Rund 50 Menschen sitzen in dem Raum eines Gemeindehauses in Recklinghausen. Trotz des frühen Abends ist es noch heiß, die letzten Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge scheinen, tauchen den Raum in ein rötliches Licht. Maria Voß hat den Infoabend organisiert. Es geht um Umweltschutz und Klimafragen - wie lassen sich diese Themen in die Gemeindearbeit integrieren?
"Ich begrüße Weihbischof Rolf Lohmann, der seit Januar – ich glaube, das ist richtig? – der Umweltbischof der deutschen Bischofskonferenz ist. Ein bisschen salopp ausgedrückt."
Lohmann, 56 Jahre alt, Weihbischof aus Xanten, ein groß gewachsener Mann mit Brille, Dreitage-Bart und freundlichem Gemüt, nickt in die Runde.
"Wo kaufen wir von der Kirche ein?"
Bei ihrer Herbst-Vollversammlung vor zwei Jahren beschlossen die deutschen Bischöfe, sich mit der Mitverantwortung der Kirche für die Bewahrung der Schöpfung zu befassen. Im Nachgang dazu wurden – eben unter der Leitung von Weihbischof Lohmann – konkrete Handlungsempfehlungen formuliert, die ein Jahr später verabschiedet wurden.
Lohmann sagt: "Wenn es um die Handlungsempfehlungen für die Diözesen geht, da geht es tatsächlich darum: Steht das Thema Umwelt bei uns selber vorne? Was ist mit unseren eigenen Gebäuden? Wie werden die ertüchtigt? Wie ist es da mit den Energiefragen? Sind schon konkrete Dinge: Wo kaufen wir, von der Kirche, ein?"
Lohmann, der eben all diesen Fragen als Umweltbischof ein Gesicht gibt, macht eine kurze Pause:
"Schauen wir, dass das regional ist? Oder schauen wir nur darauf, dass es günstig ist? Also, gehen wir auch da voran? Was ist mit dem Land, was wir verpachten? Ist es bei unserem Kirchenland so, dass wir sagen: Ja, wir wollen Streifen freihalten, bewusst für die Schöpfung?"
"Das Thema muss überall einen Platz bekommen"
Letztendlich sei dies für die katholische Kirche schon immer ein Thema gewesen, die Bewahrung der Schöpfung. Doch mit der Umwelt-Enzyklika "Laudato Si" setzte Papst Franziskus noch einmal ein Zeichen im Hinblick auf bestehende soziale Ungerechtigkeiten und auf die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Und somit bekam das Thema auch innerkirchlich noch einmal Konjunktur. Für Lohmann geht es nun darum, diese Sorgen in konkrete Maßnahmen zu übersetzen:
"Dieses Thema muss doch vorkommen in der Verkündigung, in der Liturgie. Da muss das einen Platz haben. Auch das ist wichtig. Oder dass es vorkommt bei den Fürbitten des Gottesdienstes. Dass das einen Hintergrund hat, dass das fest verankert wird für die Bildungshintergründe, dass das also in den Plänen der Schulen auch aufgegriffen wird für die Fächer. Das halte ich für wichtig. Das Thema muss absolut überall einen Platz bekommen."
Manheim ist auch für die Kirche eine Niederlage
Und doch stößt es mitunter an weltliche Grenzen: Manheim im rheinischen Braunkohle-Revier. Demonstranten singen das Lied "Laudato Si". Es ist ein Samstag im Frühsommer – und ein trauriger Anlass: Die örtliche Kirche wird entweiht. Der Grund: Der Ort muss dem Braunkohle-Tagebau weichen – obwohl aktuell offen scheint, ob die Bagger überhaupt noch so weit kommen. Doch die Kirche wurde an den Braunkohlebetreiber RWE verkauft:
"Ja, ich bin sehr traurig, dass die Kirche entweiht wird, weil RWE scheinbar noch weiter vorhat, hier alles abzureißen."
Die Menschen nehmen Abschied. Für sie hat die Kirche versagt. Weihbischof Lohmann kann den Frust in der Gemeinde Manheim verstehen, sucht – fast schon verzweifelt – nach Worten:
"Was können wir an der Stelle noch tun? Ich sag mal: Das ist da ein schwieriges Feld, vor allen Dingen, wo alle Verträge unterzeichnet sind. Man kann das jetzt deuten als irgendein Herausreden. Das möchte ich nicht, aber: Ich sehe einfach an der Stelle keine andere Möglichkeit."
Die Entscheidungskompetenz der Diözesen
Im September gibt es die nächste Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Bischofskonferenz für ökologische Fragen, voraussichtlich in Frankfurt am Main. Insgesamt drei Jahre soll der Prozess laufen, dann wird evaluiert. Das Beispiel Manheim jedoch zeigt: Lohmanns Einfluss ist begrenzt, was aber auch an der Machtstruktur der Kirche liegt:
"Die Bischofskonferenz ist ein Zusammenschluss der einzelnen Diözesen, aber die Entscheidungskompetenz bleibt immer auf deren Ebene", sagt Joachim Frank.
Der Journalist, Mitglied der Chefredaktion des Kölner Stadt-Anzeigers und Theologe, berichtet seit Jahren über die katholische Kirche.
Er sagt: "Das ist selbst in Themen, die scheinbar oder auf den ersten Blick für die katholische Kirche weitaus neuralgischer sind, ein Problem, wie etwa bei dem Missbrauch. Auch da, es gibt einen Missbrauchsbischof der Deutschen Bischofskonferenz. Selbst der hat es, obwohl das Problem ja allerorts erkannt ist, bislang nicht geschafft, dass alle Diözesen sich auf die gemeinsamen Beschlüsse überhaupt verpflichten und die umgesetzt werden. Und wie viel weniger, könnte man dann sagen oder vermuten, kann das ein Umweltbischof."
Er sagt: "Das ist selbst in Themen, die scheinbar oder auf den ersten Blick für die katholische Kirche weitaus neuralgischer sind, ein Problem, wie etwa bei dem Missbrauch. Auch da, es gibt einen Missbrauchsbischof der Deutschen Bischofskonferenz. Selbst der hat es, obwohl das Problem ja allerorts erkannt ist, bislang nicht geschafft, dass alle Diözesen sich auf die gemeinsamen Beschlüsse überhaupt verpflichten und die umgesetzt werden. Und wie viel weniger, könnte man dann sagen oder vermuten, kann das ein Umweltbischof."
Ein Bischof für "Gedöns"?
Frank ist skeptisch, glaubt nicht wirklich daran, dass das Thema innerhalb der Kirche Priorität hat:
"Also ich glaube, bei einigen Bischöfen, die immer von Glaubens- und Gotteskrise reden und sagen, das sei das eigentliche Problem der Kirche, wird das ein nachgeordnetes sein. Gerhard Schröder hat mal über Familienpolitik von 'Gedöns' geredet, das war, glaub ich, ein großer Fehler - und entsprechend wäre es ein großer Fehler, so ein Thema auch zum 'Gedöns' zu erklären. Aber ich könnte mir vorstellen, dass, so in der emotionalen Wahrnehmung des Themas, manche Bischöfe auch nicht sehr weit davon entfernt sind."
Aber: Wer sich umhört, wer mit Menschen in den einzelnen Gemeinden spricht, hört durchaus Positives über Umweltbischof Lohmann. Er brenne für das Thema, heißt es da. Und Lohmann weiß um seine Rolle:
"Da möchte ich wirklich, dass wir diese Gruppen mit absoluten Fachleuten besetzen, die in jeder Diözese auch ein starkes Sprachrohr sind. Also, das würde ich gerne weiter ausdehnen, dass das nicht alles abhängig ist von der Stimme eines Bischofs, sondern das möchte ich, dass wir uns da breiter aufstellen."