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Koalitionsstreit
Angleichung der Ostrenten droht zu scheitern

Arbeitsministerin Andrea Nahles will die Ostrenten ans Westniveau angleichen und besteht darauf, dass die Mehrkosten aus dem Bundeshaushalt bestritten werden. Dem widersetzt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble. Dem Projekt droht deshalb das Aus.

Von Gerhard Schröder |
    Bundesfinanzminister Schäuble und Bundesarbeitsministerin Nahles sitzen im Plenum nebeneinander und unterhalten sich.
    Bundesfinanzminister Schäuble und Bundesarbeitsministerin Nahles (dpa/picture-alliance/Rainer Jensen)
    Es geht um Geld, um viel Geld im Streit um die Renteneinheit. In zwei Schritten will Arbeitsministerin Andrea Nahles die Ostrenten an das Westniveau angleichen, das kostet 1,8 Milliarden Euro pro Jahr bis 2020, dann 3,9 Milliarden Euro. Und die Frage ist: Wer soll das bezahlen? Für Arbeitsministerin Andrea Nahles steht fest:
    "Die Angleichung der Renten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
    So Nahles vor vier Wochen in Schwerin, wo sie ihre Pläne vorstellte. Soll heißen: Die Kosten müssen vom Steuerzahler, sprich, aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden, nicht aus der Rentenkasse. Diese Haltung hat Nahles nun bekräftigt. Auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Markus Kurth, welche Auswirkung es hätte, wenn die Rentenkasse die Kosten übernehmen würde, antwortete Nahles knapp und bündig: Entsprechende Berechnungen liegen der Bundesregierung nicht vor, da diese Maßnahme nicht geplant ist.
    Der Gesetzentwurf von Nahles liegt vorerst auf Eis
    Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht das allerdings ganz anders. Er will die Zusatzausgaben für die Renteneinheit nicht aus dem Bundeshaushalt bezahlen. Deshalb liegt der Gesetzentwurf von Nahles nun vorerst auf Eis. Oder genauer gesagt: Im Bundeskanzleramt. Angela Merkel hat den Entwurf noch nicht freigegeben für die Ressortabstimmung.
    "Wir haben das Thema nicht unter den vorrangigen Finanzbedarf gestellt, das heißt, die Finanzierung war noch nicht gesichert zum Zeitpunkt der Abmachung im Koalitionsvertrag", so Merkel Ende Juli zur Frage der Finanzierung.
    Jetzt machen die Sozialdemokraten Druck. Die Kanzlerin steht hier in der Pflicht, sagte Familienministerin Manuela Schwesig heute bei einer Wahlveranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern. "Es kann nicht sein, dass der Finanzminister die Sache wieder infrage stellt." Auch der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs fordert ein Machtwort der Kanzlerin:
    "Das ist ja eine gesellschaftlich gewollte Aufgabe, dass man überall gleiche Renten hat. Deswegen finden wir, statt das jetzt noch über ewige Jahre hinzuziehen, macht man das jetzt sehr schnell, kriegt eine vernünftige Lösung."
    Verlierer wären die derzeit Beschäftigten in Ostdeutschland
    Unterstützung erhält Nahles auch von den Grünen. Bei der Renteneinheit handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Kosten sind daher vom Bund zu tragen, sagte Markus Kurth der "Berliner Zeitung".
    Derzeit liegt das Niveau der Ostrenten bei knapp 95 Prozent der Westrenten. Das will Nahles ausgleichen, im Gegenzug soll allerdings die rechnerische Höherwertung der Ost-Gehälter um 14 Prozent gestrichen werden.
    "Größere Ungerechtigkeit ist auf Dauer gesehen, wenn es unterschiedliches Rentenrecht in Ost und West gibt. Und wir können nicht Nachteile abschaffen, aber alle Vorteile behalten."
    Verlierer wären also die derzeit Beschäftigten in Ostdeutschland. Auch dagegen regt sich Widerstand. Diese Pläne werden so nie durchgehen, kündigte Arnold Vaatz, der Sprecher der ostdeutschen Abgeordneten in der Union schon vor einigen Wochen an. Jeder, der an der heutigen Regelung herumschraubt, richtet Unheil an, sagte Vaatz. Das allerdings würde bedeuten, dass die Ostrenten noch lange unter dem Westniveau liegen werden.