Koalitionsverhandlungen
Die Pläne von CDU und Grünen in Schleswig-Holstein

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen in Schleswig-Holstein laufen. Beide Parteien haben sich schon auf grobe Eckpunkte für ein mögliches Bündnis geeinigt. Was steht drin im Sondierungspapier? Eine Übersicht.

    Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Monika Heinold, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein und Aminata Touré, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein, geben nach Sondierungsgesprächen beider Parteien ein gemeinsames Statement ab.
    Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Monika Heinold, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein und Aminata Touré, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein, geben nach Sondierungsgesprächen beider Parteien ein gemeinsames Statement ab. (picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt)
    Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai hat die CDU die absolute Mehrheit nur um einen Sitz verfehlt. Obwohl den Christdemokraten damit auch nur ein weiterer Regierungspartner ausgereicht hätte, hatte der bisherige und wohl auch künftige Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zunächst versucht, eine Fortsetzung der seit 2017 regierenden Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP zu ermöglichen. Darauf konnten sich Grüne und FDP bei Sondierungsgesprächen aber nicht einigen.
    Am 24. Mai haben sich CDU und Grüne, die als zweitstärkste Partei aus der Wahl hervorgegangen sind, auf ein Sondierungspapier verständigt. Auf dessen Grundlage finden seit dem 26. Mai Koalitionsverhandlungen statt.
    Der Zeitplan ist straff: Bis zum 22. Juni wollen Grüne und CDU einen Koalitionsvertrag vorlegen, der am 27. Juni auf Parteitagen abgesegnet und am Tag darauf offiziell unterschrieben werden soll. Am 29. Juni würde dann die Wahl des Ministerpräsidenten stattfinden.
    Das bisherige Sondierungspapier wurde bislang (Stand 3. Juni 2022) nur von den Grünen veröffentlicht und erläutert allenfalls wenige Einzelmaßnahmen zu den unterschiedlichen Themenfeldern. In dem Dokument sei der Geist einer schwarz-grünen Koalition festgehalten worden, sagte der amtierende Ministerpräsident Günther.
    Auch ohne (oder vielleicht wegen) bislang fehlender Detailschärfe ist klar, dass beide Parteien neben durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten auch ein ordentliches Maß an Kompromissbereitschaft mitbringen müssen, um einen Koalitionsvertrag auf die Beine zu stellen.

    Klimaschutz, Energiewende und Biodiversität

    Das Papier benennt Schleswig-Holstein als das „Energiewendeland Nummer Eins“.
    „Wir wollen das erste klimaneutrale Industrieland werden und unsere Klimaziele schon früher als bisher geplant erreichen“, heißt es in dem Dokument. Dafür sollen unter anderem weitere Flächen für die Windkraft bereitgestellt werden.
    Genau darin – in den „weiteren Flächen“ – könnte allerdings Konfliktpotenzial zwischen beiden Parteien liegen. Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU fordert, sich bei der Frage des Windkraftzubaus im Rahmen der existierenden Regionalpläne zu bewegen. In den Plänen ist festgehalten, dass zwei Prozent der Landesfläche in Schleswig-Holstein grundsätzlich für Windkraft zur Verfügung stehen. Die grüne Spitzenkandidatin Monika Heinold spricht sich hingegen dafür aus, künftig immerhin drei Prozent der Fläche zu nutzen. Nur so könnten die Ausbauziele noch erreicht werden.
    Obwohl sich im nördlichsten Bundesland schon seit vielen Jahren tausende Windräder an der Küste drehen, wurden in Schleswig-Holstein in der kompletten vergangenen Legislaturperiode keine neuen Anlagen errichtet. Hintergrund: 2015 hatte ein Gericht die Regionalpläne wegen verschiedener Verfahrensfehler für ungültig erklärt. Alleine die Neuentwicklung dauerte fünfeinhalb Jahre.  
    Eine weitere Hürde auf dem Weg zum Koalitionsvertrag dürfte der Streit um Abstandsregelungen zwischen Windrädern und Wohnhäusern sein: Während die CDU – und früher auch die FDP – die Abstände möglichst großen halten möchte (in Abhängigkeit zur Windrad-Höhe bis zu 1.000 Meter), sehen die Grünen dadurch den quantitativen Ausbau eher gefährdet.
    Des Weiteren, so legt das Papier nahe, haben die potenziellen künftigen Regierungspartner ein Hindernis identifiziert, das den Fortschritt der Energie- und der Verkehrswende bislang zu sehr bremse: zu langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren.
    Infrastrukturprojekte sollen schneller umgesetzt werden können, die Verfahren künftig zudem einfacher und digital werden.
    Mit Blick auf die Abdeckung des ÖPNV in Schleswig-Holstein kündigen die Grünen im Sondierungspapier eine Mobilitätsgarantie an. Das Ziel: Alle Orte von morgens bis abends erreichbar machen. Dafür setze man auf vernetzte Mobilitätskonzepte, heißt es – und außerdem: „Wir werden die landesweiten, günstigen ÖPNV-Tickets für junge Menschen ausweiten. Wir wollen die E-Mobilität stärken. Schienen, Straßen und Radwege sind wichtige Verkehrsadern in unserem Land, die wir auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Industrieland weiterentwickeln werden.“
     Zudem möchte die künftige Landesregierung dem Artensterben entgegenwirken und eine Biodiversitätsstrategie ausarbeiten. Angekündigt wird: „Wir werden die Bedeutung der Meere, Moore und Wälder für den Arten- und Klimaschutz verstärkt in den Blick nehmen.“

    Bildung

    „Jedes Kind soll die besten Chancen unabhängig vom Einkommen der Eltern erhalten“, heißt es in dem Sondierungspapier. Die Rede ist von „hervorragendem Unterricht in modern und digital ausgestatteten Schulen“.
    Es soll außerdem mehr Fachkräfte an Kitas geben und die Rahmenbedingungen für die dortige Ausbildung verbessert werden. Mit welchen Maßnahmen das erreicht werden soll, bleibt hier und an weiteren Stellen des Dokuments bislang offen.
    In ihren Wahlprogrammen versprachen die Grünen zum Beispiel eine Ausbildungsplatzgarantie, die CDU mehr Unterrichtsstunden für die Grundschule.
    Was in den Wahlprogrammen nahezu aller Parteien allerdings fehlte, und worauf auch im Sondierungspapier nicht eingegangen wird: das 2026 bundesweit und schrittweise in Kraft tretende Ganztagsangebot für Eltern ab Klasse eins.
    „Da muss man doch jetzt auch das Konzept überlegen! Welche Fachkräfte sollen denn da hin? Und wer zahlt denn die Fachkräfte“, kritisierte Astrid Henke, Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, im Deutschlandfunk.

    Sicherheit und Rechtsstaat

    Unter Schwarz-Grün soll ein Schwerpunkt auf die Bekämpfung neuer Formen der Kriminalität gelegt werden. Unter anderem, um gegen Hetze im Internet vorzugehen, plant die CDU den Aufbau einer sogenannten Cyber-Hundertschaft. Ebenfalls verkündet die Landes-CDU auf ihrer Webseite: „Wir setzen uns mit der Onlinedurchsuchung, der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und der Vorratsdatenspeicherung für zeitgemäße Befugnisse unserer Landespolizei zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität ein.“
    Vor allem diese drei Instrumente und Methoden dürften die Grünen nicht ohne Weiteres durchwinken. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt sagte Aminata Touré von den Grünen:
    „Wir lehnen Quellen-TKÜ, Onlinedurchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung ganz klar ab. Nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil es entsprechende Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH gegeben hat. Es gibt juristische Erklärungen, warum das so nicht geht. In den Koalitionsverhandlungen sprechen wir aber über das Ziel hinter den Maßnahmen.“

    Wohnen und Bauen

    Auch in Schleswig-Holstein gilt die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum als eine der dringendsten sozialen Fragen unserer Zeit. Ziel seien für Grüne und CDU bezahlbare Mieten und der vergünstigte Erwerb von Wohneigentum, heißt es im gemeinsamen Papier.
    Die Realität ist aber, dass die CDU Maßnahmen wie Mietpreisbremse oder Mietendeckel in ihrem Wahlprogramm als „pauschale und grobe Instrumente“ ablehnt, während die Grünen beides wieder einführen möchten. Auch hier dürfte es also Redebedarf geben.

    Digitalisierung, Wirtschaft und Arbeit

    „Wir wollen den Weg zum mittelstandsfreundlichsten Land fortsetzen“ lautet eine Ankündigung der potenziellen Koalitionspartner. Dabei soll zum Beispiel der schnelle flächendeckende Breitbandausbau helfen sowie „die Digitalisierung in allen Bereichen“. Der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein soll sich nicht zuletzt durch die Produktion von erneuerbarer Energie definieren.
    Im Sondierungspapier findet sich zudem der Satz: „Die Tarifbindung werden wir stärken.“
    Beachtenswert: Während die Grünen sich in ihrem Wahlprogramm „für die Tariftreue und gegen die Unterwanderung der Tarifbindung“ aussprechen, fordert die CDU ausschließlich die Stärkung der Tarifautonomie – „zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit“.
    Quellen: jma, Grüne Schleswig-Holstein, CDU Schleswig-Holstein, Jörn Schaar, dpa, ndr.de, Abendblatt.de