Klimazoll CBAM
So will die EU ihre Industrie vor Umweltdumping schützen

Wer Stahl oder andere sehr energieintensive Waren nach Europa importiert, muss bald einen Klimazoll zahlen. Das soll Wettbewerbsnachteile für EU-Unternehmen mit höheren Klimastandards verhindern. Industrie-Vertreter sind jedoch nicht nur begeistert.

    Ein Mitarbeiter reinigt im Stahlwerk der Salzgitter AG eine Roheisenpfanne. Funken sprühen.
    Stahl aus der EU soll durch CBAM trotz Klimaschutzmaßnahmen wettbewerbsfähig bleiben (picture alliance / dpa / Christophe Gateau)
    Unternehmen in der EU müssen zahlen, wenn bei der Produktion von Gütern CO2 entsteht. Das trifft insbesondere energieintensive Unternehmen, die dadurch Nachteile im Vergleich zu Firmen aus Ländern mit niedrigeren Klimastandards kritisieren. Hier will die EU gegensteuern: Seit dem 1. Oktober 2023 läuft die Übergangsphase für das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM), das auch Klimazoll genannt wird.
    Seit dem 1. Oktober 2023 läuft die Übergangsphase für das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM), das auch Klimazoll genannt wird. Wer besonders energieintensive Waren in die EU importiert, muss die bei der Herstellung angefallenen Treibhausgasemissionen zunächst allerdings nur erfassen und melden. Zollzahlungen sind ab 2026 geplant.

    Überblick

    Warum führt die EU einen Klimazoll ein?

    Der Klimazoll soll Unternehmen, die in der EU produzieren, vor unfairem Wettbewerb aus Nicht-EU-Ländern schützen. Denn innerhalb der EU zahlen energieintensive Unternehmen bereits seit 2005 für ihren CO2-Ausstoß. Sie müssen CO2-Verschmutzungsrechte, die sogenannten Emissionszertifikate, besitzen oder auf dem freien Markt zukaufen. Viele Jahre dümpelte der Preis pro Tonne CO2 unter der 20-Euro-Marke herum. Doch seit 2020 steigt er rasant. Laut dem Thinktank Ember lag er im Oktober 2023 bei rund 80 Euro pro Tonne.
    Während der Preis für ein CO2-Zertifikat im EU Emissions Trading System (EU-ETS) lange bei wenigen Euro lag, stieg er bis 2022 auf durchschnittlich ca. 81 Euro an.
    Der Preis für CO2-Zertifikate ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen (Statista/EEA/Ember)
    „Jetzt ist die Sorge, dass Unternehmen, die im Ausland sind, die das nicht zahlen müssen, billiger sind als die europäischen Unternehmen“, erklärt Achim Wambach, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Europäische Unternehmen würden sich dann aus Kostengründen eher beliefern lassen statt selbst zu produzieren, oder sie könnten ihre Produktion ins Ausland verlagern, um den CO2-Preis zu umgehen.
    Das wäre dann schädlich für die europäische Wirtschaft – und auch für das Klima. Denn für die Produktion im Ausland würde womöglich kein CO2-Preis anfallen, ein wichtiger Anreiz zur Reduktion der Emissionen würde damit entfallen. Mit dem Klimazoll möchte die EU die Anreize aus dem europäischen CO2-Zertifikatehandel auch auf Länder außerhalb der Union ausweiten.

    Wie soll der Zoll erhoben werden?

    Die EU befindet sich in einem Prozess mit verschiedenen Stufen. Bisher schützt sie ihre Industrie gegen die Konkurrenz aus dem Ausland durch die Zuteilung von kostenlosen Zertifikaten. Die Staaten fangen so einen großen Teil der Umweltauflagen finanziell auf.
    Um ihren CO2 Ausstoß zu reduzieren, will die EU die Zuteilung kostenloser Zertifikate durch die Staaten deutlich reduzieren und sue erhöht den Preis für solche Zertifikate. Und hier kommt dann CBAM ins Spiel, der Carbon Border Adjustment Mechanism, der Grenzausgleichsmechanismus für CO2 oder: Klimazoll. Seit Oktober ist die entsprechende EU-Richtlinie in Kraft, die Umsetzung läuft gerade. Wer zum Beispiel Stahl in die EU einführt, muss an der Grenze für das bei der Produktion ausgestoßene CO2 zahlen, am Ende genauso viel wie ein Unternehmen, das in der EU produziert.
    Importeure müssen zunächst nicht alle Waren in den Blick nehmen. Der Zoll soll erstmal nur für Zement, Eisen, Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff gelten. Erstmal müssen EU-Importeure deren CO2-Bilanz zudem lediglich erfassen und melden, Abgaben werden ab 2026 fällig.
    Ab dann zahlen Importeure als Aufschlag zunächst zehn Prozent des CO2-Tonnenpreises, der gerade in der EU gilt. Jedes Jahr kommen weitere zehn Prozentpunkte hinzu, sodass ab 2036 ausländische Hersteller pro Tonne CO2-Ausstoß genauso wie die europäische Konkurrenz belastet wären. Im gleichen Ausmaß, in dem die CBAM-Abgabe steigt, will die Kommission parallel die kostenlose Zuteilung der Emissionszertifikate reduzieren.

    Wie reagiert die europäische Industrie auf den Plan?

    Die Unternehmen sind bei dem Thema gespalten. Auf der einen Seite: die energieintensive Industrie, die in Europa produziert. Sie begrüßt die Maßnahme größtenteils, denn sie gleicht Wettbewerbsnachteile aus, die durch Klimaschutzauflagen entstehen. Auf der anderen Seite: Unternehmen, die viel importieren. Sie müssen Bürokratie und Einfuhrgebühren organisieren und finanzieren.
    Denn der Klimazoll bedeutet für die Unternehmen ziemlich viel Arbeit. Sie müssen bei jeder Schraube, die sie importieren, nachweisen, wie viel CO2 dafür freigesetzt wurde. Ökonom Wambach fürchtet, dass das nur große Unternehmen gut stemmen können. Es brauche gegebenenfalls noch Ausnahmeregelungen für kleine und mittlere Unternehmen. Der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, schreibt beim Netzwerk LinkedIn von "bürokratischem Wahnsinn".
    Der europäische Stahlindustrieverband Eurofer hat sich hingegen für den Klimazoll stark gemacht. Die europäische Stahlindustrie schultere seit Jahren einen CO2-Preis, Stahlimporte aus Drittländern, die im Durchschnitt einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck hätten, hätten keine vergleichbaren finanziellen Belastungen.

    CBAM hilft exportierenden Unternehmen im Welthandel nicht weiter

    Bei einem Problem wird die EU allerdings noch nachsteuern müssen. Der Zoll könnte zwar die europäische Industrie vor Billig-Importen aus dem Nicht-EU-Ausland schützen, doch EU-Unternehmen, die ins Nicht-EU-Ausland exportieren, werden damit nicht entlastet. Sie müssen für ihre CO2-Emissionen Zertifikate kaufen, und bekommen diese auch dann nicht zurückerstattet, wenn ihre Güter die EU verlassen. Waren aus der EU werden so auf dem internationalen Markt teurer.

    Wie ist die Reaktion in Nicht-EU-Ländern?

    Der geplante Zoll sorgt bei Handelspartnern seit Jahren für Unruhe. Noch auf einem Forum im September 2023 Monat forderte Chinas oberster Klimabeauftragter Xie Zhenhua die Länder auf, nicht auf einseitige Maßnahmen wie die EU-Abgabe zurückzugreifen. Auch von anderen wichtigen europäischen Handelspartnern wie Brasilien, Indien oder China gab es an dem Vorhaben Kritik.
    Zum Beginn der Testphase, die seit dem 1. Oktober 2023 läuft, betonten EU-Vertreter erneut, dass es nicht um Handelshemmnisse, sondern um Klimaschutz gehe. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni: „Auch wenn das CBAM absolut mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar ist, geht es hier nicht um den Handelsschutz, sondern um den Schutz unserer Klimaziele."

    pto, ikl