Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört auf der anderen Leitung hat Hans-Peter Keitel, er ist Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Schönen guten Morgen!
Hans-Peter Keitel: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Keitel, vor der Bundestagswahl haben Sie in ganzseitigen Anzeigen für die Atomkraft getrommelt und jüngst noch gegen ein festes Ausstiegsdatum plädiert. Ein Ausstieg ohne die Möglichkeit nachzusteuern, das sei eine abenteuerliche Vorstellung für Deutschland. Jetzt haben wir dieses feste Ausstiegsdatum, nämlich 2022. Ist Ihr Einfluss bei Union und FDP also verschwunden?
Keitel: Herr Heckmann, ich glaube, wir sollten auseinanderhalten den Ausstieg aus der Atomenergie, der ist offensichtlich gesellschaftlicher Konsens, das unterstützen wir damit und damit ist die Diskussion um die Frage des Risikos und die Frage der Kernkraft eigentlich beendet, denn mehr als einen so früh wie möglichen Ausstieg kann man nicht beschließen. Auf der anderen Seite – und darum geht es jetzt – den Einstieg in eine neue Energiesituation, den müssen wir vernünftig gestalten und hier haben wir gesagt, der Prozess darf nicht atemberaubend sein, so wie Sie es anfangs in Ihrer Anmoderation gesagt haben, sondern er muss gesteuert sein, er muss den technischen und wirtschaftlichen Risiken, die in diesem Prozess stecken, auch wirklich entsprechen.
Heckmann: Derzeit ist die Stimmung ja so, Herr Keitel, dass kaum jemand mehr offen für Atomkraft eintritt in Deutschland. Aber besteht darin nicht auch eine Gefahr, dass der Industriestandort Deutschland Schaden nimmt, weil niemand mehr warnen kann vor einem zu schnellen Aus- oder Umstieg?
Keitel: Es geht darum, dass wir den Umstieg jetzt so gestalten, dass in der Tat unser Wohlstand nicht gefährdet wird. Zwei Drittel des Wachstums in Deutschland kommen aus der Industrie, die Industrie ist der größte Stromverbraucher und wir haben die Verantwortung für unsere Unternehmen und die Arbeitsplätze. Wir dürfen nicht vergessen, was die Quelle unseres Wohlstands in Deutschland ist, und deshalb plädieren wir dafür, diesen Umstieg mit der Planungssicherheit zu gestalten, die vorhin gerade Herr Özdemir ja auch gefordert hat. Planungssicherheit heißt aber nicht, heute schon politisch zu entscheiden, welches Ausstiegsdatum wann, in wenigen Jahren, in vielen Jahren dann sein kann. Wir sehen alle heute nicht ab, was in fünf, in sieben Jahren wirklich genau ist. Deshalb brauchen wir einen Monitoring-Prozess, einen Steuerungsprozess, bei dem ganz offen darüber diskutiert wird, was haben wir erreicht und was haben wir noch nicht erreicht, wo müssen wir gegebenenfalls nachjustieren.
Heckmann: ... , der dann auch die Möglichkeit offenhält, quasi den Endausstieg, das Datum noch einmal nach hinten zu verschieben?
Keitel: Nein, darum kann es nicht gehen. Wir haben den gesellschaftlichen Konsens, so schnell wie möglich auszusteigen, aber auf dem Weg dahin gibt es viele Möglichkeiten, denn wir müssen unsere Energieversorgung auch in Zukunft sicher haben, sauber haben und bezahlbar muss der Strom sein, das ist alles nicht trivial. Deshalb müssen wir diesen Weg wirklich so gestalten, dass wir auch nachjustieren können beispielsweise in der Art der Energie, die wir einsetzen, um die Atomkraft zu ersetzen.
Heckmann: Auch das Thema Klimaschutz spielt da ja mit hinein in das Thema. Die Bundesregierung, die hat sich ja verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Jetzt wird es wohl absehbar mehr Kohle- beziehungsweise Gaskraftwerke geben. Sind Sie vor diesem Hintergrund dafür, die Zusagen beim Klimaschutz zu überdenken?
Keitel: Es geht darum, dass wir die Klimaziele an das anpassen, was wirklich auch erreichbar ist. Wir wollen uns weiterhin ambitionierte Ziele setzen, das hat die Industrie seit Jahren selbst gefordert. Wir sind international in diesen Technologien führend und deshalb sind wir dafür, jawohl, ambitionierte Klimaziele. Aber natürlich müssen wir auch an diesem Punkt nachjustieren und dieses gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, denn wir dürfen nie vergessen, dass Deutschland hier in Europa ja nicht isoliert entscheiden kann und soll.
Heckmann: Nachjustieren heißt im Notfall auch herabsetzen die Klimaschutzziele?
Keitel: Wir müssen sie möglicherweise zeitlich ein kleines bisschen strecken, denn wir werden die Grundlast nicht in den nächsten drei, vier Jahren aus Wind und Sonne produzieren können, sondern werden in der Tat stärker Kohle und Gas einsetzen, das heißt auch mehr CO2 produzieren. Dann müssen wir diesen Kompromiss auch entsprechend begleiten durch entsprechende Klimaziele, aber dann langfristig trotzdem bei dem bleiben, was wir uns vorgenommen haben.
Heckmann: Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Keitel, danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich genommen haben.
Keitel: Gerne, Herr Heckmann. Auf Wiederhören.
Hans-Peter Keitel: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Keitel, vor der Bundestagswahl haben Sie in ganzseitigen Anzeigen für die Atomkraft getrommelt und jüngst noch gegen ein festes Ausstiegsdatum plädiert. Ein Ausstieg ohne die Möglichkeit nachzusteuern, das sei eine abenteuerliche Vorstellung für Deutschland. Jetzt haben wir dieses feste Ausstiegsdatum, nämlich 2022. Ist Ihr Einfluss bei Union und FDP also verschwunden?
Keitel: Herr Heckmann, ich glaube, wir sollten auseinanderhalten den Ausstieg aus der Atomenergie, der ist offensichtlich gesellschaftlicher Konsens, das unterstützen wir damit und damit ist die Diskussion um die Frage des Risikos und die Frage der Kernkraft eigentlich beendet, denn mehr als einen so früh wie möglichen Ausstieg kann man nicht beschließen. Auf der anderen Seite – und darum geht es jetzt – den Einstieg in eine neue Energiesituation, den müssen wir vernünftig gestalten und hier haben wir gesagt, der Prozess darf nicht atemberaubend sein, so wie Sie es anfangs in Ihrer Anmoderation gesagt haben, sondern er muss gesteuert sein, er muss den technischen und wirtschaftlichen Risiken, die in diesem Prozess stecken, auch wirklich entsprechen.
Heckmann: Derzeit ist die Stimmung ja so, Herr Keitel, dass kaum jemand mehr offen für Atomkraft eintritt in Deutschland. Aber besteht darin nicht auch eine Gefahr, dass der Industriestandort Deutschland Schaden nimmt, weil niemand mehr warnen kann vor einem zu schnellen Aus- oder Umstieg?
Keitel: Es geht darum, dass wir den Umstieg jetzt so gestalten, dass in der Tat unser Wohlstand nicht gefährdet wird. Zwei Drittel des Wachstums in Deutschland kommen aus der Industrie, die Industrie ist der größte Stromverbraucher und wir haben die Verantwortung für unsere Unternehmen und die Arbeitsplätze. Wir dürfen nicht vergessen, was die Quelle unseres Wohlstands in Deutschland ist, und deshalb plädieren wir dafür, diesen Umstieg mit der Planungssicherheit zu gestalten, die vorhin gerade Herr Özdemir ja auch gefordert hat. Planungssicherheit heißt aber nicht, heute schon politisch zu entscheiden, welches Ausstiegsdatum wann, in wenigen Jahren, in vielen Jahren dann sein kann. Wir sehen alle heute nicht ab, was in fünf, in sieben Jahren wirklich genau ist. Deshalb brauchen wir einen Monitoring-Prozess, einen Steuerungsprozess, bei dem ganz offen darüber diskutiert wird, was haben wir erreicht und was haben wir noch nicht erreicht, wo müssen wir gegebenenfalls nachjustieren.
Heckmann: ... , der dann auch die Möglichkeit offenhält, quasi den Endausstieg, das Datum noch einmal nach hinten zu verschieben?
Keitel: Nein, darum kann es nicht gehen. Wir haben den gesellschaftlichen Konsens, so schnell wie möglich auszusteigen, aber auf dem Weg dahin gibt es viele Möglichkeiten, denn wir müssen unsere Energieversorgung auch in Zukunft sicher haben, sauber haben und bezahlbar muss der Strom sein, das ist alles nicht trivial. Deshalb müssen wir diesen Weg wirklich so gestalten, dass wir auch nachjustieren können beispielsweise in der Art der Energie, die wir einsetzen, um die Atomkraft zu ersetzen.
Heckmann: Auch das Thema Klimaschutz spielt da ja mit hinein in das Thema. Die Bundesregierung, die hat sich ja verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Jetzt wird es wohl absehbar mehr Kohle- beziehungsweise Gaskraftwerke geben. Sind Sie vor diesem Hintergrund dafür, die Zusagen beim Klimaschutz zu überdenken?
Keitel: Es geht darum, dass wir die Klimaziele an das anpassen, was wirklich auch erreichbar ist. Wir wollen uns weiterhin ambitionierte Ziele setzen, das hat die Industrie seit Jahren selbst gefordert. Wir sind international in diesen Technologien führend und deshalb sind wir dafür, jawohl, ambitionierte Klimaziele. Aber natürlich müssen wir auch an diesem Punkt nachjustieren und dieses gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, denn wir dürfen nie vergessen, dass Deutschland hier in Europa ja nicht isoliert entscheiden kann und soll.
Heckmann: Nachjustieren heißt im Notfall auch herabsetzen die Klimaschutzziele?
Keitel: Wir müssen sie möglicherweise zeitlich ein kleines bisschen strecken, denn wir werden die Grundlast nicht in den nächsten drei, vier Jahren aus Wind und Sonne produzieren können, sondern werden in der Tat stärker Kohle und Gas einsetzen, das heißt auch mehr CO2 produzieren. Dann müssen wir diesen Kompromiss auch entsprechend begleiten durch entsprechende Klimaziele, aber dann langfristig trotzdem bei dem bleiben, was wir uns vorgenommen haben.
Heckmann: Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Keitel, danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich genommen haben.
Keitel: Gerne, Herr Heckmann. Auf Wiederhören.