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Bloß nicht wieder so viel Streit wie mit der Ampelregierung, diese Hoffnung wird mit einer neuen Koalition nach der Bundestagswahl verbunden. Doch das dürfte nicht leicht werden: Die Koalitionsoptionen sind den Umfragen zufolge wohl eher beschränkt. Und die großen Streit-Themen der Ampelregierung - Schuldenbremse und Haushaltspolitik - könnten bei schwarz-rot-grünen Koalitionsverhandlungen für ähnlich viel Zank sorgen wie in der Ampelregierung.
Zwar sagte Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck im Wahlkampf: „Ich bin fest davon überzeugt: Man kann große inhaltliche Differenzen überbrücken, wenn die Menschen vertragsfest sind, absprachefest, nicht versuchen, in der Regierung gegen die Regierung zu arbeiten."
Doch sollten Union, SPD und möglicherweise die Grünen über eine Regierungskoalition verhandeln, was angesichts der derzeitigen Umfragen naheliegt, gibt es Themen, die für einige Kontroversen sorgen dürften. Einige Beispiele.
Inhalt
- Ist ein Kompromiss in der Migrationspolitik erreichbar?
- Investitionen, Steuersenkungen oder Prämien: Wirtschaft ankurbeln – aber wie?
- Haushaltsfinanzierung: Geht der Streit um die schwarze Null weiter?
- Sozialpolitik: Schwarz, Grün und das Bürgergeld
- Klimaschutz und Energiewende: Streit ums Verbrenner-Aus
Nach den Angriffen in Magdeburg, Aschaffenburg und München dominierte die Migrations- und Asylpolitik den Wahlkampf – und hier könnte es auch in den kommenden Koalitionsverhandlungen einigen Streit geben.
Vor allem die CDU drängte auf eine extreme Verschärfung und legte dazu einen äußerst umstrittenen Fünf-Punkte-Plan vor: Er sieht dauerhafte Grenzkontrollen, Zurückweisungen an den Grenzen, einen zeitlich unbefristeten Arrest für ausreisepflichtige Straftäter sowie den Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte vor.
Merz‘ Vorschläge sorgten bei Menschenrechtsorganisation, der Kirche und auch bei der ehemaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel für Kritik. Auch stoßen sie an rechtliche Grenzen und sind teilweise schwer realisierbar. So sind dauerhafte Grenzkontrollen aufgrund des Schengener Grenzkodex‘ nicht zulässig und auch die Zurückweisungen an den Grenzen schwer mit EU-Regelungen und Flüchtlingskonventionen vereinbar. Die dauerhaften Grenzkontrollen seien außerdem einfach „nicht umsetzbar“, sagt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Man habe das nötige Personal nicht.
Merz hatte mehrfach betont, dass er bei seinem Vorschlag nicht zu Kompromissen bereit sei. Politische Beobachter mutmaßten deswegen zwischenzeitlich, dass eine Koalition zwischen Union und Bündnis 90/Die Grünen keinesfalls mehr möglich sei. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck legte einen Acht-Punkte-Plan vor, der als Verhandlungsangebot an CDU/CSU gewertet werden konnte. Er enthielt derart scharfe Passagen, dass er parteiintern für Kritik sorgte und schließlich als gemäßigtere Zehn-Punkte-Variante auf den Verhandlungstisch kam.
Darin fordern die Grünen unter anderem eine „Vollstreckungsoffensive für Haftbefehle“, mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden, insbesondere die Bundespolizei. Außerdem sollen ausländische Gefährder abgeschoben werden und Asylverfahren beschleunigt werden. Viel weiter wird Realo Robert Habeck aber wohl nicht gehen können, ohne die Zustimmung des linken Flügels der Partei zu verlieren.
Auch die SPD zeigte sich gesprächsbereit und offen für gemeinsame Beschlüsse in der Migrationspolitik, auch noch vor der Wahl. Die Vorlagen zur Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems, zu erweiterten Befugnissen der Sicherheitsbehörden und einer Reform des Bundespolizeigesetzes lägen „beschlussreif im Bundestag“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz.
Investitionen, Steuersenkungen oder Prämien: Wirtschaft ankurbeln – aber wie?
Die Wirtschaft soll gestärkt werden – da sind sich alle drei Parteien einig. Aber die Frage ist: Wie? Die Union setzt auf milliardenschwere Steuererleichterungen für Bürger und Unternehmen.
Die Konzepte von Rot und Grün unterscheiden sich da stark von der CDU/CSU. Für Bündnis 90/Die Grünen heißt die Lösung: staatliche Investitionen und eine Investitionsprämie von zehn Prozent für Unternehmen.
Auch die SPD setzt auf Boni für Unternehmen, die investieren. Außerdem soll ein „Deutschlandfonds“ geschaffen werden, der sich aus privatem und öffentlichem Kapital zusammensetzt und mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Er soll ebenfalls dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Haushaltsfinanzierung: Geht der Streit um die schwarze Null weiter?
Um ihre Investitionspläne zu finanzieren, plädieren die Grünen für eine Reform der Schuldenbremse. Auch die SPD spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine Reform aus. Die Union möchte dagegen an der Schwarzen Null festhalten. Der Streit um die Schuldenbremse, der zum Zerbrechen der Ampel-Koalition beigetragen hat, könnte sich also auch in der neuen Regierung fortsetzen.
Wie CDU und CSU ihre Steuererleichterungen dagegen finanzieren wollen, bleibt eher vage: Sie rechnen damit, dass ein höheres Wirtschaftswachstum ausreichend Geld in die Staatskassen bringt – außerdem setzen sie auf Einsparungen beim Bürgergeld und bei Flüchtlingen.
Sozialpolitik: Schwarz, Grün und das Bürgergeld
Auch das Bürgergeld könnte in den Koalitionsverhandlungen noch zum Thema mit Sprengkraft werden – vor allem zwischen Union und den Grünen. Die Grünen befürworten das Bürgergeld und wollen es so beibehalten. CDU und CSU wollen das Bürgergeld dagegen durch eine „Neue Grundsicherung“ mit verschärften Sanktionsmöglichkeiten ersetzen. „Wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen, muss der Staat davon ausgehen, dass er nicht bedürftig ist. Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden“, heißt es im Wahlprogramm von CDU und CSU.
Auch die SPD gibt in ihrem Wahlprogramm an, am Bürgergeld festhalten zu wollen. Vereinzelt zeigt sich aber die Bereitschaft, auf die Unionsparteien zuzugehen. Ende 2024 hatte SPD-Fraktionschef Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt, er halte es für richtig, „nicht durchgehen zu lassen, wenn jemand das System ausnutzt. Sollten wir Gelegenheit dazu haben, würden wir in einer neuen Regierung nachsteuern.“ Aus der eigenen Partei hatte er dafür viel Kritik eingesteckt.
Klimaschutz und Energiewende: Streit ums Verbrenner-Aus
Der Klimaschutz hat im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Trotzdem zeichnen sich hier zumindest zwischen Union und Grünen sehr deutliche Differenzen ab. Drei Tage vor der Wahl gibt Robert Habeck bekannt: Das Verbrenner-Aus ist eine Bedingung für eine grüne Regierungsbeteiligung. CSU-Chef Markus Söder stellt sich dagegen strikt gegen ein Verbrennerverbot – und wiederholte, was er bereits vielfach im Wahlkampf betont hatte: Ein Schwarz-Grünes-Bündnis sei nicht möglich.
lkn