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Koalitionsstreit
"Sehe kein zerstörtes Vertrauen"

In der Großen Koalition könne man sich weiterhin "vertrauensvoll" zusammensetzen, sagte SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer im Deutschlandfunk. Einen Rücktritt des Fraktionschefs Thomas Oppermann nach dem Fall Edathy schloss er aus.

    Der SPD-Fraktionsvize und Sprecher der NRW-Landesgruppe Axel Schäfer
    SPD-Fraktionsvize und Sprecher NRW-Landesgruppesprecher Axel Schäfer (Pressefoto) (SPD-Pressefoto)
    Silvia Engels: Agrarminister Friedrich hat wegen seines Tipps an die SPD in der Affäre Edathy sein Amt verloren. Die CSU attackiert nun die SPD, die eine vertrauliche Information öffentlich werden ließ. Die Große Koalition steckt in einer schweren Vertrauenskrise. Wie die SPD-Spitze damit umgeht, ist noch etwas unklar. Für heute früh haben wir niemanden aus dem engsten Führungskreis der SPD zum Interview gewinnen können, aber aus der erweiterten Führungsspitze der SPD-Fraktion, nämlich Axel Schäfer, Fraktionsvize in Berlin und NRW-Landesgruppenchef. Guten Morgen, Herr Schäfer.
    Axel Schäfer: Schönen guten Morgen.
    Engels: Können Sie den Ärger der CSU verstehen?
    Schäfer: Ich verstehe, dass sich eine Partei ärgert, wenn ein Minister zurückgetreten ist, und auch die SPD bedauert, dass Herr Friedrich sein Amt abgegeben hat.
    Engels: Gegen einen SPD-Politiker wird möglicherweise ermittelt. Ein CSU-Mann warnt, um möglichen Schaden für die SPD-Personalplanung abzuwenden, und muss dafür zurücktreten, weil Herr Oppermann das Ganze öffentlich gemacht hat. Muss Herr Oppermann sich da doch Schuld zurechnen lassen?
    Schäfer: Nein! Thomas Oppermann wollte in dieser Angelegenheit die ganze Wahrheit auf den Tisch legen und es gibt nun mal Situationen, wo es außergewöhnlich schwierig ist, schon 100 Prozent im Vorhinein zu sagen, ist mein komplettes Handeln richtig, und es hat sich ja auch gezeigt, dass das Verhalten von Herrn Friedrich von Rechtsprofessoren einmal so und einmal genau gegenteilig gewürdigt wurde.
    Engels: Thomas Oppermann hat aber auch erklärt, er habe auch BKA-Chef Ziercke in dieser Sache angerufen, um Näheres über mögliche Ermittlungen gegen Edathy zu erfahren. CDU-Innenpolitiker Bosbach und andere sagen nun, allein das sei die Anstiftung gegenüber Ziercke gewesen, ein Dienstgeheimnis preiszugeben, und schon das sei strafbewehrt. War das ein Fehler?
    Schäfer: Nein. Thomas Oppermann hat sich dazu ja auch in der Presse erklärt und es ist völlig spekulativ, dass jetzt zehn Juristen über zehn verschiedene Möglichkeiten reden, was strafbewehrt ist oder nicht.
    Engels: Wie wollen Sie denn der Union entgegenkommen, um hier wieder Vertrauen aufzubauen?
    Schäfer: Ich habe persönlich mit meinen Kollegen in der Union, mit denen ich vertrauensvoll zusammenarbeite, also auf der Ebene der stellvertretenden Vorsitzenden, sofort in dieser Angelegenheit auch gesprochen, so wie wir das regelmäßig in unserer Arbeit tun. Ich habe bisher keinen Fall in der Koalition erlebt, wo man nicht vertrauensvoll miteinander umgegangen ist, und man wird sich jetzt zusammensetzen, das ist auch richtig so, seitens der Koalitionsspitze, nämlich morgen, und ich glaube, dann werden wir einen wichtigen Schritt auch nach vorne tun.
    Engels: Wie erleben Sie denn jetzt die Reaktion der Union? Ist auch auf der gerade von Ihnen erwähnten Arbeitsebene Vertrauen zerstört?
    Schäfer: Ich habe das nicht feststellen können. Wir sitzen hier in jeder Plenarwoche zusammen, wir stimmen das ab, was wir uns vorgenommen haben, wir reden über die Umsetzung des Koalitionsvertrages und ich sehe kein zerstörtes Vertrauen.
    Engels: Jetzt redet die CSU sehr viel über Herrn Oppermann. Aber hätte nicht SPD-Chef Gabriel die Information über Edathy allein für sich behalten müssen?
    Schäfer: Sehen Sie, wenn in einer Partei in einer Führung nicht nur einer entscheidet, dann muss man auch in der Umsetzung von Politik natürlich auch immer mehrere beteiligen. Natürlich muss ein Kreis, wenn es sehr, sehr schwierig ist, wenn es um wirklich problematische Dinge geht, auch manchmal eng gehalten werden. Aber dass das der Vorsitzende immer alleine bei Schwierigkeiten mit sich ausmachen kann, das halte ich politisch für falsch. Ich glaube auch, das ist lebensfremd.
    "Ich schließe einen Rücktritt von Thomas Oppermann aus"
    Engels: Sie sagen, es muss eng gehalten werden, wer informiert ist. Aber offenbar war der Kreis ja nicht eng genug?
    Schäfer: Ja! Aber der Kreis, der nicht eng genug war aus Ihrer Sicht, waren 16 Landeskriminalämter und und und, und das war sicherlich nicht Verantwortung von Sigmar Gabriel.
    Engels: Zur Vertrauensbildung fordert Armin Laschet von der CDU nun, dass alle eingeweihten SPD-Politiker eine eidesstattliche Erklärung abgeben sollen, dass sie Herrn Edathy nicht gewarnt haben. Sind Sie einverstanden?
    Schäfer: Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was so eine eidesstattliche Erklärung bezwecken sollte. In der Politik kommt es darauf an, dass man jeden Tag wieder aufs Neue zusammenarbeitet und das auch, indem man sich in die Augen guckt, umsetzt, was man sich versprochen hat. Eidesstattliche Erklärungen helfen da überhaupt nicht.
    Engels: Welche anderen vertrauensbildenden Maßnahmen schlagen Sie denn vor, wenn die CDU aber nun genau das will?
    Schäfer: Es gibt dazu keinen offiziellen CDU-Beschluss. Es gibt morgen die Sitzung des Koalitionsausschusses und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man genau auch an diesem Termin, also in sehr, sehr kurzer Zeit nach dem Rücktritt von Minister Friedrich, gut und offen miteinander redet.
    Engels: Schließen Sie einen Rücktritt von Thomas Oppermann aus?
    Schäfer: Ich schließe einen Rücktritt von Thomas Oppermann aus.
    Engels: Herr Schäfer, nun stellt sich ja auch die Frage, wie dieses Gerücht um Sebastian Edathy innerhalb der SPD-Fraktion die Runde macht. Hatten Sie schon vor Februar Kenntnisse zu einem möglichen Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Edathy?
    Schäfer: Ich hatte überhaupt keine Kenntnisse und was in der SPD-Fraktion bei 193 Mitgliedern die Runde macht, bitte bei allem Verständnis, das kann auch ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender nicht immer wissen.
    Engels: Da haben wir Verständnis. Aber wie wollen Sie dann in Zukunft weitermachen, wenn Vertraulichkeit ja offenbar das ist, was der Koalitionspartner als unzureichend bemängelt?
    Schäfer: Es war eine außergewöhnliche, schwierige Situation für den Minister Friedrich. Was er macht, konnte vielleicht falsch sein. Sagt er was, könnte es falsch sein, sagt er nichts, könnte es falsch sein. Deshalb ist es im Nachhinein manchmal sehr einfach zu sagen, hätte man alles anders machen können. Aber so eine Situation wie in diesem Fall hat man auch vielleicht nur einmal in zehn Jahren in der Politik, und das kann dann auch mal schwierig werden.
    Engels: Das heißt, Sie werden Ihren Koalitionspartnern von der Union künftig weiterhin vertrauliche Dinge weiterleiten?
    Schäfer: Ich werde auch mit meinem Kollegen, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, so wie bisher vertrauensvoll zusammenarbeiten und ich sehe auch gar nicht, dass das auf der anderen Seite nicht genauso gesehen wird.
    Engels: Fürchten Sie die Rache der CSU?
    Schäfer: Wir reden in der Politik über künftige Arbeiten und nicht über Rache.
    Engels: Künftige Arbeiten ist aber ein gutes Stichwort. Dieses ganze Thema hat ja auch die Frage aufgeworfen, ob Politiker es mit Dienstgeheimnissen oder so nicht so genau nehmen, wenn es politisch wichtig genug ist. Müssen wir uns daran gewöhnen, dass da unter drei oder hinter verschlossenen Türen frei geredet wird, auch wenn es vielleicht ein Rechtsverstoß ist?
    Schäfer: Nein. Politiker begehen bewusst keine Rechtsverstöße, genau wie das fast alle anderen Menschen auch tun.
    Engels: Axel Schäfer war das. Er ist Fraktionsvize der SPD in Berlin und der Landesgruppenchef von Nordrhein-Westfalen. Vielen Dank für das Interview.
    Schäfer: Ich danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.