Kaum jemand beachtete die Excelsior, die, aus Alaska kommend, am 14. Juli 1897 in den Hafen von San Francisco dampfte. Oder die Passagiere, die mit schweren Taschen von Bord gingen und schnurstracks zu einem Goldschmelzwerk fuhren. Doch am nächsten Tag stand die Stadt kopf.
„Säcke voller Gold from Klondike! Halbe Million Dollar in Goldstaub auf einem Dampfer! Größter Goldfund in der Geschichte der Welt!“, gellten die Schlagzeilen. Hunderte belagerten die Goldgräber in ihrem Hotel. Über die Telegrafendrähte eilte die Nachricht durchs ganze Land. Als ein zweites Schiff aus Alaska in Seattle einlief, empfing es eine Menschenmenge am Pier.
„Gold! Gold! Gold! Gold! Eineinhalb Tonnen Gold! Alle brechen auf! Männer aller Klassen und Berufe in Seattle im Goldfieber-Delirium!“
Jack London: "Und sie wurden zu Bestien"
Seit Monaten schon gab es Presseberichte über einen fabelhaften Fund am Klondike, einem Nebenfluss des Yukon im Nordwesten Kanadas. Sie wurden als Übertreibung abgetan, aber die Ankunft der beiden Dampfer entfachte über Nacht den letzten großen Goldrausch. Bald war jedes verfügbare Schiff an der Westküste vollgepackt mit Goldsuchern auf dem Weg nach Norden – Fischerboote, Kohlefrachter und alte Schaufelraddampfer. Wer es sich leisten konnte, fuhr bis zur Mündung des Yukon in der Beringsee und von da aus mit einem Flussdampfer zum Klondike.
Die meisten buchten die preisgünstigere Reise zu einem Fjord im Süden Alaskas. Von hier aus kämpften sie sich über das Küstengebirge. Stück für Stück schafften sie ihr Gepäck vorwärts; Zelte, Decken und Kleidung, Werkzeuge und Lebensmittel für ein Jahr, gingen dabei jede Etappe an die dreißig Mal. In wenigen Wochen wurden hier tausende Packpferde zu Tode gequält.
Gold metertief im Permafrost versteckt
„Ihre Herzen verwandelten sich in Stein, und sie wurden zu Bestien, die Männer auf dem Dead Horse Trail.“, schrieb Jack London. Dann fuhren die Glücksritter mit selbstgezimmerten Booten achthundert Kilometer den Yukon hinunter, bezwangen Stromschnellen, Strudel und Felsbänke. Nach Wochen auf dem Fluss landeten sie in Dawson City, der Zeltstadt an der Mündung des Klondike.
Doch die Claims in den goldreichen Bachtälern waren längst besetzt; einige tausend, die seit Jahren in der Wildnis am Yukon hausten, waren ihnen zuvorgekommen. Und das Gold lag nicht einfach herum, sondern metertief im Permafrostboden. Ein Goldgräber beschrieb die Arbeit im Winter bei minus vierzig Grad:
„Man macht große Feuer, und wenn die Erde aufgetaut ist, wird sie mit Hacken aufgebrochen und mit Schaufeln auf große Haufen geworfen.“
Mit dem Wasser der Schneeschmelze wurde im Frühjahr das Gold ausgewaschen: über zehn Millionen Dollar lagen in den Sieben. Als das Eis auf dem Yukon brach, fielen zehntausende neue Glücksjäger am Klondike ein. Mit ihnen kamen Theatertruppen, Berufsspieler und Touristen. Händler brachten alles Erdenkliche mit, von frischem Obst und lebenden Hühnern bis hin zu Straußenfederhüten.
In Dawson wurde gehämmert und gebaut, aus Dutzenden Saloons drang Klavier-Geklimper. Es gab drei Kirchen und Restaurants mit Tafelsilber und feinem Porzellan. Die neuen Millionäre wandelten in Anzügen aus London und Kleidern aus Paris durch Schlamm und Fäkalien. Sauberes Trinkwasser war rar, Typhus grassierte. Goldsucher schwärmten in immer entlegenere Täler aus, aber, so stellte ein Journalist fest: „Die Luft war raus. Es gab keine neuen Treffer.“
Ausgestattet mit Dampfdüsen und Baggern
Viele Neuankömmlinge dieses Sommers machten auf dem Absatz kehrt. Im nächsten Frühling hörte man von einem neuen sensationellen Fund an der Küste von Alaska, wo das Gold buchstäblich am Strand herumlag, und Tausende zogen von Dawson nach Westen. Am Klondike kauften Bergbaugesellschaften die Claims auf; große Dampfdüsen tauten nun die Erde auf, Bagger zerwühlten den Boden.
„Mit festen Straßen, Wasserleitungen, Bürgersteigen und komfortablen Häusern macht Dawson den Eindruck von Behäbigkeit und Beständigkeit. Der Boom ist vorbei." Schrieb ein Besucher vier Jahre später. Die einst bewaldeten Berghänge waren weit und breit kahlgeschlagen, das Wild verschwunden.
Die indigenen Tr’ondëk Hwëch’in, die am Klondike gejagt und im Sommer Lachse gefangen hatten, lebten in einem kleinen Reservat und waren auf die Hilfe der kanadischen Regierung angewiesen. Der Goldrausch am Klondike war nur noch Stoff für Memoiren, Romane und Filme.