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Ex-FIFA-Sprecher
"DFB müsste die Stimme erheben"

Alexander Koch war selbst eines der Gesichter der FIFA unter Ex-Präsident Sepp Blatter. Der aktuelle Präsident Infantino habe keine so schlechte Bilanz, wie es immer dargestellt würde, sagt Koch im Dlf. Er macht auch Vorschläge für eine reformierte FIFA.

Alexander Koch im Gespräch mit Marina Schweizer |
Fotografen warten bei der WM 2022 in Katar auf die Mannschaften.
WM in Katar: Die Zuspitzung der Menschenrechtsdiskussion auf die WM sei "nicht ganz ehrlich", sagt Alexander Koch. (IMAGO / Uwe Kraft)
"Schon die Eröffnungsrede von Gianni Infantino, ein, zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel, die fand ich schon sehr peinlich, muss ich sagen", sagt Alexander Koch, ehemaliger Sprecher des Welt-Fußballverbandes. Ein Schweizer Multimillionär, der sich als Afrikaner, als Behinderter, als Homosexueller fühle - das habe sehr gekünstelt gewirkt.
Dabei hat Koch keine generelle Kritik an Infantino: "Ich glaube, das Hauptproblem ist die Kommunikation. Denn vieles von dem, was Gianni Infantino macht, wird ja in den meisten Verbänden sehr geschätzt. Und im Grunde genommen muss man auch sagen seine Bilanz für den Weltfußball ist gar nicht so schlecht. Er hat die Einnahmen massiv erhöht, er sorgt für noch mehr Gelder in den Fußballverbänden zur Fußballförderung. Und er macht von daher eigentlich relativ viel richtig. Aber die Kommunikation, die findet gar nicht statt. Es gibt so viele Dinge, die, wenn man sie erklären würde, auch nicht zu so vielen Missverständnissen führen würden. Aber was ich höre ist, dass die Presseabteilung der FIFA oftmals Anfragen gar nicht mehr beantwortet."
Alexander Koch blickt geradeaus in die Kamera
Alexander Koch, ehemaliger Leiter der Unternehmenskommunikation der FIFA (picture alliance / dpa / Horst Galuschka)

Infantinos Einsatz für Katar "aus politischen Gründen"

Die Kritik am WM-Ausrichter Katar empfindet Koch als scheinheilig: "Dass man Kritik an dem Land grundsätzlich übt, was die Menschenrechte betrifft, das finde ich absolut nachvollziehbar. Aber diese Zuspitzung auf die WM hin, die ist halt nicht ganz ehrlich."
Gianni Infantino steht bei einem WM-Spiel im Anzug auf dem Rasen
Gianni Infnatino sorgte mit einem Auftritt bei einer Pressekonferenz zu Beginn der WM für Erstaunen. (IMAGO / MB Media Solutions / IMAGO / Sebastian Frej / MB Media)
Infantinos starkes Engagement für Katar sei eher aus politischen Gründen zu verstehen, meint Koch: "Er weiß, dass man da eine WM organisieren wird und dass man es gut haben muss mit dem Emir. Und darum hat er sich wahrscheinlich auf die Seite Katars gestellt."
Auch die FIFA sieht Koch nicht als eigentliche Ursache für die Probleme: „Es sind in den Konföderationen gewählte Personen, die die WM vergeben haben. Und die FIFA in Zürich muss dann das in Anführungsstrichen ausbaden oder umsetzen, was dieses Komitee entschieden hat.“

"Mir ist nicht klar, was der DFB anders haben will"

Die Haltung Deutschlands und anderer kritischer europäischer Länder kann Koch nicht nachvollziehen: "Wenn sie mit irgendeiner Richtung der FIFA nicht einverstanden sind, dann müssten sie ja als Mitglied der Fifa im Kongress mal ihre Stimme erheben und sagen, zum Beispiel: das WM-Vergabeverfahren passt uns nicht. Da möchten wir ein anderes haben. Dann muss natürlich auch ein Gegenvorschlag auf den Tisch. Oder die extreme Kommerzialisierung, die Ausweitung der WM auf 48 Mannschaften passt uns nicht. Von daher: mir ist es immer noch nicht ganz klar, was genau der DFB anders haben will. Und wenn Sie sagen: uns stört einfach die Person Infantino - ja, dann ist natürlich die Frage, wieso gibt, eigentlich keinen Gegenkandidaten für die anstehende Wahl im März, wo Gianni Infantino der einzige Kandidat wieder ist."
Aus Kochs Sicht ist es Zeit, über die Stimmengewichtung in der FIFA nachzudenken. Sein Vorschlag wäre es, die Weltranglistenpositionen der Frauen und Männer zu addieren. Das schlechtplatzierteste Land bekäme nur eine Stimme - das bestplatzierte so viele Stimmen, wie es Mitgliedsverbände gibt. Durchsetzen könnten die Verbände aus den großen Fußballnationen das über die Drohkulisse, die FIFA zu verlassen.

"Ganze Regulierung des weltweiten Fußballs" aktuell über die FIFA

Das passiere aber auch deshalb nicht, weil viele Systeme im Fußball über die FIFA laufen. Zum Beispiel die Ausbildungsvergütung für Jugendvereine, erklärt Koch: "Es geht nicht einfach nur darum, die WM zu spielen, sondern die ganze Regulierung des weltweiten Fußballs. Die müsste dann alternativ aufgebaut werden, wenn man im Konflikt mit der FIFA ist. Oder aber - und das halte ich für sehr viel wahrscheinlicher - würde die FIFA es gar nicht zulassen, dass die alle austreten und würde denen dann viel mehr entgegenkommen und das Wahlsystem oder was auch immer ändern."
Deutschland müsse für solche Ziele vor allem Allianzen schmieden. Wenn sich beispielsweise England, Frankreich, Deutschland und Spanien einig seien, dann wäre etwas möglich, meint Koch.