In der Wüste ist die Luft trocken, im Regenwald feucht. Im Wetterbericht werden Unterschiede in der Luftfeuchtigkeit in Prozenten angegeben. In ihren wissenschaftlichen Artikeln sprechen die Meteorologen aber lieber vom Sättigungsdefizit oder auch Dampfhunger. Diese Messgröße beschreibt, wie viel mehr Wasser die Luft theoretisch noch aufnehmen könnte, bis sie komplett mit gasförmigem Wasserdampf gesättigt ist und sich feine Nebeltropfen bilden. Trockene Luft hat also ein hohes Sättigungsdefizit. Ein internationales Forschungsteam wollte nun wissen, wie sich die Werte entwickeln, und wie sich das auf das Pflanzenwachstum auswirkt.
"In dieser Studie haben wir vier verschiedene Klimadatenbanken benutzt. Und in diesen Klimadaten hat sich heraus gestellt, dass auf rund 60 Prozent der Vegetationsfläche auf der Welt dieses Sättigungsdefizit zugenommen hat."
Höhere Temperaturen, trockenere Luft
Sebastian Lienert forscht in der Abteilung Klima- und Umweltphysik der Universität Bern. Der Anstieg des Sättigungsdefizits mache sich erst nach und nach bemerkbar, sagt er. Bis in die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts sei es mehr oder weniger stabil geblieben. Seitdem steige es deutlich an.
"Das Sättigungsdefizit ist direkt verknüpft mit der Temperatur und damit eine direkte Konsequenz des vom Menschen gefunden verursachten Temperaturanstieges."
Zusätzlich hat auch der Transport von Feuchtigkeit von den Ozeanen auf die Kontinente nachgelassen, was ebenfalls das Sättigungsdefizit über dem Land erhöht. Für Menschen ist trockene Luft in einer wärmeren Welt eigentlich gar nicht so schlecht. Trockene Wüstenhitze lässt sich besser aushalten als schwül-heiße Tropenluft, in der das Schwitzen den Körper kaum noch kühlen kann. Für Pflanzen sieht die Sache aber ganz anders aus: Ihnen schadet trockene Luft. Grund sind die Spaltöffnungen oder Stomata.
Spaltöffnungen bleiben geschlossen
"Stomata sind kleine Öffnungen in der Oberfläche von Blättern und regulieren den Wasserhaushalt der Pflanze. Nun, wenn die Bedingungen trocken sind, schließen sich diese Poren und gleichzeitig können die Pflanzen auch weniger CO2 aufnehmen."
Und wenn Pflanzen weniger CO2 aufnehmen, dann sind sie weniger produktiv -sie wachsen also langsamer und bilden weniger Biomasse. Das gilt auf einem Maisfeld genauso wie in einem Wald. Für Wiesen konnte eine Studie sogar zeigen, dass trockene Luft tatsächlich noch problematischer ist als fehlender Regen. Dass sich die Auswirkungen des steigenden Sättigungsdefizits auch auf globaler Ebene zeigen, hat das internationale Team mit Satellitendaten nachgewiesen. Ein Vergleich der Licht-Reflexionen im roten und infraroten Bereich liefert einen Vegetationsindex, der anzeigt, wie gesund die Pflanzen in einem bestimmten Gebiet sind. Dieser Vegetationsindex ist in der zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts zunächst angestiegen, den Pflanzen ging es also besser. Das liegt an den gestiegenen CO2-Werten, denn dieses Gas wirkt für Pflanzen wie ein Dünger. Doch dieser positive Trend hat sich inzwischen umgekehrt.
Erderwärmung dürfte den Effekt verstärken
"Man hat jetzt nun festgestellt, dass ab den 1990er Jahren diese Aufnahme von Kohlenstoff durch die Vegetation sich verlangsamt hat. Und man konnte jetzt in dieser Studie zeigen, dass das auch mit dem Sättigungsdefizit zusammenhängt."
Denn zeitlich und räumlich geht der Rückgang in der Vegetation einher mit dem Anstieg des Sättigungsdefizits. Mit der steigenden Erderwärmung wird sich dieser Effekt wohl noch verstärken.
"Wir befürchten auch, dass in der Zukunft, wenn das Sättigungsdefizit weiterhin zunimmt, die Produktivität der Wälder und auch deren Funktion als CO2-Speicher abnimmt und eben auch Trockenschäden häufiger werden können."
Trockene Luft hemmt die Produktivität der Bäume, sie macht sie anfälliger für andere Stressfaktoren, und nicht zuletzt steigert sie auch die Gefahr von Waldbränden.