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Knistergenuss auf Vinyl

Unkonventionell und handfest könnte die Philosophie des neu gegründeten Musiklabels "In Gute Hände" in aus Augsburg lauten. Denn alle Veröffentlichungen erscheinen auch auf Schallplatte und Musikkassette.

Von Andi Hörmann |
    Geräuschlos fallen von den Bäumen farbige Blätter auf den laubbedeckten Teerboden. Gelb, grün, rot. Ein himmelblauer Herbsttag. Durch die Fensterscheiben einer ehemaligen Hinterhof-Autowerkstatt im Augsburger Bahnhofsviertel sieht man in Regalen bunte Vinyl-Schallplatten stehen.

    Kalkweiße Wände, hellgrüne Zimmerpflanzen, zusammengewürfeltes Flohmarktinventar. Im Oktober 2012 hat David Jahnke, 36, mit Senioren-Hornbrille und in rot-blauem Ski-Anorak, zusammen mit dem Musiker Bruno Tenschert und dem Tontechniker Moritz Illner in diesen Räumen ein Musiklabel ins Leben gerufen: "In Gute Hände".

    "Die Künstler geben etwas in gute Hände oder wir geben den Käufern eine Platte in gute Hände. Das ist kein hundertprozentig korrektes Deutsch, aber das ist okay."

    Aus guten Händen, in gute Hände. Sozusagen: von Musikliebhabern für Musikliebhaber. Das Befühlen der kunstvoll gestalteten Cover, das Betrachten der Bilder und Liedtexte im Booklet. Handfeste Vinylkunst für eine aus der Zeit gefallene, zeitlose Zeremonie: Papier raschelndes Auspacken, Platte auf den Teller legen, Diamantnadel aufsetzen - Knistergenuss für ein Klangnirwana.

    "Ich glaube, bei der Schallplatte ist es so, dass viele Leute noch bereit sind, Geld dafür zu zahlen. Und das eben auch als Produkt schöner ist - sowohl haptisch als auch optisch mehr hermacht, als jetzt ein Downloadlink oder eine CD."

    Unter dem Namen "Duophonic" stellt Moritz Illner in einem kleinen Tonstudio im Hinterzimmer Vinylplatten her. Eine Schallplattenmanufaktur, die er zusammen mit David Jahnke seit 2002 betreibt. Von Vinyleinzelanfertigungen für DJs bis zur 1.000er-Auflage bei Avantgarde- und Popbands. Das Herzstück von "Duophonic": eine Lackschnittmaschine, Baujahr 1975. Damit verwandelt Moritz Illner unsichtbare Musikdateien aus dem Computer in einen flachen, runden Körper mit Loch in der Mitte - analoge Vinyl-Schallplatten, geboren aus digitalen Musikaufnahmen.

    "Machen wir mal die von gestern auf. Das ist etwas sehr Experimentelles gewesen. Egal. Die wird abgespielt. Ich habe hier noch eine zweite Maschine, die ein Neubau ist. Oder ein Nachbau dieser alten Maschine. Damit mache ich die Einzelanfertigung. Das heißt, damit schneide ich die Rillen direkt in einen PVC-Rohling, wenn jetzt jemand nur ein Stück haben will. Und da hört man jetzt schon die Musik oder die Klänge in diesem Fall, wie sie eben von diesem Schneidekopf abgespielt werden, der sich dann ganz langsam über die drehende Platte von rechts nach links bewegt."

    Nach zehn Jahren gehen die Schallplattenhersteller von "Duophonic" einen Schritt weiter. Mit ihrem hauseigenen Label "In Gute Hände" veröffentlichen sie nun auch eigene Musik. Zwei der drei Labelbetreiber sind selbst musikalisch aktiv. Bruno Tenschert nennt sich als melancholischer Liedermacher "Der Herr Polaris". Und David Jahnke singt bei der Elektro-Punk-Formation "N.I.C.H.T.S.2.0".

    Ein kleines Aufbäumen gegen das körperlose Musikbusiness von in Wolken rumgeisternden MP3-Dateien der Streamingdienste á la Spotify. Die Erstauflage jeder Veröffentlichung auf dem Augsburger Indielabel "In Gute Hände" ist daher immer limitiert auf 300 Vinylschallplatten und 100 Musikkassetten - liebevoll versehen mit Buttons, Aufklebern und Postern. Doch verteufeln wollen die Freunde des Analogen den digitalen Fortschritt dabei nicht: Jeder Schallplatte und Musik-Kassette ist auch ein Downloadcode beigelegt. Der Retro-Chic dieser aussterbenden Tonträger entfaltet eben seinen Zauber erst durch den Idealismus der Musikliebhaber.

    "Ich bin auch immer noch einer, der sich stundenlang hinstellt und Leuten, die er mag, Mixtapes aufnimmt. Ich nehme mir da vier Stunden Zeit, bastle ein Cover, mache das mit Liebe - es gibt keine schönere Beschäftigung."