Sandra Schulz: Taxifahrer auf deutschen Straßen, das ist jetzt noch nicht unbedingt was Ungewöhnliches. Nicht ganz alltäglich aber die Beobachtung, dass Taxifahrer - kleine Finesse der deutschen Sprache - auf die Straße gehen. Sie liegen im Clinch mit Verkehrsminister Scheuer und dessen Plänen, die Regeln für Fahrdienste zu liberalisieren. Die stoßen auf ganz massiven Protest. In etwa 30 Städten soll es darum heute Protestaktionen geben. Wir können darüber in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Daniela Kluckert, FDP-Verkehrspolitikerin, und sie ist auch stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag. Schönen guten Tag!
Daniela Kluckert: Guten Tag, Frau Schulz.
Schulz: Wenn es nach der FDP geht, welche Zukunft hat das Taxigewerbe dann?
Kluckert: Das Taxigewerbe hat weiterhin einen wichtigen Stand in unserem Gesamtkonzept des öffentlichen Verkehrs, und wir wollen, dass das Taxigewerbe weiterhin, so wie auch jetzt schon, Teil des Verkehrs bleibt.
Starre Preise verhindern Reaktionsmöglichkeit
Schulz: Viele Taxifahrer fürchten ja um ihre Existenz. Wir haben die Wut in dem Bericht gerade auch sehr deutlich gehört. Diese Sorgen, die können Sie überhaupt nicht verstehen?
Kluckert: Doch, die kann ich sehr gut verstehen. Und das, was Minister Scheuer vorgelegt hat, ist eine Liberalisierung des Personenbeförderungsgesetzes, die Öffnung des Marktes. Was er aber nicht vorgelegt hat, ist ein Gesamtkonzept, was auch den Taxiunternehmen erlaubt, auf den Wettbewerb zu reagieren. Ich will hier zum Beispiel das Laderecht ansprechen. In Berlin ist es so, dass sich die Kommunen nicht geeinigt haben und dadurch Berlin und Brandenburg keine Einigung beim Laderecht erzielt haben, was dazu führt, dass Taxifahrer beispielsweise aus Berlin zum Flughafen Schönefeld mit Fahrgast fahren, aber leer zurückfahren müssen. Das gleiche gilt für Brandenburger Taxis, wenn sie beispielsweise nach Tegel fahren. Auch die Preise sind sehr starr im Taximarkt, weil sie vom Staat festgelegt werden. All das ermöglicht den Taxiunternehmen überhaupt nicht, auf den Wettbewerb zu reagieren.
Schulz: Aber die Taxifahrer und ihre Sorgen, wenn Sie sagen, dass Sie die ernst nehmen, warum spielen sie dann im Ergebnis keine Rolle? Warum auch das Plädoyer der FDP für eine Liberalisierung dieses Marktes?
Kluckert: Ja, das ist auch ein Gesamtmarkt, der sich entwickelt. Schauen Sie: Wir wollen zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr stärken. Wir wollen, dass die Leute mehr den öffentlichen Nahverkehr nutzen, gerade in den großen Städten. Dafür brauchen wir auch Konzepte, beispielsweise für die letzte Meile, dass die Leute dann tatsächlich von zuhause zur U-Bahn, von der S-Bahn zum Büro kommen. Dafür brauchen wir auch neue Angebote.
Schulz: Frau Kluckert! Da würde ich gerne mal nachfragen. Ich muss sagen, ich habe mich gerade gestern dazu schlau gemacht bei der Vorbereitung auf das Interview. Da hatte ich den Eindruck, dass die FDP das Thema ÖPNV, Öffentlicher Personennahverkehr, eher mit zugehaltener Nase angeht. Wieviel Geld soll in diesen Sektor fließen?
Kluckert: Ich würde es nicht an einer Geldsumme festmachen.
"Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr stärken"
Schulz: Warum nicht?
Kluckert: Ich würde sagen, wir wollen den öffentlichen Nahverkehr stärken. Wir wollen das auch gerade in den Städten. Das ist ja auch eine Landes- oder eine kommunale Aufgabe. Hier in Berlin ist es so, dass wir den viel mehr ausbauen wollen, dass wir U-Bahn-Linien fordern, dass wir mehr S-Bahnen fordern, ein besseres Angebot fordern, um es attraktiv zu machen, dass die Leute es hier nutzen.
Schulz: Dieses Autofahren, das ist dann aus Sicht der FDP gar nicht mehr ein so großes Thema, so wie Sie das jetzt skizzieren? Da habe ich aber Ihren Vorsitzenden Christian Lindner bisher anders verstanden.
Kluckert: Nein. Wir wollen den Leuten die Freiheit geben, das Verkehrsmittel zu nutzen, was sie für sich richtig empfinden. Und ich bin mir sicher: Wenn wir den öffentlichen Nahverkehr attraktiver gestalten und damit auch die letzte Meile, aber auch den öffentlichen Nahverkehr an sich, dass sich dann auch mehr Menschen entscheiden, ihn zu nutzen. Derzeit ist es ja in vielen Städten oder auch im ländlichen Raum überhaupt nicht praktikabel, ihn zu nutzen, um seinen täglichen Geschäften nachzukommen.
Schulz: Das war ein interessanter Exkurs. Vielen Dank dafür. – Jetzt würde ich gerne mit Ihnen noch mal zurückkommen zu den Taxifahrern.
"Keine Diskussion von einem Unternehmen ausgehend"
Kluckert: Ja.
Schulz: Wir kennen ja schon die Unternehmen, die profitieren werden, wenn wir da jetzt eine Liberalisierung sehen werden. Wir wissen, dass Uber, das US-Unternehmen, ganz verschärft mit den Hufen kratzt. Wir wissen, dass Uber ein Unternehmen ist, über das die "New York Times" die Unternehmenskultur als "hemmungslos" beschrieben hat. Das Management wolle einen hemmungslosen Konkurrenzkampf unter seinen Mitarbeitern. Braucht dieses Unternehmen jetzt wirklich in Deutschland auch noch staatliche Unterstützung?
Kluckert: Ich möchte das nicht, diese Diskussion, von einem Unternehmen ausgehend. Es gibt ganz unterschiedliche Unternehmen in Deutschland. Wir haben auch Pooling-Dienste. Das sind Dienste, die verschiedene Fahrten zusammenfassen. Das sind deutsche Unternehmen. Das sind Unternehmen, die auch mit unseren großen deutschen Unternehmen zusammenarbeiten. Nehmen Sie hier zum Beispiel Clevershuttle in Berlin. Es gibt zum Beispiel auch den BerlKönig in Berlin, das ist sogar ein staatliches Unternehmen. Also es gibt nicht das eine. Ich möchte es auch nicht von den Unternehmen her denken, sondern ich möchte denken: Was ist denn eigentlich gut für unseren Nahverkehr? Was ist gut für die Menschen? Wie kommen sie günstig und dann auch umweltfreundlich von einem Punkt zum anderen? Da bin ich fest davon überzeugt, dass wir da auch das Personenbeförderungsgesetz anpacken müssen. Aber wir müssen es schaffen, dass die Taxiunternehmen nicht verdrängt werden, sondern dass sie sich einem fairen Wettbewerb stellen können.
Schulz: Sie haben gerade die Taxipreise angesprochen. Sind die zu hoch?
Kluckert: Ob sie zu hoch sind, das will ich nicht kommentieren. Was ich aber sagen möchte ist, dass sie nicht selbst gestaltet werden können von Taxiunternehmen. Es gibt Zeiten, da kann man hohe Preise nehmen, und es gibt Zeiten, da funktioniert das nicht. Zum Beispiel in der Vormittagszeit vor einem Bahnhof, da wäre es doch klüger, wenn wir den Taxiunternehmen Happy Hours zulassen würden. Oder wir würden sagen, sie können Studentenrabatte machen, sie können Seniorenrabatte machen und sie können durch die Preisgestaltung auch die Auslastung ihrer Taxis erhöhen. Das fände ich sehr klug.
"Ringen um den Preis, den der Konsument zahlt"
Schulz: Auch um den Preis, was wir aus anderen Formen der Plattform-Ökonomie kennen, dass dann Selbstausbeutung droht – in dem Sinne, wenn man die Regulierung dieser Preise, dieser Tarife fahren lässt, dass dann derjenige den Zuschlag kriegt, der einfach die besten Preise macht?
Kluckert: Am Ende ist die Marktwirtschaft auch ein Ringen um den Preis, den der Konsument zahlt. Aber was wir natürlich auch nicht vergessen dürfen ist, dass wir in Deutschland ein Arbeitsschutzgesetz haben. Wir haben auch das Verbot der Sittenwidrigkeit. All diese Dinge müssen natürlich auch im Personenbeförderungsrecht greifen. Da haben wir Schutzmechanismen und die müssen angewandt werden.
Schulz: Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit von 2015 verdienten damals die Hälfte der Taxifahrer rund 1500 Euro brutto oder weniger. Ich vermute nicht, dass sich dieses Einkommen, diese Zahlen inzwischen nach oben bewegt haben. Ist das wirklich eine Verdienstmöglichkeit? Ist das wirklich ein Markt, wo Sie sagen würden, da ist noch Luft?
Kluckert: Sehen Sie, genau das meine ich. Die Taxifahrer, die sind ja heute keine Großverdiener. Wer da überhaupt verdient in dem Markt, sind die Taxiunternehmer. Das heißt, wenn wir über den Schutz der Taxifahrer sprechen, dann können die auch in anderen Bereichen genauso gut oder besser verdienen. Wenn Sie mit Mitarbeitern von Unternehmen sprechen, dann sagen die teilweise, es ist viel angenehmer, weil es zum Beispiel ein Festgehalt gibt und nicht mehr fahrtenabhängig das ist. Es ist die Frage, für wen wir Reformen machen. Die Taxifahrer, die sind heute nicht so gestellt, dass sie von den Regelungen profitieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.