigration.
    "Natürlich wird der Meeresspiegelanstieg Konsequenzen haben, aber wir glauben, dass selbst die ärmsten Gesellschaften in der Lage sind, sich an ihn anzupassen. Damit will ich nicht sagen, dass er keine Probleme verursachen wird. Auf den Philippinen kämpfen die Menschen jetzt schon mit Krankheiten, die sie vorher nicht hatten. Und das Risiko wächst, dass eine Sturmflut oder ein Taifun die Inseln zerstört. Aber wir halten es für unwahrscheinlich, dass irgendeine große Stadt oder Insel aufgegeben wird."
    Dafür böten die Küstenregionen viel zu viele Vorteile. Die Inselbewohner der Danajon Bank etwa hätten Grundstücke im philippinischen Hinterland angeboten bekommen, seien aber trotzdem auf ihren Inseln geblieben. Als Fischer brauchen sie das Meer zum Überleben.