Das Teehaus in einem Wohnviertel in Ankara ist voll, an allen Tischen spielen die Männer Karten oder OK, für das sie laut die vielen Steine mischen. Sie haben nur ein Thema. Der knappe Ausgang des Referendums: 51 zu 49. Ist es nun gültig oder nicht, wie der Oppositionsführer von der sozialdemokratischen säkularen CHP Kemal Kilicdaroglu es behauptet. Vielen Wahlzetteln fehlte das Wasserzeichen der Wahlkommission, derartige Scheine waren bei der Wahl der Auslandstürken nicht zugelassen, nun sollen sie gelten.
Diskutiert wird auch, dass es zwei unterschiedliche Stempel gab, mit denen die Wähler bei "Evet" (Ja) oder "Hayir" (Nein), nicht ihr Kreuz machen, sondern eben stempeln sollten. Anders als bei Diabakyr im Südosten der Türkei, wo ein Streit zwischen Befürworter und Gegner der Verfassungsänderung mit Toten endete, bleibt es hier absolut friedlich. Die Männer trinken zusammen Tee, erzählen, wie sie gestimmt haben. Der erste war für die von Präsident Erdogan vorgeschlagene Verfassungsänderung, machte seinen Stempel also bei "Evet" (Ja).
"Ich bin zufrieden mit ihm. Wenn er mehr Macht hat, wird er mit allen Problemen besser fertig. Er kann per Dekret regieren. Lasst ihn das tun, hört auf, ihn zu kritisieren."
Dem widerspricht ein anderer: "Um uns vor einem Ein-Personen-Regime zu bewahren, hab ich mit Nein gestimmt."
Der Ja-Wähler fällt ihm ins Wort: "Es wird kein Ein-Mann-Regime geben. Er wird doch nur maximal fünf Jahre an der Macht bleiben."
Ein kahlköpfiger Mann, der seinen Regenschirm neben sein Teeglas gelegt hat, begründet sein Votum: "Ich habe Nein gesagt. Weil es in den 18 Verfassungsänderungen einige kritische Stellen gibt. Der Präsident wird mehr Rechte bekommen, das macht mir Sorgen."
Die geplanten Änderungen seien viel zu wenig diskutiert worden, beklagen fast alle am Tisch. Im Ausland aber auch kritische Medien in der Türkei prophezeiten das Ende der Demokratie, die Männer in dem Teehaus schütteln nur die Köpfe.
"Nein, nein. Manche wollen uns Angst machen, aber nichts dergleichen wird passieren."
Erdogan will die Todesstrafe wieder
Beim Thema Todesstrafe schauen sie ratlos in die Runde, ein neues Referendum zu diesem Thema? Präsident Erdogan hat das Wort nicht in den Mund genommen, Claqueure in der orchestrierten Menge gestern spät abends in Istanbul aber schon.
"Wir haben eine Menge Dinge zu erledigen. Inshallah. Zuallererst, zuerst …", beginnt Erdogan und die Menge ruft: "Todesstrafe, Todesstrafe!" Erdogan antwortet: "Der Parteichef der MHP Bahceli unterstützt das, Ministerpräsidenten Yildirim auch und Kilicdaroglu tut das. Wenn der Vorschlag auf meinen Tisch kommt, werde ich das akzeptieren, wenn nicht, werden wir ein weiteres Referendum durchführen."
Für Öztürk Yilmaz von der oppositionellen CHP von Kilicdaroglu wäre die Rückkehr zur Todesstrafe eine Abkehr vom Europarat, der NATO und der EU. Er findet diese Pläne auch persönlich beängstigend.
"Man kann ein Gesetz nicht rückwirkend anwenden, auf bereits entschiedene Gerichtsfälle wie gegen den PKK-Führer Öcalan wie die Leute das vielleicht annehmen, sie werden es gegen uns verwenden."
Die meisten Männer im Teehaus haben die neue Verfassung abgelehnt, aber wir sind in Ankara. Bevor das Ergebnis feststand, versprach der einzige Erdogan-Unterstützer, im Falle des Wahlsiegs, eine Runde Kebab auszugeben. Er wird wohl Wort halten.