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Kochen gegen Castor

Der Niederländer Wam Kat kocht bei Protestaktionen, Sitzblockaden und linksalternativen Festivals - nicht selten für mehrere Zehntausend Menschen auf einmal. Seine "Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung" hat er als Buch herausgebracht.

Von Susanne Schrammar |
    Aus einem Zehn-Liter-Kanister gießt Wam Kat Olivenöl in einen Topf so groß wie ein Waschzuber. Mit gekonntem Schwung verteilt der 54jährige die grüne Flüssigkeit und wirft eine Schüssel Zwiebelwürfel hinein.

    Ein gigantischer selbst gebauter Gasbrenner sorgt für die nötige Hitze. Das Wasser für die Gemüsesuppe kommt aus einem Tank, den ein Landwirt zur Verfügung gestellt hat. Wam Kat kocht unter freiem Himmel.

    Der Mann mit der blauen Strickmütze und dem grauen Pferdeschwanz ist kein gewöhnlicher Koch. Er schmeißt eine so genannte "Volxküche" - auch VoKü genannt - auf Großdemonstrationen von Globalisierungsgegnern, bei Sitzblockaden von Atomkraftkritikern oder politischen Festivals der linksalternativen Szene. Und kocht dabei nicht selten für mehrere Zehntausend Menschen auf einmal. Dass ihn Medien den "Tim Mälzer der Protestbewegung" nennen, findet er peinlich. Wam Kat sieht sich selbst als Mensch ohne Norm.

    "Ich mach das, was mir Spaß macht und höhersinnig nützlich vorkommt, und das kann man Künstler nennen, Vollzeitaktivist, Buchautor, Waldbewohner, Stadtrat, Politiker. Alles, ich meine, das ist Vollzeitbeschäftigung."

    Angefangen hat alles auf der Rainbow Warrior von Greenpeace, Mitte der 70er-Jahre. Eigentlich wollte er als "Held" in ein Schlauchboot, erzählt der sympathische Niederländer und grinst. Doch er landete in der Kombüse und erkannte schnell: Anständiges Essen ist wichtig für die Aktivisten - ohne Mampf kein Kampf, wie es bei der Bundeswehr heißt.

    In den Niederlanden hat er die Gruppe "Rampenplan" mitgegründet, eine Institution der Protestküchen. Bei großen Aktionen ist die Volxküche eine Art Seele der Veranstaltung. Helfer zum Gemüseschnippeln oder Abwaschen - Einweggeschirr ist verpönt! - finden sich immer. Schließlich lassen sich dabei auch gut Kontakte knüpfen, oder man kann einfach mal durchatmen. Bei großen Protestaktionen, sagt Wam Kat, ist die Küche ein Hort der Bürgerlichkeit mitten im Chaos.

    "Wo man auch kocht, es sind alles Ausnahmesituationen - da haben die so eingegriffen, die ist verschwunden, da ist die Blockade usw. -, und in der Küche wird das kurz mal abgeschaltet. Und dann merkt man zum Beispiel, dass in idiotischen Situationen eine Kartoffelsuppe richtig so was sein kann, wodurch eine ganze Menge Menschen wieder ein bisschen auf den Boden von der Realität kommen."

    In Gorleben, bei den Protesten gegen den Castortransport an diesem Wochenende, ist Wam Kat mit seiner VoKü auch wieder mit dabei. "Als Koch müsste ich eigentlich Angst davor haben, dass auf einmal 50.000 Teilnehmer vor mir stehen und einen Teller Nudeln haben wollen", sagt er, "doch als politischer Aktivist würde ich mich unheimlich freuen, wenn so viele zusammen kämen." Bei einer solch großen Menge hungriger Mäuler ist genaue Planung nötig. Für 10.000 Menschen braucht der Protestkoch nämlich locker 2000 Kilo Gemüse. Seine Lebensmittel bezieht Wam Kat von örtlichen Landwirten, Großmärkten oder Bioläden.

    "Im Grunde genommen sind die Bauern vom Wendland auch unsere größten Lieferanten, weil Kartoffeln haben die gerne übrig für die Leute, die blockieren. Woanders ist es immer eine lange Vorbereitung und ein Versuchen, abzuschätzen, wie viel man ungefähr braucht. Und dann mit denen verhandeln, ob es möglich ist, wenn es nicht so viele Menschen werden, ob man was zurückliefern kann, und wenn es mehr Menschen werden, ob der flexibel genug ist, um mehr zu holen."

    Die Lieferanten muss Wam Kat jedoch bitten, ihm zu vertrauen, denn bezahlen kann er sie in der Regel erst nach der Aktion. Finanziert wird der Kochbetrieb durch Spenden, manche Demonstranten geben ein paar Cent, andere einen Fünfeuroschein für einen Teller Reis mit Gemüse. Nudeln übrigens sind fast immer der Renner, sagt der dreifache Vater, der für die Linken in einem Stadtrat in Brandenburg sitzt. Die Speisen sind in der Regel vegan, also ohne Fleisch und andere tierische Produkte. Wam Kat ist so aufgewachsen, und die linksalternative Szene will es auch gar nicht anders. Bio hingegen - muss nicht unbedingt sein.

    "Weil, wenn zur Verfügung steht, ich sag mal, Biomöhren aus China und regionale Möhren ohne Bio, dann würde es doch die regionale Möhre werden. Das ist das ganze Prinzip, dass man so viel wie möglich versuchen muss, diese Globalisierung zurückzudrängen, in dem Sinne, dass man sich mal Gedanken macht: können wir eigentlich vor Ort das herstellen, was wir essen."

    Seine "Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung" hat er sich selbst ausgedacht und als Kochbuch herausgebracht. Nicht alle in der konsumkritischen Szene fanden das gut. Doch Wam Kat ist das egal. Solange ich meine Meinung frei äußern kann, setze ich mich mit jedem an den Tisch, sagt er, sogar auf einer CDU-Veranstaltung würde er kochen. In den 90er-Jahren hat er in Flüchtlingscamps in Bosnien und im Kosovo geholfen, in Berlin-Neukölln hat er versucht Grundschülern beizubringen, dass Dönerfleisch nicht vom Dönertier kommt. Und erst vor kurzem ist der 54-Jährige zum Gourmetfestival "Terra Madre" nach Turin gereist.

    "Für ein Feinschmeckertreffen zu kochen, ist natürlich ein echter Hammer. Das sind, sag mal, die Experts, wenn es kommt zu Geschmack und so. Und die Idioten von Slow Food haben mich ausgewählt, um Deutschland da zu vertreten, wo normalerweise Sternekochs hingeschickt werden, die die Sterne von Michelin gekriegt haben und wo die Sterne nicht am Himmel stehen, wo die kochen. Ich bin unglaublich stolz."

    Sagt Wam Kat, wischt sich die nassen Hände am fleckigen Strickpulli ab und wirft die nächste Ladung Gemüse in den großen Topf.