2015 auf dem UN-Klimagipfel verpflichteten sich fast alle Staaten im sogenannten Pariser Abkommen, die Weltwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten. Die Länder setzten sich zudem das Ziel, die globale Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Mehr Klimaschutz wäre in vielen Bereich möglich. Welchen Beitrag könnte der Verkehrssektor noch leisten?
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Kein Wissensdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit
160 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verursacht der Verkehrssektor in Deutschland pro Jahr. Und das mehr oder weniger konstant seit 1990 – dem Referenzjahr für den Klimaschutz.
"Das heißt 30 Jahre null Emissionsminderung. Und jetzt in 25 Jahren - plus, minus - null Emissionen. Das sagt eigentlich alles über den Anspannungsgrad und die Herausforderung, die in den kommenden 25 Jahren vor uns liegen", fasst Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende, die Ausgangslage zusammen.
Die gute Nachricht ist: Die nötigen Konzepte und Technologien für mehr Klimaschutz liegen auf den Tisch. Es gibt also kein Wissensdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit, meint Hochfeld:
"Ein Verkehrssystem, das aufs Auto ausgerichtet ist, und eine Fehlinterpretation wie wir die Konzerne wettbewerbsfähig machen und langfristig auf eine nachhaltige Zukunft vorbereiten, hat dazu geführt, dass wir in der Vergangenheit einfach viel zu wenig für den Klimaschutz im Verkehr getan haben."
Politische Rahmenbedingungen fehlen
Fehlende oder überholte politische Rahmenbedingungen attestiert dem Verkehrssektor auch ein aktueller Bericht der Deutschen Energieagentur. Sie hat 84 Aufgaben definiert, die Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität erledigen muss. Im Verkehrssektor, so Geschäftsführer Andreas Kuhlmann im Deutschlandfunk, sei das etwa mehr Autonomie für die Kommunen:
"Viele Kommunen wollen etwas tun, aber die Bundesgesetze verhindern, dass die das tun können. Hier kann man schnell die Regelungen so treffen, dass wir neue Ideen in all den Städten bekommen."
Im Zentrum steht die Straßenverkehrsordnung: Sie verhindert etwa die flächendeckende Einführung von Tempo 30 und setzt bei den Parkgebühren und den Kosten fürs Anwohnerparken Grenzen.
Christian Hochfeld spricht in diesem Zusammenhang von Push und Pull: Einerseits brauche es dringend Investitionen in die Schiene sowohl im Personen- wie im Warenverkehr, um das Angebot attraktiver zu machen. Gleichzeitig müssten dem Auto aber auch seine wahren Kosten zugeschrieben werden:
"Jedes Auto auf der Straße hat eine dicke offene Rechnung mit der Gesellschaft. Durch Lärm, durch Abgase, durch Flächenverbrauch und so weiter. Das sind alles ungedeckte Rechnungen, die liegen da in dem Auto drin. Und wenn wir das nicht ändern, dann werden wir es nicht erreichen."
Klimaneutraler Verkehr 2050 nur gemeinsam möglich
Dass sich der gesamte Verkehr in seiner jetzigen Form auf erneuerbare Energieträger umstellen lässt, hält Hochfeld für eine Illusion, weil dafür die Energie vorerst nicht reiche. International betrachtet müsse es daher darum gehen, dass andere Länder erst gar nicht Verkehrssysteme wie unseres aufbauten, sondern direkt in klimafreundliche Alternativen investierten:
"Nicht autogerechte Städte bauen, nicht große Überlandverkehre auf der Straße organisieren, sondern auf der Schiene und nicht in Verbrennertechnologien nochmal investieren in diesen Ländern, sondern gleich auch in das Stromnetz, Ausbau der Erneuerbaren forcieren."
Deutschland sieht er in der Verantwortung, anderen Ländern dabei zu helfen. Zum Beispiel müssten bei Handelsabkommen die dadurch verursachten Warenströme mitgedacht und klimaneutral gestaltet werden.
"Nur, wenn wir gemeinsam mit anderen Industrieländern aber gerade eben auch anderen Schwellen- und Entwicklungsländern, gemeinsam daran arbeiten, dieses ambitionierte Ziel klimaneutraler Verkehr 2050 zu realisieren, nur dann wird es uns auch gelingen. Also entweder schaffen wir es gemeinsam oder wir scheitern allesamt alleine, jeder für sich."