Noch ist der Unions-Streit um die Asylpolitik nicht beigelegt – auch wenn sich Politiker beider Schwesterparteien sichtbar um versöhnliche Töne bemühen. Aus der CSU kommen weiterhin auch konfrontative Signale. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält nationale Maßnahmen an der deutschen Grenze weiterhin für notwendig – und durch den Brüsseler Beschluss gedeckt. Der Europäische Rat habe den Kurs der CSU bestätigt, europäische Lösungen und nationale Maßnahmen zu verbinden, sagte Dobrindt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wir sind bereit, das aufzugreifen und halten das weiterhin für notwendig". Ähnlich äußerte sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Alois Rainer im Deutschlandfunk.
"Wenn ich die Beschlüsse des EU-Gipfels und die Absichtserklärungen so sehe, und es auch in diesen Beschlüssen ermöglicht wird, Sekundärmigration zu unterbinden, dann ist meines Erachtens ein nationales Handeln noch notwendig."
Via "Bild"-Zeitung mischte sich auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in den Unionsstreit ein – und stärkte unerwartet Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücken. Österreich setze nun auf eine europäische Lösung. Sollte Deutschland - wie von Bundesinnenminister Horst Seehofer angedroht - seine Grenzen schließen, würde Österreich dies ebenfalls tun, betonte Kurz und warnte vor einem "Dominoeffekt". Unterstützung erhielt Seehofer dagegen vom Chef der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter. Die EU-Beschlüsse seien noch keine Lösung, sagte er im Deutschlandfunk.
"Und wenn unser Innenminister Seehofer nicht die starken Forderungen gestellt hätte, wäre es ja noch nicht einmal dazu gekommen. Die Sekundärmigration ist ja durch die Beschlüsse nicht gelöst worden, und das was unser Innenminister Seehofer fordert ist ja nichts anderes als die Umsetzung geltendenden Rechtes, die wir im September 2015 einfach außer Kraft gesetzt haben."
"Und wenn unser Innenminister Seehofer nicht die starken Forderungen gestellt hätte, wäre es ja noch nicht einmal dazu gekommen. Die Sekundärmigration ist ja durch die Beschlüsse nicht gelöst worden, und das was unser Innenminister Seehofer fordert ist ja nichts anderes als die Umsetzung geltendenden Rechtes, die wir im September 2015 einfach außer Kraft gesetzt haben."
Dominoeffekte durch nationale Alleingänge würden ihn nicht schrecken, das sei kein Chaos, sondern einzige effektive Maßnahme gegen die Wiedereinreise von bereits abgelehnten Asylbewerbern oder solchen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Unterdessen warnte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, CDU, die Schwesterpartei vor einseitigen Lösungen. Er appellierte an beide Seiten, sich an diesem Wochenende wieder zusammenzuraufen. "Die Ergebnisse des EU-Gipfels sind absolut ausreichend, um wieder zusammenzukommen in der Union.", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Außerdem forderte er den Bundesinnenminister erneut auf, seinen Masterplan zur Asylpolitik endlich vorzustellen.
Kontroversen aus dem Weg geräumt?
In der CDU sieht man nahezu übereinstimmend die Kontroversen mit der CSU durch die EU-Beschlüsse und die Arbeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Weg geräumt. Versöhnliche Töne gab es auch bei der CSU. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel sagte der "Augsburger Allgemeinen Zeitung", das Ergebnis biete eine gute Grundlage für eine gemeinsame Lösung im Unionsstreit, in dem jede Eskalation selbstzerstörerisch wäre. CSU-Vizevorsitzende Manfred Weber lobte Merkel ausdrücklich für ihre Arbeit in Brüssel, schränkte aber ein:
"Wir haben jetzt Absichtserklärungen, und diese Absichtserklärungen müssen in konkrete Vereinbarungen münden. Und deswegen ist mit dem Gipfel zwar Vieles erreicht worden und für Europa ein großer Schritt getan worden, aber die Kuh ist noch nicht vom Eis!"
Bundesinnenminister Seehofer schweigt bislang zu den Brüsseler Ergebnissen. Angela Merkel will heute CDU/CSU und SPD über den Gipfel informieren. Morgen werden die Parteigremien in getrennten Sitzungen beraten. Seehofer hatte der CDU bis zum 1. Juli Zeit gegeben, um auf europäischer Ebene Lösungen im Asylstreit zu erreichen.