Kindergrundsicherung, 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen jährlich, Investitionen in den Klimaschutz und in die digitale Infrastruktur – die Liste der kostenintensiven Vorhaben von SPD, Grünen und FDP ließe sich verlängern.
Auf der anderen Seite ist die Haushaltslage der öffentlichen Kassen nach fast zwei Jahren Pandemie äußerst angespannt. Deutlich mehr als 400 Milliarden Euro neue Schulden hat die Bundesregierung wegen der Coronakrise aufgenommen. Dazu wurde die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt - 2023 soll sie wieder greifen.
Welche Finanzaussagen finden sich im Koalitionsvertrag?
Der Koalitionsvertrag bleibt bei Finanzaussage recht unkonkret. Lediglich bei zwei Posten werden Beträge genannt. So soll es einen einmaligen Pflegebonus geben, der mit einer Milliarde Euro veranschlagt wird. Dieser soll an das Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ausgezahlt werden, um ihre Leistungen in der Pandemie zu würdigen.
Zum anderen ist geplant, die staatliche Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln mit einem Kapitalstock von 10 Milliarden Euro auszustatten. Mit diesem Geld soll ein Fond aufgelegt werden, der dann einen Teil der Kapitaldeckung des deutschen Rentensystems sichern soll.
Welche Finanzierungsmöglichkeiten hat die Ampel?
Im Koalitionsvertrag schreiben die Ampel-Parteien zwar nicht mehr explizit fest, dass es keine Steuererhöhungen geben wird. Mit der FDP dürfte dies dennoch schwer zu machen sein. Zudem soll aber 2023 wieder die Schuldenbremse greifen. Das engt die Spielräume bei der massiven Ausweitung von Klimaschutzinvestitionen ein. Deswegen ist eine Idee, staatliche Institutionen Kredite aufnehmen zu lassen, die nicht Teil des Bundeshaushaltes sind. „Es werden Gesellschaften ertüchtigt, die werden selber kreditfähig werden, selber investieren können", sagte Co-Chef der Grünen Robert Habeck im ZDF (24.11.21). Dies gehe also nicht zulasten des Bundeshaushalts. "Wir haben einen großen Fonds aufgelegt, der gut gefüllt ist. Es gibt die KfW-Bank. Also, da haben wir genug Möglichkeiten geschaffen."
Der Charme der KfW liegt hier im Geschäftsmodell. Ihre zinsverbilligten Darlehen, die zum Beispiel Hausbesitzer für die Heizungs- oder Dachsanierung nutzen können und die die Ampelkoalitionäre ausweiten wollen, finanziert die KfW über Anleihen, also neue Schulden an den internationalen Kapitalmärkten. Im vergangenen Jahr waren das mehr als 66 Milliarden Euro. Diese Anleihen haben mit „Triple A“ die höchste Bonitätsstufe, weil die KfW eine reine Staatsbank ist. Dennoch werden KfW-Anleihen – anders als etwa Bundesanleihen – bei der Schuldenbremse nicht mitgerechnet, weil die Bank als finanzieller Mittler gilt und autonom agiert.
Im Koalitionsvertrag wird auch erwähnt, dass beispielsweise der bundeseigenen Deutschen Bahn AG das Mittel der Kreditermächtigung an die Hand gegeben werden könnte. Zudem plant die künftige Regierungskoalition bestimmte Subventionen zu streichen, was wiederum mehr Steuereinnahmen bedeuten würden. Das FDP-Anliegen private Investitionen zu stärken, findet sich ebenfalls im Koalitionsvertrag wieder.
Wie will die Ampel das Rentensystem zukünftig finanzieren?
Das Eintrittsalter soll nicht angehoben werden, die Rente auch nicht gekürzt werden. Auf der anderen Seite werden in den kommenden Jahren viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Dies bedeutet eine extreme Belastung des umlagefinanzierten Rentensystems. Die Antwort des Koalitionsvertrages: Das Rentensystem soll teilweise durch Kapital gedeckt werden. Das bedeutet, dass die Rente künftiger Generationen nicht mehr allein durch die eingezahlten Beiträge der dann jüngeren Generationen, sondern auch durch selbst eingezahlte Beiträge finanziert werden soll. Diese eingezahlten Gelder sollen in einen Fond fließen, der dann von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet wird und global anlegen kann. Um diesen Fond aufzulegen werden zehn Milliarden Euro in 2022 bereitgestellt.
Was plant die Koalition kurzfristig?
Im Rahmen des Nachtragshaushalts sollen mehr als 50 Milliarden Euro in den Klimafonds gepumpt werden, wie mehrere mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten (25.11.21). Die Gelder können dann in den kommenden Jahren für Investitionen in den Klimaschutz genutzt werden. Das wäre ganz im Sinne der Grünen und vereinbar mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Denn diese ist 2021 und 2022 wegen der Corona-Pandemie noch ausgesetzt.
Wie werden die Finanzierungspläne des Koalitionsvertrags bewertet?
Der CDU-Fraktionschef im Bundestags, Ralf Brinkhaus, sieht keine ausreichende Finanzierungsgrundlage im Koalitionsvertrag. „Das ist alles überhaupt nicht finanziell untermauert“,
sagte er im Deutschlandfunk (25.11.21)
: „Wir fragen uns wirklich – Rentenversprechen, Bürgergeld, Kindergrundsicherung, mehr Geld für Bildung, mehr Geld für Forschung, mehr Geld für Investitionen – wo das alles herkommen soll.“
Auch der Politikwissenschaftler Karl-Rudolph Korte vermutet, dass es noch einige Diskussionen bei der Finanzierung geben wird. „Die Vorhaben sind klug formuliert, auch klug intoniert. Aber der Vertrag kommt zumutungsfrei daher“,
sagte Korte dem Deutschlandfunk (25.11.21)
: „Da wird man noch konfliktreich drüber streiten, welches Ressort Geld ausgeben kann.“
Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) begrüßte das ambitionierte Ziel, jährlich viermal so viele öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen wie bisher: „Es ist ein gutes Signal, dass die neue Koalition für wichtige Zukunftsfragen der Städte Verantwortung übernimmt. Mehr Investitionen in bezahlbare Wohnungen und für den Klimaschutz sind geplant", sagte der CDU-Politiker.