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Koalition in Bayern bröckelt

Der Euro ist kaum noch zu retten, genau so wenig wie diese Koalition. In den jüngsten Umfragen kam schwarz-gelb nur noch auf 35 Prozent. Und was für den Bund gilt, gilt für Bayern ganz genauso. Auch dort ist die CSU auf die Liberalen angewiesen.

Von Susanne Lettenbauer |
    Angespannt, mit versteinertem Gesicht sitzt Thomas Hacker in seinem Büro. Angesprochen auf den Koalitionskrach der vergangenen Woche wird der bayerische FDP-Fraktionsvorsitzende wortkarg und sagt nur noch das Nötigste. Während um ihn herum junge Mitarbeiter wuseln, muss Thomas Hacker sichtlich um Worte ringen:

    "Der Vorgang, dass eine Partei, die in einer Koalitionsregierung und in Koalitionsverträgen steht, unabgestimmt einem Oppositionsantrag zustimmt, ist ein ernster Vorgang, das ist ein Vorgang, der thematisiert werden muss. Ich habe die CSU darauf hingewiesen, recht wortreich darauf hingewiesen, dass sie die Verträge damit gebrochen hat. Das ganze hat zu klärenden Gesprächen mit dem Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid und mir geführt."

    Der Vorgang, den Hacker heute einen Ausrutscher nennt, ist symptomatisch für die explosive Stimmung in der bayerischen FDP. Bei vier Prozent liegt sie derzeit, der Bundes-FDP sei Dank, da wäre noch nicht mal eine Wiederauflage der Koalition mit der CSU drin. Ob die das überhaupt noch will, daran zweifeln manche in der FDP mittlerweile. Dabei ging es letzte Woche im Landtag eigentlich um eine Lappalie: Es ging um einen SPD-Antrag zur Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes im Freistaat. Die Regierungskoalition hatte sich darauf geeinigt, den Antrag abzulehnen, die meisten FDP-Abgeordneten waren der Abstimmung fern geblieben. Doch plötzlich stimmte die CSU dem Antrag der Opposition zu. Hacker reagierte perplex. Die Koalition sei geplatzt, donnerte der bullige Mann erbost. Der FDP-Fraktionschef echauffierte sich derart, dass sein Sprecher kurze Zeit später eilends die Wogen glätten musste. Es habe eine Abstimmungspanne gegeben, der CSU-Fraktionschef hätte sein Team nicht unter Kontrolle gehabt.

    Der Riss sei jetzt gekittet, beteuert Hacker jetzt wortreich vornüber gebeugt an seinem Bürotisch, doch seit einer Woche steht die Koalition zwischen FDP und CSU in Bayern auf Messers Schneide. Unterschwellig grummelt es indes seit gut einem halben Jahr, vor allem zwischen zwei Männern:

    Das Verhältnis zwischen dem eher gemütlichen Wirtschaftsminister Martin Zeil und dem nach Taten drängenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer könnte schlechter nicht sein. Genau das Ressort, mit dem der Freistaat unter Franz-Josef Strauss und Edmund Stoiber punkten konnte, führt ein exakt arbeitender, stiller FDPler, für Seehofer der größte Missgriff seiner Amtszeit. Wirtschaftsminister Zeil als Bremsklotz mit Beckstein-Syndrom - gute Arbeit, von der kaum jemand Notiz nimmt. Sein 90-seitiges Papier zur Energiewende erreichte kaum die Öffentlichkeit, da hatte ihn der eifrige Umweltminister Söder mit einem eigenen weniger ausgearbeiteten CSU-Konzept überholt. Ein Affront gegenüber dem kleinen Koalitionspartner, ein Kompetenzgerangel, bei dem die FDP den Kürzeren zog. Für FDP-Fraktionschef Hacker steht fest:

    "Viel Show wenig Inhalt. Bei uns gibt's viel Inhalt und weniger Show. Das mag in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als ob der Herr Söder mehr Windräder bewegt, aber der, der sich um den Ausbau kümmert, der das zügig nach vorne bringt, ist Herr Zeil."

    Koalitionspartner CSU-Fraktionschef Georg Schmid sitzt braun gebrannt und bestens gelaunt in seinem Büro einen Stock tiefer:

    "Natürlich hatte die FDP in den vergangene Wochen erhebliche Personaldiskussionen mit den Personalkonsequenzen, das schafft natürlich eine gewisse Unruhe. Ich hoffe, dass diese Situation jetzt überwunden ist und dass man mit klaren Vorstellungen und klarem Personaltableau wieder den Konsens suchen kann, um die schwierigen Dinge, die wir im Land zu bewältigen haben, voranzubringen."

    Die Umfragewerte für die CSU von 42 Prozent könnten besser sein, aber bis 2013 kann noch viel passieren, ist Schmid überzeugt. Die Zusammenarbeit im Parlament sei eigentlich richtig gut, abgesehen von den Animositäten zwischen dem FDP-geführten Wirtschaftsministerium und Horst Seehofer. Das aber empfindet der kleine Koalitionspartner als unnötigen Affront. Der Ministerpräsident hingegen lästert über das Klein-Klein der FDP. Einer Alleinregierung der CSU trauert Seehofer noch immer hinterher.

    Und ein charismatischer Gegner, an dem er sich abarbeiten könnte, ist derzeit in den Reihen der bayerischen Parteien sowieso nicht in Sicht. Die einzige Konkurrentin für Seehofer ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Mit Unmut sieht die FDP-Landeschefin die fehlende klare Linie der bayerischen Parteikollegen. Doch als Bundesfinanzministerin überwiegend in Berlin, schaut sie aus der Ferne nach München. Mütterlich streng verlangt sie von Thomas Hacker und Co. endlich auf eigenen Beinen zu stehen, die FDP muss wieder stärker in der Öffentlichkeit verankert werden.

    "Mich ärgert schon , dass die Erfolge nicht in der Koalition gemeinsam vertreten werden, mich ärgert, dass Einzelprofilierung vor Politik der Koalition geht, mich ärgert auch, dass fünf Jahre Koalition fünf Jahre Wahlkampf. Der Wahlkampf kommt, da werden wir als FDP harte Kante zeigen."

    Im Büro des FDP-Fraktionschefs Thomas Hacker regiert indes der Zweckoptimismus. Die Umfragewerte von vier Prozent könnten schlechter sein, sagt Stehaufmännchen Thomas Hacker. Er blickt jetzt starr nach vorn, Richtung 2013. Dann stehen die bayerischen Landtagswahlen an. Kokett rechnet er sich mindestens eine weitere Koalitionsregierung aus. Spätestens im Wahlkampf will er dann verkünden, wofür die FDP tatsächlich steht und was Bayern blühen würde, wenn die CSU wieder allein regiert.