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Klimaziele
Habeck: Fossile Energie muss einen Preis bekommen

Grünen-Co-Vorsitzender Robert Habeck hält eine Steuer auf CO2 für den richtigen Weg, um weniger fossile Energien zu verbauchen. Um die Kosten für diese Energiewende gerechter zu verteilen, schlägt er ein "Energiegeld" vor. Dieses solle pro Kopf ausgezahlt werden, sagte er im Dlf.

Robert Habeck im Gespräch mit Philipp May |
    Robert Habeck, Bundesvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen, beantwortet auf dem Podium der Bundespressekonferenz Fragen zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Bayern.
    Die Energiewende wird teuer - doch Grünen-Vorsitzende Robert Habeck will das in Kauf nehmen (dpa / pa / Jens Büttner)
    Philipp May: Am Telefon ist jetzt Robert Habeck, Co-Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Herr Habeck, schönen guten Morgen.
    Robert Habeck: Guten Morgen.
    May: Gestatten Sie mir zunächst eine Frage zu den Ereignissen gestern. Was ist Ihnen in den Sinn gekommen, als Sie die ersten Meldungen aus Straßburg gehört haben?
    Habeck: Mir ist es wahrscheinlich so gegangen wie allen, wie den Kollegen, die Sie gerade zitiert haben, aber auch allen Leuten, die das gehört haben. Ich habe gedacht: Oh je, nicht schon wieder. Und dann habe ich darauf gehofft, dass der Täter schnell gefasst wird, damit keine großen Spekulationen entstehen. Aber tatsächlich muss erst einmal der erste Gedanke an die Angehörigen gehen und an die Gefährdetheit unserer Gesellschaft.
    "Täter und Gefährder hart unter Kontrolle nehmen"
    May: Wie sollten denn westliche Gesellschaften Ihrer Meinung nach mit diesen Ereignissen umgehen?
    Habeck: Wir haben das ja schon leider, muss man sagen, oder schrecklicherweise so häufig durchgespielt, und alle sind sich, denke ich, einig darin, dass wir nicht aus Angst vor dem Terror eine Gesellschaft der Angst errichten dürfen, weil dann die Täter ja ihr Ziel erreicht haben. Also festhalten an den freiheitlichen Werten und an Toleranz und auch an allen rechtsstaatlichen Verfahren und Selbstverständnis.
    Gleichwohl muss man natürlich sagen, dass Täter, Gefährder hart unter Kontrolle genommen werden müssen. Der Täter sollte verhaftet werden. Polizeiliche bessere Ausstattung, die bessere Verzahnung zwischen deutschen und französischen, europäischen Einheiten insgesamt, ist sicherlich immer möglich.
    May: Nun waren wir ja zu einem anderen Thema verabredet, das aber immerhin auch mit Frankreich zu tun hat: die Gelbwesten und die Lehren daraus, die wir in Deutschland ziehen können. Es fing ja an mit Protesten gegen Macrons Erhöhung der Benzinsteuer im Sinne einer Verkehrswende. Sie wollen auch eine CO2-Steuer fürs Klima. Das heißt, Sie bleiben dabei: Spritpreise rauf?
    Habeck: Es ist, glaube ich, nicht ganz richtig, dass es damit anfing, sondern das war dann der Auslöser für die Proteste. Aber die Proteste greifen ja tiefer ein in eine soziale Unwucht in Frankreich, die sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, die wir ehrlicherweise auch in Tendenzen in Deutschland feststellen können und müssen: ein Prekariat, dass sich im Dienstleistungsbereich bildet, das seit 15 Jahren im Grunde keine Kaufkrafterhöhung mehr hat, Lohnerhöhungen wohl ja, aber nicht angekommen gegen die anderen steigenden Preise.
    Das hat sich dann tatsächlich entzündet an der Benzinpreis-Erhöhung, die dann eine Reihe von anderen Steuersenkungen kompensieren sollte in Frankreich. Das hat die Politik ausgelöst, die Unwucht zwischen Senkungen von Steuern für die Reichen, und das Letzte, was den Menschen geblieben ist, Steuern auf Mobilität, auch noch die Mobilität teurer machen.
    Aber ja, wir können den Klimawandel ja nicht laufen lassen. Wir müssen also sehen, dass wir von den fossilen Energien runterkrommen, und eine Steuer auf CO2 ist eine richtige Möglichkeit. Wir schlagen vor, dass wir das Geld einsammeln und dann vorweg den Menschen zurückgeben, als Energiegeld, ausgezahlt pro Kopf, um damit die soziale Unwucht abzufedern, oder möglicherweise auch auszugleichen.
    Die sogenannten Gelbwesten protestieren in Frankreich
    Die sogenannten Gelbwesten protestieren in Frankreich (imago / Omer Messinger)
    "Im Verbrauch selbst sind die einkommensstärkeren Haushalte höher"
    May: Spritpreise auch rauf, sagen die Grünen weiterhin ganz klar?
    Habeck: Die Spritpreise setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Aber in der Tat müsste die fossile Energie einen Preis bekommen, und das würde möglicherweise auch zu einer Spritpreis-Erhöhung führen. Darüber kann man gar nicht hinwegsehen. Sie muss nicht so drastisch ausfallen wie in Frankreich. Da ist er ja ein Viertel teurer geworden. Aber sie wird natürlich Menschen betreffen, und in der Tat ist es so, dass alle Verbrauchssteuern, Mehrwertsteuern auch, immer einkommensschwächere Haushalte stärker belasten als einkommensstärkere, einfach prozentual.
    Wenn man darauf angewiesen ist, das Geld komplett auszugeben, und das Geld wird weniger, weil die Preise höher werden, dann ist es logisch, dass das die unteren Einkommenssegmente stärker trifft. Um das zu kompensieren, schlagen wir vor: Wir sammeln das ganze Geld ein und zahlen es als Pro-Kopf-Geld wieder aus. Am Anfang des Jahres kriegt man einen Scheck, da sind dann 300 Euro, 500 Euro pro Person drauf. Wenn man sich dann noch ökologisch klug verhält, dann hat man sogar noch einen Gewinn gemacht. So dreht sich dann die Systematik, dass die unteren Einkommenssegmente stärker betroffen sind, um, denn im Verbrauch selbst sind die einkommensstärkeren Haushalte höher, so dass dann tatsächlich der SUV-Fahrer den Polofahrer subventioniert.
    May: Dennoch, Sie haben es gesagt: Auch in Deutschland gibt es enorme Unterschiede zwischen Arm und Reich, möglicherweise nicht so wie in Frankreich, aber es gibt sie. Und - wissen wir auch, nicht erst seit der Weltklimakonferenz: Wir hängen massiv zurück mit unseren CO2-Einsparversprechen. Das heißt, wenn wir da noch Wort halten wollen, dann werden wir doch auch zu radikalen Maßnahmen greifen müssen, sowohl bei der Kohle als auch beim Verkehr. Kann das überhaupt ohne massive gesellschaftliche Verwerfungen funktionieren?
    Habeck: Es ist schon ein bisschen die Quadratur des Kreises, nicht nur was CO2 und Benzin angeht, sondern wenn Sie an die Braunkohlereviere denken, wo aus ökologischen Gründen es eigentlich unabweislich ist, wir sind schon viel zu spät, dass wir aus der Braunkohle schneller raus müssen. Die 20 dreckigsten Meiler müssten eigentlich sofort abgeschaltet werden und sie könnten auch abgeschaltet werden. Aber das hat gerade in Regionen, die ja auch nicht mehr viel haben, natürlich immense strukturelle Konsequenzen. Das darf man nicht übersehen.
    Und viele Menschen haben Angst davor, dass dann auch noch die Wirtschaftskraft völlig untergeht. Also muss man dann sozialpolitisch gegenhalten und infrastrukturell gegenhalten. Das ist allerdings kein Voodoo. Wir haben solche Prozesse oft durchlaufen. Ich selbst komme aus Flensburg. Da steht das Kraftfahrzeugbundesamt, wo die ganzen Punkte von uns gesammelt werden. Das steht ja nicht in Flensburg, weil Flensburg so eine schöne Stadt ist, sondern weil man gesagt hat in den 60er-Jahren, da ist in der Grenzregion eine Infrastrukturschwäche und da müssen wir was bauen und da müssen wir Arbeitsplätze schaffen. Jetzt arbeiten da 3000-4000 Menschen und das hat der Stadt enorm geholfen.
    Wir wissen ja eigentlich, wie es geht. Deswegen geht es immer nach vorne. Wir können politisch klug agieren. Wir müssen uns nicht vor lauter Angst, Fehler zu machen, in die Hose machen.
    "Wir verteuern erneuerbaren Strom und machen fossile Energien immer günstiger"
    May: Das heißt, alle Behörden ab in die Lausitz?
    Habeck: Nein, nicht alle Behörden, aber wir hängen in der Digitalisierung dramatisch zurück. Überall wird über Forschungskapazitäten neu nachgedacht. Wir überlegen, wie wir Forschungseinrichtungen und Batteriesysteme aufbauen. Wenn die Bundesregierung Gelder ausschüttet, dann kann sie das auch an den Faktor Infrastruktur binden. Darüber wird ja gerade in der Kommission geredet, mir allerdings schon etwas zu lange.
    Ich denke, dass das keine Zauberei ist, sondern dass man einfach sich entscheiden muss und sagen muss, die nächste Möglichkeit geht dann in diese Region, Investitionsförderung plus natürlich Breitbandausbau, gute Anbindung an die Mobilität, so dass diese Regionen attraktiver werden, und wir zögern nicht beim Klimaschutz, denn der nimmt dann auch keine Rücksicht mehr auf Gelbwesten. Wir haben den Hitzesommer noch vor uns. Wenn die Gesundheitskosten explodieren, wenn die Städte umgebaut werden müssen, wenn wir Klimaflüchtlinge bekommen, dann trifft es sowieso alle.
    Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, spricht auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Leipzig.
    Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck (picture alliance / dpa-Zentralbild / Hendrik Schmidt )
    May: Klar ist dennoch, es wird Gewinner und es wird Verlierer geben, auch wenn Sie die Benzinkosten mit Ihrer Pauschale den Bürgern zurückgeben. Wir sehen es gerade in Frankreich: Da sitzen die Verlierer auf dem Land. Das wird in Deutschland ja ähnlich sein. Da wo die Braunkohlereviere sind, da sind die Menschen auf ihr Auto angewiesen und müssen zum Beispiel viel mehr fahren als in der Stadt. Wird man das mit ein paar Batteriezellfabriken und so einer Pauschale auffangen können?
    Habeck: Das war jetzt eben ja eine Antwort auf die Braunkohlereviere, die ja punktuell, das ist ja ein großer Punkt zugegebenermaßen, aber regionale Herausforderungen haben, dass man dort mit der Investitionskraft der öffentlichen Hand gegenhält. Was die Pendlerverkehre insgesamt angeht, so haben Sie recht. Sehr viel fährt und wer im ländlichen Raum auf das Auto angewiesen ist, der wird durch Benzinpreiserhöhungen getroffen, und zwar dramatisch härter getroffen als Menschen, die in Innenstädten sagen können, wir nehmen Busse, wir nehmen Bahnen.
    Aber wie gesagt, darauf gibt es ja Möglichkeiten, ich habe es eben angedeutet, zu antworten. Eine weitere Möglichkeit wäre – und auch das ist überhaupt nicht richtig auf dem politischen Programm -, warum wir die Zukunft so teuer machen. Die Strompreise werden immer teurer, der Anteil der erneuerbaren Energien im Strombereich wird auch immer mehr. Wir verteuern quasi erneuerbaren Strom und wir machen die fossilen Energien immer günstiger.
    Das könnten wir auch umdrehen, als Tauschgeschäft sozusagen, wenn man nicht in diese Energiegeld-Welt wechseln will, dass man die erneuerbaren Strompreise senkt, finanziert durch einen CO2-Preis, so dass man vielleicht nicht für jeden einzelnen - das, glaube ich kann man wirklich nicht versprechen - eine Nullsumme anbietet, aber man kann die sozialen Konsequenzen von ökologischen Veränderungen immer mitdenken und auch sehr gering halten, vielleicht sogar aufheben.
    "Ein sanierter Haushalt ist dumme Politik. Die bringt uns nicht weiter"
    May: Jetzt hat ja Macron, um noch mal den Bogen zu Frankreich zu schlagen, Ähnliches gemacht. Er hat den Menschen viel Geld versprochen. Sie versprechen auch viele Investitionen. Das klingt alles nicht nach schwarzer Null.
    Habeck: Die schwarze Null ist eine Richtlinie, damit der Haushalt nicht überschuldet ist. Ich komme ja noch aus einer Zeit, da war ich selber schon in politischer Verantwortung, wo man sich politisch gar nicht bewegen konnte, weil die Zinslast alles aufgefressen hat. Nun haben wir sehr gute konjunkturelle Einnahmen. Die Frage ist, wie wir die ganzen Gelder ausgeben. Aber ja, ich würde auch sagen: Die schwarze Null ist kein Selbstzweck, sondern ein gescheitertes Europa, ein zerstörter sozialer Zusammenhalt in Deutschland, ein Verhindern der Energiewende. Aber ein sanierter Haushalt ist dumme Politik. Die bringt uns nicht weiter.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Wir können sicherlich viel im Haushalt umschichten. Wir können Steuern auf der einen Seite einnehmen und Entlastung auf der anderen Seite geben. Das sind ja erst mal nur Tauschgeschäfte, das Geld an die Menschen wieder ausgeben. Aber selbst bei einer schwächeren Konjunktur darf der soziale Zusammenhalt nicht unter der schwarzen Null gefährdet werden oder wegen der schwarzen Null gefährdet sein.
    May: Wo schichten Sie um?
    Habeck: Eben war es ja der Vorschlag, die CO2-Steuer als eine neue Steuer zu erhöhen, aber nicht, um sie im Staatshaushalt irgendwo unterzubringen, sondern an die Menschen direkt wieder zurückzugeben, dieses Energiegeld.
    May: Aber wie bezahlen Sie die Infrastrukturprojekte? Das ist dann ja die zweite Frage.
    Habeck: Die Infrastrukturprojekte sind ja Investitionen in die Zukunft. Die amortisieren sich ja volkswirtschaftlich sowieso selbst. Wenn wir jetzt Gelder ausgeben sowohl in die Infrastruktur, die da ist, Busse, Bahnen, Schulen, Bibliotheken, das würde erst einmal ja Arbeitsplätze schaffen, die Nachfrage hoch machen, die staatliche Nachfrage generieren. Und wenn es dann noch Investitionen in kommende Arbeitsplätze sind, Batteriesysteme, Digitalisierungsprojekte, dann wird das ja erst recht Wertschöpfung generieren. Da darf man nicht jahresaktuell denken, sondern die kluge Volkswirtschaft investiert immer 15 Jahre voraus.
    May: Wie erreichen wir unsere Klimaziele, ohne dass die Menschen auf die Straße gehen, so wie die Gelbwesten in Frankreich? Dazu bei uns im Deutschlandfunk Robert Habeck, Co-Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Herr Habeck, vielen Dank für dieses Gespräch.
    Habeck: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.