Frei rankt sich die Handlung um die Biografie des Malers Mathis Gothard Nithart, genannt Grünewald, von der die Kunsthistoriker wenig Genaues wissen. In sieben groß und breit angelegten "Bildern", faktisch sieben Akten, entwarf Paul Hindemith ein Panorama der politischen, sozialen und religiösen Konflikte Deutschlands in den Jahren um 1525. Es war eine Zeit des Aufbruchs, in der Martin Luthers Thesen im ganzen Land wirkten, das Fußvolk wie die Fürsten erfasste, in der die Zentrale in Rom gegen den Geist der Erneuerung zu mobilisieren begann und in der sich der lange angestaute Unmut über die schärfste Ausbeutung der Bauern in großen Aufständen entlud.
Diese Oper ist vieles zugleich: Historien- und Künstlerdrama, ein Episodenstück zu dem sich eben erst herausprozessierenden protestantischen Bekenntnis und das Bekenntniswerk Hindemiths. Mit ihm rückte der Bratscher und Komponist von seinen künstlerischen und politischen Positionen der 20er-Jahren ab. Er hatte unter anderen mit Bertolt Brecht zusammengearbeitet und sich in die breite Strömung einer Gesellschaftsveränderung von links eingereiht. Hindemith wollte an der "Herausbildung einer neuen Gesellschaft" durch musikalische Jugendarbeit mitwirken.
Der Maler Mathis seiner Oper verhält sich radikaler. Er quittiert den Dienst beim Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg - dessen Partie in Paris übrigens von Scott Mac Allister mit majestätischem Tenor ausgestattet wird. Mathis schlägt sich auf die Seite des Bauernführers Schwalb, nicht zuletzt wegen dessen attraktiver Tochter. Der Künstler wird an der Seite der Revolutionäre nicht glücklich - mit seiner denunzierenden Darstellung der Aufrührer folgt Hindemith der Polemik Luthers (als hätten die kaiserlichen und papistischen Söldner nicht ungleich gründlicher geplündert, vergewaltigt und gemordet!).
Olivier Pys Inszenierung sorgt für eine schöne und bequeme Aneignung des sperrigen historischen Sujets. Hinter drei unveränderlichen Stationen an der Rampe - Bilderstaffelei, Bücherberg und Bettgestell - bringt sich zunächst der Isenheimer Altar in Erinnerung. Nicht als Foto-Projektion, sondern als Rekonstruktion der Genese: Statisten stellen einzelne Figurengruppen der drei Altarflügel nach und werden vom Maler umdirigiert. Dann fasst die Ausstattung von Pierre-André Weitz unter goldglänzenden gotischen Bogen den Glaubensstreit zwischen Katholiken und Evangelischen in ein opulentes Bild; für die militärische Dimension des Konflikts rollen jedoch zwei Panzer über die Bühne, marschieren Wehrmachtssoldaten auf - mit und ohne Deutsche Schäferhunde. Das spielt auf die Entstehungszeit der Oper an, bietet aber keine Deutung der Probleme widerständiger Künstler im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts an - und für heute schon gar nicht.
Bescherte Christoph Eschenbach den ersten Tableaus kräftigen orchestralen Überdruck, so sucht er diese Einseitigkeit gegen Ende wettzumachen, indem er den langen Abend besonders elegisch auslaufen lässt. Dialektischer Umgang mit dem Orchestersatz, der von kontrapünktelnden Monotonien nicht frei ist, müssten eher die Momente des Markanten im Abgesang und die des Verhaltenen in den Kampf- und Liebesszenen akzentuieren. Mathias Goerne absolviert in der Titelpartie eine klangvoluminöse Leistung - auf Textverständlichkeit kommt es angesichts der französischen Obertitel offensichtlich nicht an. Melanie Diener zeigt als reiche Mainzer Bürgerstochter, wenn ihr das Orchester die nötige Luft lässt, einen klar geführten angenehmen Sopran. Die Chance, die Bilder des Künstlers und der Liebe seines Lebens in den sozialen Konflikten in Bezug auf die Gegenwart zu deuten, ist ausgeblieben. Oper soll eben in Paris derzeit eine retardierte und entschärfte Kunstform sein.
Diese Oper ist vieles zugleich: Historien- und Künstlerdrama, ein Episodenstück zu dem sich eben erst herausprozessierenden protestantischen Bekenntnis und das Bekenntniswerk Hindemiths. Mit ihm rückte der Bratscher und Komponist von seinen künstlerischen und politischen Positionen der 20er-Jahren ab. Er hatte unter anderen mit Bertolt Brecht zusammengearbeitet und sich in die breite Strömung einer Gesellschaftsveränderung von links eingereiht. Hindemith wollte an der "Herausbildung einer neuen Gesellschaft" durch musikalische Jugendarbeit mitwirken.
Der Maler Mathis seiner Oper verhält sich radikaler. Er quittiert den Dienst beim Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg - dessen Partie in Paris übrigens von Scott Mac Allister mit majestätischem Tenor ausgestattet wird. Mathis schlägt sich auf die Seite des Bauernführers Schwalb, nicht zuletzt wegen dessen attraktiver Tochter. Der Künstler wird an der Seite der Revolutionäre nicht glücklich - mit seiner denunzierenden Darstellung der Aufrührer folgt Hindemith der Polemik Luthers (als hätten die kaiserlichen und papistischen Söldner nicht ungleich gründlicher geplündert, vergewaltigt und gemordet!).
Olivier Pys Inszenierung sorgt für eine schöne und bequeme Aneignung des sperrigen historischen Sujets. Hinter drei unveränderlichen Stationen an der Rampe - Bilderstaffelei, Bücherberg und Bettgestell - bringt sich zunächst der Isenheimer Altar in Erinnerung. Nicht als Foto-Projektion, sondern als Rekonstruktion der Genese: Statisten stellen einzelne Figurengruppen der drei Altarflügel nach und werden vom Maler umdirigiert. Dann fasst die Ausstattung von Pierre-André Weitz unter goldglänzenden gotischen Bogen den Glaubensstreit zwischen Katholiken und Evangelischen in ein opulentes Bild; für die militärische Dimension des Konflikts rollen jedoch zwei Panzer über die Bühne, marschieren Wehrmachtssoldaten auf - mit und ohne Deutsche Schäferhunde. Das spielt auf die Entstehungszeit der Oper an, bietet aber keine Deutung der Probleme widerständiger Künstler im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts an - und für heute schon gar nicht.
Bescherte Christoph Eschenbach den ersten Tableaus kräftigen orchestralen Überdruck, so sucht er diese Einseitigkeit gegen Ende wettzumachen, indem er den langen Abend besonders elegisch auslaufen lässt. Dialektischer Umgang mit dem Orchestersatz, der von kontrapünktelnden Monotonien nicht frei ist, müssten eher die Momente des Markanten im Abgesang und die des Verhaltenen in den Kampf- und Liebesszenen akzentuieren. Mathias Goerne absolviert in der Titelpartie eine klangvoluminöse Leistung - auf Textverständlichkeit kommt es angesichts der französischen Obertitel offensichtlich nicht an. Melanie Diener zeigt als reiche Mainzer Bürgerstochter, wenn ihr das Orchester die nötige Luft lässt, einen klar geführten angenehmen Sopran. Die Chance, die Bilder des Künstlers und der Liebe seines Lebens in den sozialen Konflikten in Bezug auf die Gegenwart zu deuten, ist ausgeblieben. Oper soll eben in Paris derzeit eine retardierte und entschärfte Kunstform sein.