Wer ist BioNTech?
Das ist ein Start-up, das 2008 von Mainzer Forschern gegründet wurde. Ziel war es, eine innovative Krebstherapie anzubieten, eine Impfung, die das Immunsystem auf die Tumoren aufmerksam macht. Weil jeder Krebs anders ist, braucht es dafür auf den einzelnen Patienten maßgeschneiderte Impfstoffe. Der Tumor wird also analysiert und dann nutzt BioNTech Strukturen, die zum Beispiel einen Hautkrebs oder einen Prostatakrebs vom gesunden Gewebe unterscheiden zur Herstellung eines Impfstoffs für den konkreten Patienten. Basis ist die RNA, also die biologische Bauanleitung für die Tumorstrukturen. Und diese Basis lässt sich auch bei anderen Problemen anwenden. Im Auftrag der Bill und Melinda Gates Foundation sucht BioNTech nach Impfstoffen gegen HIV und die Tuberkulose. Und als die Sequenz des neuen Coronavirus bekannt wurde, hat BioNTEch sofort ein einiges Forschungsprogramm aufgelegt, firmenintern heißt das ambitioniert lightspeed, also Lichtgeschwindigkeit, und das kann jetzt einen ersten Erfolg verbuchen.
Wie soll der neue COVID-19 Impfstoff funktionieren?
Meist nimmt man als Impfstoff ja den abgetöteten oder abgeschwächten Erreger oder einen Teil davon. Und das Immunsystem denkt dann, es wäre eine echte Infektion und bildet Antikörper. Die Herstellung solcher Impfstoffe ist komplex, und der RNA Ansatz von BioNTech bietet eine Abkürzung. Im Grunde wird der Impfstoff erst im Körper des Patienten hergestellt, von dessen eigenen Zellen. Konkret hat BioNTech die Bauleitung für das Spike Protein von SARS-CoV-2 verwendet, weil das für die Infektion besonders wichtig ist und weil man von SARS her weiß, dass es ein guter Ansatzpunkt für Impfstoffe ist. Und diese Bauanleitung, diese RNA die muss stabilisiert werden, dafür hat die Firma Tricks. Die Impfung besteht aus Lipidnanopartikeln voller RNA, die werden in den Arm gespritzt und die Zellen nehmen dann die RNA auf und bauen nach deren Anleitung eben dieses Spike Eiweiß. Und weil das fremd ist, denkt das Immunsystem, das ist eine Infektion und bildet Antikörper, die den echten Erreger abfangen können. Das zumindest ist der Plan.
Was wird jetzt in der Studie gemacht?
Da geht es erst einmal um die Sicherheit. Es könnte ja sein, dass es Nebenwirkungen gibt. Das ist erst mal nicht so wahrscheinlich, in Mäusen und Ratten sind keine aufgetreten, aber man weiß ja nie. Der Impfstoff wird also erst einmal Freiwilligen in einer niedrigen Dosis gespritzt die bleiben über Nacht da, werden überwacht und dann wartet man ab. Und wenn alles gut geht, bekommt die nächste Gruppe eine höhere Dosis. Und nach ein paar Wochen guckt man dann nach: bilden die wirklich Antikörper und sind die in der Lage, in der Zellkultur das Virus auszubremsen. So kann man die Sicherheit des Impfstoffs bestimmen und sich an die notwendige Dosis herantasten. Die Studie ist auf 200 Teilnehmer ausgelegt, gesunde Menschen zwischen 18 und 55 Jahren. Es wird auch nicht nur dieser eine Impfstoffkandidat ausprobiert, sondern insgesamt vier. Die unterscheiden sich in Art, wie die RNA stabilisiert wird und welches Stück des Spike Proteins sie verwenden. Es wird dann noch eine zweite Runde geben mit älteren Probanden und Menschen mit Vorerkrankungen, um zu sehen, ob auch die genug Antikörper und auch Abwehrzellen bilden. Drei bis fünf Monate wird es dauern, bis die Ergebnisse vorliegen.
Wie geht es dann weiter?
Dann geht es um die alles entscheidende Frage der Wirksamkeit. Verhindert die Impfung tatsächlich, dass man sich mit COVID-19 ansteckt? Das lässt sich nur in großen Studien mit vielen Tausend Teilnehmern klären. Die könnten im Herbst oder Winter beginnen. Die Leute werden geimpft und dann schaut man, stecken sich weniger an, als in der Kontrollgruppe? Auch das braucht Zeit. Man hat eine Abkürzung vorgeschlagen, nämlich Freiwillige gezielt mit COVID-19 zu infizieren. Aber das lehnt der Präsident des Paul Ehrlich Institutes ab, das erscheint ihm als zu gefährlich. Also es bleibt dabei, einen breit verfügbaren Impfstoff wird es allerfrühestens in einem oder anderthalb Jahren geben.
Normalerweise macht man umfangreiche Tierversuche, bevor eine Studie mit menschlichen Probanden beginnt. Ist das ein Risiko?
Früher sind tatsächlich Jahre vergangen, bevor ein neuer Impfstoff diese Phase erreicht hat. Dass es so schnell gegangen ist, das liegt einerseits daran, dass neue gentechnische Methoden es erlauben, einen Impfstoff allein auf Basis der Sequenzinformation, also des Erbguts des Erregers zu konstruieren. Auf der andren Seite haben sich die Regierungsbehörden in Deutschland und überall auf der Welt auf einem ganz anderen Niveau eingeschaltet.
Die haben früh Kontakt zu den Unternehmen und auch zu Instituten wie dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung aufgenommen, beraten die, helfen ihnen, nur so war diese frühe Studie möglich. Und während die läuft, gehen parallel die Tierversuche weiter. Also es gibt keine Abstriche bei der Sicherheit des Impfstoffs. Aber angesichts der Pandemie wird alles so sehr komprimiert und zusammengefasst wie irgend möglich.
Auch die großen Studien laufen dann flexibler als früher. Und es ist auch vorstellbar, einen Impfstoff noch vor der Zulassung für bestimmte Gruppen zur Verfügung zu stellen, wenn denn die ersten Studien gut gelaufen sind. Im Grunde war die Ebolaepidemie da eine gute Fingerübung. Bei dem Ausbruch in Westafrika wurden verschiedene Impfstoffe vorangetrieben. Es gab dann einen guten Kandidaten und als der Ausbruch im Kongo losging, wurde der noch vor der Zulassung in Studien während des Ausbruchs eingesetzt, über 300.000 Menschen wurden geimpft und diese Daten halfen dann letztlich bei der Zulassung.
Wird BioNTech diesen Vorsprung halten können?
Das weiß keiner, die Impfstoffentwicklung bietet immer Überraschungen. Erst sah es ja auch so aus, als ob in Deutschland das Unternehmen CureVac der wichtigste Mitspieler wäre. Aber jetzt war BioNTech schneller. Doch CureVAc und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung stehen auch kurz vor Beginn von Studien, ein paar Tage oder auch Wochen hin oder her machen da nichts aus. Das kann sich wieder ändern. Weltweit laufen schon fünf Studien in China, in den USA und England. Es gibt über 70 Impfstoffkandidaten, die bei der WHO angezeigt wurden, in den Laboren erforscht man sicher noch mehr.
Diese breite Basis ist auch absolut notwendig, denn es ist völlig unklar, welcher Impfstoff am Ende den besten Schutz bietet, oder ob es überhaupt einen wirksamen Impfstoff geben wird. Es ist gut, dass BioNTech und anderen Unternehmen aus den Startlöchern gekommen sind, aber wie so vieles bei der COVID-19 Pandemie ist auch die Impfstoffentwicklung kein Sprint, sondern ein Marathon, und wer am Ende über die Ziellinie gehen wird, das kann heute noch niemand sagen.