Für den Bereich Finanzen wurde ein gemeinsames Papier bekannt, das den Vorrang der Haushaltskonsolidierung betont. Die Ausgabenwünsche sollen in der kommenden Woche bei den Schlussverhandlungen von 50 auf unter zehn Milliarden Euro gedrückt werden. Ab 2015 wollen Union und SPD im Bund zudem ohne neue Schulden auskommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief beide Seiten zum Kompromiss auf. "Auch ich werde Sachen zustimmen müssen, die ich von Haus aus nicht für richtig gehalten habe", sagte sie bei einem Führungskräftetreffen der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin.
Unterschiedliche Auffassungen zur Finanzierung der Krankenkassen
Deutliche Differenzen gibt es auch bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Union will die Zusatzbeiträge, die die Kassen erheben dürfen, beibehalten. Die SPD will hingegen weg von den pauschalen hin zu einkommensabhängigen Zusatzbeiträgen und strebt darüberhinaus generell eine Rückkehr zur paritätischen GKV-Finanzierung an - was eine Mehrbelastung für die Arbeitgeber bedeuten würde. Merkel sagte bei der Wirtschaftstagung jedoch zu, dass es in der Krankenversicherung bei der Entkoppelung der Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bleiben werde. Die Arbeitgeberbeiträge wurden unter Schwarz-Gelb eingefroren.
Union und SPD vermieden erneute Schärfe in ihren Äußerungen. Sie betonten vielmehr, dass ihnen an einem Erfolg der Koalitionsverhandlungen gelegen sei. Spätestens am kommenden Mittwoch soll der Koalitionsvertrag stehen. "Ich glaube, wir können es schaffen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Aber es wird noch ein sehr harter, sehr steiniger Weg." SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht noch viele Hindernisse: "Das sind noch schwierige Brocken, die da aus dem Weg zu räumen sind."
Rente und Pkw-Maut weiter umstritten
Dobrindt betonte die Knackpunkte für seine Partei: "Die Mütterrente muss kommen, die Pkw-Maut für Ausländer muss kommen." Eine Besserstellung der Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern ist umstritten, weil die SPD die Finanzierung der dafür nötigen 6,5 Milliarden Euro aus der Rentenkasse ablehnt. Die SPD will ihrerseits die abschlagfreie Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren durchsetzen - was mit etwa fünf Milliarden Euro zu Buche schlüge. Dazu äußerte sich auch Angela Merkel skeptisch. Es müsse darauf geachtet werden, "dass die Rente mit 67 nicht zerlöchert wird".
SPD besteht auf doppelter Staatsbürgerschaft
Die Forderung der SPD nach der doppelten Staatsbürgerschaft bleibt derweil ein großer Streitpunkt, auch wenn die Sozialdemokraten eine Kompromisslinie in einer Detailfrage angedeutet haben. "Das muss sich auch im Koalitionsvertrag wiederfinden", sagte die SPD-Unterhändlerin Aydan Özoguz. Am Ende müsse die Optionspflicht abgeschafft und die Mehrstaatigkeit ermöglicht werden. "Sonst wird es wirklich ganz eng." Wer in Deutschland geboren ist und ausländische Eltern hat, bekommt bislang demnach zwar die deutsche Staatsangehörigkeit, muss aber bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem seiner Eltern wählen. Dies betrifft überwiegend junge Menschen mit türkischen Wurzeln. Die Union lehnt eine Abschaffung dieser Regelung bislang ab.
Denkbar sei aber laut SPD, die Möglichkeit eines späteren "Generationenschnitts" zu prüfen. Demnach würde jemand etwa nach zwei oder drei Generationen nicht mehr automatisch mehrere Staatsbürgerschaften bekommen. Unions-Vertreter reagierten zurückhaltend. Der amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprach immerhin von einer "plausiblen Idee", wies aber auf die schwierige Umsetzbarkeit hin. Özoguz leitet bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union die Unter-Arbeitsgruppe zu Migration und Integration - gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU).
Merkel: Keine Koalition ohne Mindestlohn
Merkel machte derweil deutlich, dass für die SPD der gesetzliche Mindestlohn unverzichtbar sei. "Eine reale Betrachtung der Situation erklärt sehr schnell, dass die Sozialdemokraten aus diesen Verhandlungen nicht herausgehen werden, ohne einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zu bekommen", sagte Merkel. Die Union werde aber versuchen, den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Der Mindestlohn bleibt öffentlich umstritten. BDI-Präsident Ulrich Grillo kritisierte die wohl bevorstehende Einführung im Deutschlandfunk, während der Gewerkschafter Armin Schild, der für die SPD an den Koalitionsverhandlungen beteiligt ist, den Mindestlohn als wirksame Maßnahme gegen Niedriglöhne verteidigt. Kritik der Wirtschaft an einzelnen Vorhaben von Union und SPD wies Merkel mit den Worten zurück: "In anderen Konstellationen könnte noch etwas Schlechteres herauskommen."