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Knapp: Realwirtschaft in Griechenland stärken

Allein mit Reformen könne kein Wachstum in Griechenland erzielt werden, das sei inzwischen klar, sagt Martin Knapp, DIHK-Koordinator des Projekts Eurozone. Es müsse etwas für den gesunden Kern der griechischen Wirtschaft getan werden, für die Unternehmen, die im Prinzip solide seien.

Martin Knapp im Gespräch mit Silvia Engels |
    Dass Reformen alleine die Krise in Griechenland nicht lösen könne, dass habe man inzwischen begriffen, sagt Martin Knapp, DIHK-Koordinator des Projekts Eurozone. Es müsse etwas für den gesunden Kern der griechischen Wirtschaft getan werden, nämlich für die Unternehmen, die im Prinzip gesund seien. Sie müssen langfristig die Existenzgrundlage für das Land seien.

    Silvia Engels: Seit Wochen machen immer wieder Meldungen die Runde, dass trotz aller Reformen das hoch verschuldete Griechenland schnell frisches Geld braucht. Die "Süddeutsche Zeitung" meldet heute unter Berufung auf einen Beamten der EU-Kommission, Athen brauche unmittelbar nach der Sommerpause eine Zusage über neue Finanzmittel, sonst drohe eine Lücke von zehn Milliarden Euro. Diese Meldungen treffen auf eine ohnehin angespannte Stimmung in Athen. Dort stimmt das Parlament am Abend über Entlassungen im öffentlichen Dienst ab. Die Regierung will bis Ende 2014 15.000 Staatsbedienstete entlassen oder auch versetzen.

    Am Telefon ist nun Martin Knapp, lange Jahre war er der Geschäftsführer der deutsch-griechischen Handelskammer in Athen. Nun ist er beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin der Koordinator des Projekts "Eurozone". In dieser Eigenschaft ist er aber gerade wieder in Griechenland unterwegs, wir erreichen ihn in Athen. Guten Tag, Herr Knapp.

    Martin Knapp: Guten Tag, Frau Engels.

    Engels: Wir haben es gerade gehört: am Abend eine wichtige Entscheidung im Parlament. Sie kennen das Land seit Jahren. Glauben Sie, dass die griechische Regierung angesichts der anhaltenden Proteste gegen die Entlassungen im öffentlichen Sektor auseinanderbricht?

    Knapp: Der dritte Koalitionspartner, die kleine Linkspartei, ist ja schon ausgeschieden. Die anderen beiden haben gerade ihre Koalitionsabsicht erneuert, 155 Stimmen von 300. Das klingt nicht sehr komfortabel, aber bei vielleicht ein, zwei Abweichlern, man weiß es nicht. Ich rechne persönlich damit, dass es heute noch mal klappt mit dieser Abstimmung.

    Engels: Seit Jahren ist es ja nun so, dass Athen Reformschritte ankündigt, aber dann in der Umsetzung dahinter zurückbleibt. Da ist ja der Stellenabbau nur ein Beispiel. Auch bei Privatisierungsabsichten, bei einer Verwaltungsreform bleibt man immer hinter dem zurück, was gedacht ist. Wird sich das jemals ändern?

    Knapp: Zur Privatisierung zum Beispiel, die Sie gerade angesprochen haben, gehören ja immer zwei. Es muss ja auch jemanden geben, der bereit ist, die zu privatisierenden Unternehmen zum Beispiel auch zu kaufen, und das hat sich ja als relativ schwierig herausgestellt. Und bei dem internationalen Konkurrenzkampf um ausländische Investitionen ist es auch, glaube ich, kein Wunder, wenn ein Land, was im Moment so einen starken Image-Schaden hinter sich gebracht hat, im Moment nicht gerade sehr attraktiv ist für Investoren.

    Engels: Ein großes Problem besteht ja darin, dass griechische Banken kaum Kredite an Unternehmen ausgeben. Da will jetzt auch die Bundesregierung offenbar helfen, indem sie sich an einer Förderbank in Griechenland mit 100 Millionen Euro beteiligt. Kann das die Kreditklemme lösen?

    Knapp: Alleine nicht. Aber es ist natürlich ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Man hat bisher ja immer geglaubt, dass die Reformen alleine das Problem lösen würden, so ähnlich wie beim Zigarettenautomaten: Man steckt oben Reformen rein und unten kommt Wachstum heraus. Das kann so nicht funktionieren, das hat man inzwischen begriffen. Man muss was tun für den gesunden Kern der griechischen Wirtschaft, das heißt für die Unternehmen, die im Prinzip gesund sind und die ja auch langfristig die Existenzgrundlage für Griechenland sein müssen. Deshalb ist dies ein ganz wichtiger Schritt, dass man bereit ist, sich jetzt der Not der Realwirtschaft anzunehmen. Und es wird ja nicht bei den 100 Millionen bleiben, es sollen ja auch weitere Investoren, die EU, die Europäische Investitionsbank, auch private griechische Träger, sollen mitmachen. Man spricht von insgesamt 500 Millionen und durch einen Hebel, wie man in der Bankersprache sagt, sind das vielleicht dann zwei, drei Milliarden. Dann wird sich das schon bemerkbar machen und ich glaube, das ist ein ganz gewaltiger Schritt in die richtige Richtung, und wir haben das als deutsch-griechische Industrie- und Handelskammer seinerzeit auch schon seit drei Jahren gefordert. Wir sind da sehr zufrieden.

    Engels: Sehen Sie denn auf der anderen Seite auch deutsche Unternehmen, die jetzt schon bereit sind, Geld in Griechenland zu investieren?

    Knapp: Das ist ja gerade das Problem, dass Griechenland insgesamt natürlich sehr stark darunter leidet, dass es in den letzten Jahren so viel in der Diskussion war. Natürlich ist es immer noch so, dass es in der Nachbarschaft auch EU-Länder gibt, wo die Lohnkosten noch niedriger sind, sodass es im Moment ein großes Problem darstellt, neue Investoren heranzulocken. Aber selbst wenn die morgen kämen, dann gibt es ja immer noch das Thema: Es braucht ja Zeit, bis solche Investitionen sich volkswirtschaftlich bemerkbar machen. Diese Zeit muss überbrückt werden und das geht eben nur, indem man den Unternehmen hilft, die es im Land schon gibt. Hilft man ihnen nicht, wird die Rettung des Landes immer teurer.

    Engels: Überbrückung ist ein gutes Stichwort. Die 100 Millionen, was jetzt Deutschland angeht, vielleicht 500 Millionen, wenn man den größeren Rahmen sieht, sind das eine. Auf der anderen Seite ist hier immer wieder von kurzfristigen Finanzierungslücken im Milliardenbereich für den griechischen Staatshaushalt die Rede. Wird es so kommen, dass man an einem Schuldenschnitt doch nicht vorbei kommt?

    Knapp: Gut, darüber zu spekulieren, das ist jetzt im Moment, glaube ich, etwas zu früh. Sie wissen ja: die Bundesregierung will das überhaupt nicht, ist nicht bereit, im Moment darüber zu sprechen, und da ist es, glaube ich, jetzt auch nicht an uns, dieses Thema in irgendeiner Weise auf den Tisch zu legen. Das wird sich im Laufe der Zeit zeigen, ob das notwendig ist.

    Engels: Aber ist Griechenland weiterhin unterfinanziert, was diese kurzfristigen Geschichten angeht?

    Knapp: Nun, das ist, glaube ich, sehr deutlich, dass hier immer wieder diese Hilfskredite benötigt werden, und wenn die Wirtschaft nicht in Gang kommt, dann wird das immer mehr und dann kommen wir wieder zu dem Ausgangspunkt, zur Frage, wie hilft man der Realwirtschaft, denn ohne die läuft nichts und ohne die wird es immer teurer.

    Engels: Das heißt in Kurzform zusammengefasst: eine Komponente mittelfristig die Unternehmen stärken, kurzfristig neue Milliarden zuschießen?

    Knapp: Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass die schon längst vereinbarten Kredittranchen auch tatsächlich gezahlt werden, und dem steht ja auch, wenn heute Abend das wiederum klappt mit der Abstimmung, nichts mehr entgegen, denn man hat das ja so verhandelt und so wird es kommen.

    Engels: Informationen und Einschätzungen von Martin Knapp, er ist der Koordinator des Projekts "Eurozone" beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin und war jahrelang Geschäftsführer der deutsch-griechischen Handelskammer in Athen. Vielen Dank für das Gespräch.

    Knapp: Vielen Dank, Frau Engels.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.