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Kliper auf der Kippe

Raumfahrt. – Traditionell stellen sowohl die russische Raumfahrtindustrie wie die staatliche Weltraumbehörde anlässlich des 8. Internationalen Luft- und Raumfahrtsalons nahe Moskaus ihre aktuellen Projekte vor. In diesem Jahr hat jedoch der Raumgleiter Kliper dabei ganz eigene Startschwierigkeiten.

Von Guido Meyer |
    Es ist jetzt drei Jahre her, dass der russische Fernsehsender Channel One die Öffentlichkeit mit exklusiven Bildern aus dem Moskauer Vorort Koroljov überraschte. Dort nämlich, beim Raumfahrtunternehmen Energia, stehe der Prototyp einer neuen Generation von Raumschiffen, so die Sprecherin. Das Modell ist zehn Meter lang, oben weiß gekachelt und auf der Rumpfunterseite, an den Flügelkanten und der Nasenspitze schwarz. An diesen Stellen wird die Hitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre am höchsten. Kliper nennt sich dieses Gefährt, dessen Prototyp mittlerweile auch auf den Luft- und Raumfahrtausstellungen in Moskau, Paris und Farnborough präsentiert wurde. Noch bis vor wenigen Monaten sprach Anatoli Perminow, der Chef der russischen Raumfahrtagentur, hoffnungsfroh über diese Pläne seines Landes für eine Raumfähre.

    „Wir wissen, dass wir solche anspruchsvollen Programme nur in internationaler Kooperation angehen können. Derzeit versuchen wir genau das: Wir wollen ein Crew-Transport-System entwickeln, zusammen mit anderen Ländern. Unser Hauptpartner bei diesem Programm könnte die europäische Weltraumagentur sein.“

    Könnte, wird aber wohl nicht. Im Dezember hatte die Europäische Weltraumagentur Esa entschieden, vorerst auf eine Beteiligung an Kliper zu verzichten, wegen zu vieler ungelöster Fragen. Der Bau einer Raumfähre aus eigenen finanziellen Mitteln erschien unwahrscheinlich, so dass die russische Industrie begann, Kliper umzudesignen, um so doch noch Partner in Europa oder Japan zu gewinnen. Nikolay Bruykhanov, der Direktor des wissenschaftlichen und technischen Centers des russischen Weltraumkonzerns Energia, beschreibt die neuen Ziele des Raumschiffs.

    „Wir haben den Kliper dahingehend neu entworfen, dass er sowohl zum Mond fliegen als auch wieder zurückkehren, einen Wiedereintritt durch die irdische Atmosphäre durchführen und schließlich auf der Erde landen kann. Für Reisen zum Mond müssen wir ihn um eine Oberstufe erweitern, die als Antriebsmodul fungieren soll.“

    Für eine mögliche Kooperation mit anderen Staaten musste Kliper seine Flügel lassen. Keine Mini-Fähre als Taxi zur Internationalen Raumstation (ISS) soll es werden, sondern ein multiverselles Raumschiff auch für Reisen jenseits der Erdumlaufbahn. Auch der Name Kliper ist vom Tisch: das System nennt sich nun ACTS, was für Advanced Crew Transportation System steht, also fortgeschrittenes Mannschaftstransportsystem. Es beruht im Wesentlichen auf einer Weiterentwicklung der bisherigen Sojus-Kapseln, die künftig auch zum Mond fliegen sollen. Friedhelm Claasen aus dem Bereich Bemannte Raumfahrt, ISS und Exploration beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn, der für das DLR die Entwicklungen in der russischen Raumfahrt beobachtet.

    „Ich gehe davon aus, dass die bisherigen Erfahrungen wahrscheinlich zu einem Kapseldesign führen, was sicherheitstechnisch leichter beherrschbar ist. Die wesentlichen Vorteile bei dem neuen Crew Space Transportation System sind, dass es eben bis zu sechs Astronauten oder Kosmonauten beherbergen kann, also wesentlich mehr Transportkapazität bietet.“

    Das neue Mannschafts-Transportsystem soll aus drei Bauteilen bestehen. Das größte, das Wohnmodul, entspräche im wesentlichen dem europäischen Weltraumlabor Columbus – vorausgesetzt, die Alte Welt kann sich – anders als bei Kliper – diesmal für eine Zusammenarbeit mit den Russen erwärmen. Als Oberstufe würde eine Weiterentwicklung des – ebenfalls europäischen – Automatischen Transfer-Vehikels fungieren. Das ATV ist ein unbemannter Lastesel, der im nächsten Jahr seinen Jungfernflug zur ISS antreten soll, um dort Nachschub und Experimente abzuliefern. Der dritte Bestandteil wäre eine auf den russischen Sojus-Raumschiffen basierende Mondlande- und –rückkehrkapsel. Das ACTS wäre also ein russisch-europäisches Transportsystem.