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Koalitionsverhandlungen
Endspurt in Berlin

Union und SPD wollen bei den Koalitionsverhandlungen die letzten großen Streitpunkte aus dem Weg räumen. Geplant ist, dass der Koalitionsvertrag am Mittwoch steht. Doch die CSU meldet Zweifel an, ob der Zeitplan eingehalten werden kann.

    CDU, CSU und SPD läuten die wohl entscheidenden Verhandlungsrunden zur Bildung einer Großen Koalition ein. 15 Spitzenpolitiker der drei Parteien beraten in der Berliner CDU-Parteizentrale erstmals auch über einen Gesamtentwurf des Koalitionsvertrages.
    CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt schloss Verzögerungen im Zeitplan nicht aus. "Wir sind mitten in der zweiten Halbzeit der Koalitionsverhandlungen. Vielleicht müssen wir sogar in die Verlängerung", sagte Dobrindt der "Bild"-Zeitung.
    Dem widersprach SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Es werde "keine Verlängerung" geben, sagte sie dem Sender N24. Zur Begründung verwies sie auf den Zeitplan für das SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag: "Da gibt es nach hinten keinen Spielraum."
    Optimismus trotz vieler offener Punkte
    Mehrere Dutzend Themen gelten zwischen Union und SPD weiterhin als strittig. Darunter sind etwa der Mindestlohn, die abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren und die Entlastung der Kommunen.
    Beide Seiten äußerten sich optimistisch, zu einer Einigung zu kommen. Dobrindt sagte, er stelle sich auf eine Große Koalition ein. Ähnlich äußerte sich SPD-Präsidiumsmitglied Martin Schulz. Die Sozialdemokraten hätten zwar "einige Kröten schlucken müssen", etwa die Ablehnung eines europäischen Schuldentilgungsfonds durch die Union, sagte der EU-Parlamentspräsident der "Passauer Neuen Presse". Dafür bekäme die SPD "den einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, eine bessere Finanzmarktregulierung, mehr Geld für Bildung, die doppelte Staatsbürgerschaft". Auch auf anderen Gebieten könne die SPD ihre Positionen durchsetzen. "Das kann sich sehen lassen", so Schulz.
    Gesetzlicher Mindestlohn

    Ein gesetzlicher Mindestlohn definiert die Untergrenze der Bezahlung für abhängig Beschäftigte. Diese Untergrenze darf kein Arbeitgeber unterschreiten. Eine Mindestlohnregelung kann sich sowohl auf einen Stundensatz als auch auf einen Monatslohn bei Vollzeitbeschäftigung beziehen. Deutschland gehört innerhalb der EU zu den wenigen Ländern, die bisher keinen gesetzlichen Mindestlohn haben.

    Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung
    Merkel: Mindestlohn könnte Arbeitsplätze kosten
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte nochmals ihre Bereitschaft zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. "Es wird - wenn es zu erfolgreichen Koalitionsverhandlungen kommt - zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn kommen", sagte Merkel in Frankfurt am Main auf einem Kongress der Gewerkschaft IG Metall. Über die Modalitäten verhandelten die Parteien aber noch. Die Kanzlerin betonte, die Einführung eines Mindestlohns sei nicht der Plan der CDU gewesen. Sie habe nun die Sorge, "dass das auch Arbeitsplätze kosten" könne. Jedoch hoffe sie, dies verhindern zu können.
    Nach derzeitiger Planung tagt morgen Abend ein letztes Mal die große Verhandlungsrunde mit rund 75 Politikern. Voraussichtlich am Mittwoch soll dann der Koalitionsvertrag fertig sein. Kommt es wie erwartet zur Einigung, muss noch die SPD-Basis einem Koalitionsvertrag zustimmen. Der CSU-Vorstand will am Freitag entscheiden, ein kleiner CDU-Bundesparteitag am 9. Dezember.