Weizen, Soja, Reis und Mais - dieses Ackerpflanzen-Quartett liefert heute zwei Drittel der Nahrungsenergie für die Menschheit. Doch die Erträge aller vier Feldfrüchte drohen einzubrechen, wenn der Klimawandel wie erwartet fortschreitet. Das ist das Ergebnis einer Studie von fast 30 Agrarexperten im Fachmagazin PNAS. Auch Jean-Louis Durand vom französischen Agrarforschungsinstitut INRA steuerte Daten bei.
"Mais reagiert am sensibelsten. Seine Erträge gehen weltweit um über sieben Prozent zurück pro Grad Celsius Temperaturzunahme. Bei Weizen sind es sechs Prozent. Reis und Sojabohnen sind nicht ganz so empfindlich. Aber auch bei ihnen sehen wir Ernteeinbußen. Sie betragen rund drei Prozent."
Über 70 Studien ausgewertet
Das Besondere an der neuen Arbeit: Es ist eine sogenannte Meta-Analyse. Die Autoren werteten über 70 Studien aus, die bereits zum Thema erschienen sind. Darunter nicht nur Computermodellierungen und Analysen bisheriger Ernte- und Temperaturtrends, sondern auch Freilandexperimente, bei denen die Agrarpflanzen künstlich stärkerer Hitze ausgesetzt wurden. Mit ganz wenigen Ausnahmen deuteten alle in die gleiche Richtung, so Durand. Wenn es wärmer wird, entwickeln sich Korn und Bohnen nicht mehr so gut.
"Der Hauptgrund ist, dass höhere Temperaturen die Entwicklung der Pflanzen beschleunigen. Wachstum, Blüte und Fruchtbildung laufen schneller ab. Es bleibt nicht mehr genügend Zeit für das Korn, um auszureifen. Auch zunehmender Stress durch Hitzewellen wirkt sich negativ aus. In einigen Regionen gehen die Erträge heute schon zurück. Oder sie stagnieren wie bei der Weizenernte in Europa."
Pflanzenzüchtung kommt nicht hinterher
Kann die Pflanzenzüchtung damit Schritt halten und rasch hitzetolerantere Sorten entwickeln? Das dürfte ziemlich schwierig werden, fürchtet Durand. Zumal die Ernteverluste bei Mais & Co sogar noch höher ausfallen könnten als nach den Ergebnissen der neuen Studie.
"Natürlich ist auch wichtig, wie sich der Niederschlag entwickelt. Aber das ist nicht so leicht vorherzusagen, und wir gehen in unserer Arbeit nicht darauf ein. Jedenfalls werden Regenmengen mancherorts zurückgehen und Trockenphasen länger andauern. Auch auf diese Weise kann der Klimawandel Ernteerträge schmälern."
"Natürlich ist auch wichtig, wie sich der Niederschlag entwickelt. Aber das ist nicht so leicht vorherzusagen, und wir gehen in unserer Arbeit nicht darauf ein. Jedenfalls werden Regenmengen mancherorts zurückgehen und Trockenphasen länger andauern. Auch auf diese Weise kann der Klimawandel Ernteerträge schmälern."
"Klimawandel hat in Indien fast 60.000 zusätzliche Selbstmorde ausgelöst"
Reis, Mais und Weizen - das sind auch die Haupt-Getreidesorten, die in Indien angebaut werden. Dort lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Für viele Kleinbauern haben steigende Temperaturen offenbar schon heute schreckliche Folgen. So steht es in einer weiteren PNAS-Studie der Agrarökonomin Tamma Carleton. Sie ist Doktorandin an der Universität von Kalifornien in Berkeley.
"In Indien hat sich die Zahl der Selbstmorde seit 1980 fast verdoppelt. Dahinter werden auch gestiegene Ertragsrisiken für Landwirte vermutet. In meiner Studie habe ich deshalb Selbstmord-, Klima- und Ernte-Statistik verglichen. Und es zeigt sich: Immer wenn die Temperaturen so hoch werden, dass sie Ernten mindern, steigt auch die Zahl der Selbsttötungen. Wenn man das hochrechnet, dann hat der Klimawandel in Indien fast 60.000 zusätzliche Selbstmorde ausgelöst."
Sicher spielten auch noch andere Faktoren eine Rolle, sagt die US-Forscherin. Doch ohne die hitzebedingten Ernteausfälle, so Tamma Carleton, wäre es nicht zu diesen Selbsttötungen gekommen. Ähnliche Zusammenhänge habe auch schon eine Studie in Australien gezeigt. Indiens Regierung reagiert jetzt: Sie hat ein milliardenschweres Programm angekündigt, damit sich Landwirte gegen Ernteausfälle durch den Klimawandel versichern können.