Jule Reimer: Kommende Woche treffen sie sich, die Mächtigen und die Reichen, beim Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos. Mit dabei Rachel Kyte, bis vor einem Jahr Vizepräsidentin der Weltbank. Jetzt reist sie als Sondergesandte des UN-Generalsekretärs durch die Welt und wirbt als Chefin der Initiative "Sustainable Energie for all” (SE4all) für erneuerbare Energien für alle.
Im Dezember 2015 forderte sie in einem Interview hier im Deutschlandfunk die Abschaffung einer Subvention auf Kohle, Öl und Gas und Ölpreise, die die Kosten des Klimawandels widerspiegeln. Ich fragte sie kurz vor dieser Sendung, wie optimistisch sie ist, dies mit einem zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump durchzusetzen.
Rachel Kyte: Nun, mehr als 190 Staaten sind Mitglied im UNO-System. Mehr als 175 haben das Pariser Abkommen unterzeichnet. Die Ratifizierungen treffen in rascher Folge ein. Das Pariser Abkommen ist im November 2016 in Kraft getreten. Insoweit ist alles gut. Wir beobachten überall auf der Welt, wie die Länder sich überlegen, wie sie Kohlenstoff wirkungsvoll mit einem Preis versehen und zugleich auch eine faire Ausgangslage schaffen, sodass ein Energiesystem entsteht, das ohne Kohlenstoff auskommt. Das alles ist Teil der Umsetzung des Pariser Abkommens, aber auch als Schritt zu sehen auf dem Pfad zur vereinbarten nachhaltigen Entwicklung.
Es gibt einige herausragende einzelne Punkte: China verfolgt weiterhin eine nationale Kohlenstoff-Politik, die einen Markt schaffen soll. Kanada hat rechtzeitig vor dem Pariser Abkommen ein Wahlversprechen eingeleitet, wonach ein nationaler Kohlenstoff-Preis festgesetzt werden soll. Kalifornien, Provinzen Kanadas und Mexiko ergreifen erste Ansätze zu einer Art nordamerikanischem Kohlenstoff-Markt, unabhängig von der jeweiligen Politik in Washington. Wir sehen also immer mehr staatliche Akteure, die Mechanismen zur Regelung eines Kohlenstoff-Preises einführen.
Eines der Probleme dabei ist, dass die meisten Mechanismen nicht effiziente Preise haben. Die Preise sind zu niedrig. Es gibt ein Überangebot. Diese Politik gilt es zu korrigieren mit mehr Ehrgeiz auf der Ebene jedes Landes. Letztlich geht es darum, eine faire Startbedingung für die erneuerbare Energie zu schaffen, damit sie im Wettbewerb mit den fossilen Energieträgern bestehen kann.
"Die Investitionen in erneuerbare Energien nehmen sehr zu"
Reimer: Wo stehen wir heute weltweit bei den erneuerbaren Energien mit ihrem Anteil an der Energieproduktion, an der Elektrizität weltweit?
Kyte: Die Internationale Energieagentur hat 2015 berichtet, dass weltweit 23 Prozent des Stromes mittlerweile aus erneuerbaren Energien stamme. Wir sehen auch, dass die Investitionen in erneuerbaren Energien sehr zunehmen. Im Jahre 2015 und 2016 haben die Gesamtinvestitionen in den Entwicklungsländern in den erneuerbaren Energien die Gesamtinvestitionen in den Industriestaaten übertroffen. Wir sehen also, es gibt einen echten Drang in den Entwicklungsländern, den Pfad zu erneuerbaren Energien zu gehen, um eine saubere Energieversorgung zu erreichen.
Gleichwohl beginnt sich die Zunahme der Investitionen in der erneuerbaren Energie allmählich zu verlangsamen. Das hat aber damit zu tun, dass es eine Art Bremsvorgang in China und Japan gegeben hat. Es hat aber auch mit stark fallendem Preis zu tun, was bedeutet, dass mit weniger Investitionen mehr Ergebnis erzielt werden kann, und es hat auch zu tun mit den fallenden Preisen gerade in der Solarenergie.
Was die installierte Leistung angeht, so können wir sagen, im Jahr 2016 wurden 70 Gigawatt an Leistung in neuer Solarenergie erzielt und 56,5 Gigawatt an neuen Kapazitäten in Windenergie. Wir sehen eine klare Zunahme der Kapazitäten und auch eine wachsende Investition, obwohl der Investitionszuwachs mittlerweile abzuflachen beginnt.
"Die Unternehmenswelt investiert überwiegend in eine reinere Zukunft"
Reimer: Vergangenen Juni erklärte der scheidende Chef des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, hier bei uns im Deutschlandfunk, allein nach seiner Kenntnis hätten Pensionskassen, Großinvestoren Investitionen in Höhe von bis zu einer Billion US-Dollar aus Kohle, Öl und Gas zurückgezogen. Können Sie, wenn auch vielleicht nicht genau, diese Zahl bestätigen, dass es eine klare Tendenz unter Großinvestoren gibt, sich aus Investitionen in fossile Energie zurückzuziehen?
Kyte: Achim Steiner hatte vollkommen recht. Ich kann jetzt die Zahlen auf den neuesten Stand bringen, denn die Zahlen haben sogar noch zugenommen, insbesondere weil religiöse Vereinigungen, kirchliche Pensionskassen, langfristig planende Investitionsfonds und institutionelle Anleger weltweit sich zu diesem Ziel bekannt haben. Im Dezember 2016 hat die Investitions-Umschichtungskampagne bekannt gegeben, dass bei diesem Bemühen, vornehmlich von Kohle- und Ölinvestitionen wegzukommen, mittlerweile 688 derartige institutionelle Anleger und mehr als 60.000 Privatpersonen aus 76 Ländern als Teil dieser Kampagne die Umschichtung ihrer Investitionen zugesagt haben.
Und am spannendsten dabei ist die Zahl: Mehr als fünf Billionen US-Dollar sind mittlerweile zugesagt worden für diese Umschichtung von Investitionen. Das ist eine sehr erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass innerhalb weniger Jahre ein Anfang von null auf nunmehr über fünf Billionen geschafft wurde. Das beweist, dass die Unternehmenswelt, dass die langfristig planenden Investitionsanleger, kirchliche Pensionskassen mehr und mehr von diesem kurzfristigen, überwiegend in fossilen Brennstoffen investiertem Vermögen wegkommen und hin zu einer reineren Zukunft investieren. Das ist der Weg, den alle zu befolgen versuchen.
"Man muss schädliche Subventionen abbauen"
Reimer: Nächste Woche trifft sich in Davos die Elite der Welt und Sie werden dabei sein. Die Vertreter des Weltwirtschaftsforums sind wie Sie fleißige Twitterer und es klingt dort so, als ob sie den Kampf gegen die Klimaerwärmung wirklich sehr ernst nehmen oder als Notwendigkeit betrachten. Wie stark wird der Klimawandel unter dieser Elite, die sich da trifft in Davos, diskutiert und auch die Notwendigkeit, etwas dagegen tun zu müssen?
Kyte: Jedes Jahr werden die Mitglieder dieser Unternehmenselite, die politische Führung befragt, was sie jeweils für das größte Risiko halten. Und der Klimawandel ist stets unter den drei größten Problemfeldern in den letzten Jahren genannt worden. In diesem Jahr zeigt sich, dass extreme Wetterereignisse als ein Hauptrisiko eingeschätzt werden. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass diese Unsicherheiten, die aus dem Klimawandel sich ergeben, erkannt werden. Ohne jeden Zweifel sind die Menschen, die am Davoser Gipfel teilnehmen, überzeugt, dass der Klimawandel eine echte Bedrohung und ein Risiko für das Gesamtsystem ist.
Das Problem ist aber: Wie schaffen wir es, eine Einigkeit herzustellen, die dann zu Taten führt, denn darüber zu reden, das zu erkennen und zu diskutieren, ist die eine Sache. Etwas ganz anderes ist es dann, die Entschlossenheit zu Handlungen herbeizuführen, damit diese Probleme gemildert oder vermieden werden können.
Ich selbst werde eine der wichtigen Diskussionen dort moderieren und unser Thema wird es sein, wie die Unternehmenswelt die Politik darin unterstützen und auch dazu drängen kann, die jetzt notwendigen entschlossenen Schritte zu tun und auch zu prüfen, wozu sich die private Wirtschaft verpflichtet, zeitnah und in den angemessenen Fristen etwas zu tun. Denn eines, was wir nicht haben, ist die Zeit, herumzusitzen, zu diskutieren und hin und her zu überlegen. Das ist eine Sache der letzten zehn Jahre gewesen. Jetzt gilt es, im Jahr 2017, Schritte zu ergreifen, wo wir alle erkannt haben, dass man dem Kohlenstoff ein Preisetikett anheften muss, dass man schädliche Subventionen abbauen muss und dass wir sauberere Energiesysteme brauchen. Dann ist doch die Frage: Was wollt ihr von diesem Davos-Treffen an tun bis zum nächsten Mal?
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.