Flüsse, die kein Wasser mehr führen und deren Betten nicht nur dann und wann mal austrocknen, sondern regelmäßig - so etwas kennt man eher aus den trockenen Klimazonen der Erde. Aber Bernhard Lehner, Professor für globale Hydrologie an der McGill University im kanadischen Montreal sagt, die gibt es eigentlich überall: "Auch in der Arktis, wo man vielleicht gar nicht damit rechnet: Die fallen vielleicht nicht trocken in dem Sinne, aber ökologisch ist es das Gleiche: Die gefrieren im Winter komplett durch und fließen damit nicht mehr."
Bewässerung durch Landwirtschaft
Lehner gehört zu den Autoren einer aktuellen "Nature"-Studie zum Thema. Das Ergebnis ist erstaunlich: Demnach fallen knapp 60 Prozent aller Flüsse und Bäche auf der Erde mindestens an einem Tag des Jahres trocken. Und rund die Hälfte sogar für einen Monat oder länger.
"Es gibt einige Flüsse, die jeder kennt: den Nil oder den Gelben Fluss in China, die eigentlich natürlich durchgehend fließen sollten. Durch Übernutzung allerdings, gerade beim Nil mit Bewässerung [durch die] Landwirtschaft, wird so viel Wasser entnommen, dass der Nil nicht mehr ganzjährig bis ins Meer durchfließt. In Nordamerika der Rio Grande oder der Colorado River erreichen auch ihre Deltas nicht mehr ganzjährig."
Über 60 Millionen Flusskilometer deckt die Studie ab, auf allen Erdteilen außer der Antarktis, so der Hydrologe. Diese Strecke ist mehr als 150-mal so lang wie die Entfernung zwischen Mond und Erde:
"Die Flusskarte erstmal herzustellen, das ging über mehr als ein Jahrzehnt. Der Trick dabei ist, dass wir inzwischen sehr gute Satellitendaten haben über die Höhe der Erde überall in sehr, sehr hoher Auflösung. Damit können wir dann für die ganze Erde mit Computerrechnungen die Flusstäler abbilden, und das geht auch für sehr kleine Flüsse."
Wenn es nicht gerade große Ströme sind, wird den versandenden Flüssen selten Beachtung geschenkt. Dauerhafte Wasserstandsmessungen, Regelungen für eine nachhaltige Nutzung oder ihren Schutz – all das fehle in den meisten Fällen, wird in der Studie kritisiert. Der Zustand temporär trockener Flüsse verschlechtere sich deshalb in einem alarmierenden Tempo.
Wenn es nicht gerade große Ströme sind, wird den versandenden Flüssen selten Beachtung geschenkt. Dauerhafte Wasserstandsmessungen, Regelungen für eine nachhaltige Nutzung oder ihren Schutz – all das fehle in den meisten Fällen, wird in der Studie kritisiert. Der Zustand temporär trockener Flüsse verschlechtere sich deshalb in einem alarmierenden Tempo.
Häufung der Fälle erwartet
Wasserwirtschaft und Wissenschaft müssten sich viel stärker um sie kümmern und Konzepte für ihr Management entwickeln, mahnt der Ökologe Thibault Datry vom nationalen französischen Agrar- und Umweltforschungsinstitut INRAE in Lyon:
"Wir müssen herausfinden, welchen Wert diese Flüsse für die Artenvielfalt haben. Systematisch ist das bisher nicht gemacht worden. Wir müssen untersuchen, wie viel Treibhausgase sie freisetzen, wenn das Wasser wieder fließt und das Material zersetzt wird, das sich vorher beim Trockenfallen im Flussbett abgelagert hat. In einer früheren Studie haben wir festgestellt, dass es bei der Wiedervernässung für einen Moment zu erhöhten Emissionen von CO2 kommt."
Bernhard Lehner rechnet damit, dass sich die Fälle häufen, in denen Fließgewässer kein Wasser mehr führen. Oder dass solche Episoden länger andauern – auch in gemäßigten und höheren Breiten: "Wir haben zwar in dieser Studie nicht explizit den Klimawandel untersucht. Aber wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass der Klimawandel, wenn sich längere Trockenzeiten ergeben, auch dazu führen wird, dass es mehr trockenfallende Flüsse gibt."
Deshalb müsse nun untersucht werden, wo und wie stark Dürreepisoden zunehmen und welche Flüsse und Bäche künftig noch häufiger trockenfallen, sagt Professor Klement Tockner, Gewässerökologe und Generalsekretär der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung: "Unsere Arbeit zeigt: Flüsse ohne Wasser sind die Regel, nicht die Ausnahme. Und gerade unsere Bäche und Flüsse sind durch den Klimawandel und die Übernutzung massiv gefährdet."