Eigentlich ist alles, wie immer in Köln:
"Begrüßen Sie die..."
Eigentlich. Denn die Ankündigung geht zwar traditionell in der Einmarschmusik unter, doch die klassischen Kölner Karnevals-Rhythmen, sie ertönen an diesem Morgen, ein paar Tage vor dem eigentlichen Beginn des Straßenkarnevals, für ein besonderes Publikum.
Im internationalen Caritas Zentrum im Kölner Stadtteil Sülz, in einem Kellerraum, findet die zweite Unterrichtsstunde "Karneval für Anfänger" statt. Auf den Bänken sitzen rund 120 Menschen. Bewohner von Flüchtlingsunterkünften, Teilnehmer von Sprach- und Integrationskursen und Besucher der Caritas-Zentren in Köln, weshalb zu Beginn erst einmal eine Frage geklärt werden muss.
"Was brauchen wir denn heute hier für Sprachen? Brauchen wir Farsi?"
"Könne mer, brauchen wir Englisch?"
Während Luftballons von der Decke baumeln und auf den Bänken und Stühlen schon ein wenig geschunkelt wird, übernimmt vorne der Moderator, begleitet von zwei Dolmetschern. Dazu noch eine Band. Ganz hinten, am Eingang des Raums, steht Juan Vera Rodriguez – und beobachtet das Treiben: "Wir sind eigentlich über den normalen Deutsch-Unterricht darauf gekommen." Er ist verantwortlich für die heutige Schulstunde: "Weil wir im Deutsch-Unterricht über die Sprache hinaus natürlich auch vermitteln wollen, den Menschen zeigen, wie sie sich hier in Köln zurechtfinden können. Und dann ist natürlich Karneval hier in Köln eine ganz wichtige, eine ganz zentrale kulturelle, gesellschaftliche Angelegenheit. Auch so ein bisschen mit der Absicht, dass Leute, die das hier noch gar nicht kennen, die ganz frisch hier sind auch nicht erschrocken davor stehen oder auch fassungslos oder desorientiert davor stehen."
Flüchtlinge und Karneval: das elektrisiert die Medien
Davon ist an diesem Morgen wenig zu sehen. Die Menschen sind verkleidet, tragen Perücken und Schminke im Gesicht, die man sich vor der Tür auftragen lassen kann. Sie blicken nach vorne, auf die Leinwand, auf der der Unterricht beginnt: "Zum einen über den geschichtlichen Hintergrund, woher diese Tradition kommt. Und man erklärt es dann als Kölner Karneval über all das, was passiert. Von Kamelle über Bützjen, über Schunkeln über die Musik und die Lieder, also über einige Begrifflichkeiten."
Doch die Schüler sind nicht alleine in dem Raum. Denn: Die Schlagwörter Flüchtlinge und Karneval, sie elektrisieren aktuell die Medien. Überall in dem Raum wimmelt es von Journalisten und Reporterinnen, Kamera-Männern und -Frauen, von Mikrofonen.
Doch die Schüler sind nicht alleine in dem Raum. Denn: Die Schlagwörter Flüchtlinge und Karneval, sie elektrisieren aktuell die Medien. Überall in dem Raum wimmelt es von Journalisten und Reporterinnen, Kamera-Männern und -Frauen, von Mikrofonen.
"Wissen Sie, was hier heute passiert? Was auf Sie zukommt? Haben Sie schon vom Karneval gehört?"
Mitunter haben Fernsehteams extra Dolmetscher arrangiert, um eben Interviews auf Arabisch, Französisch oder anderen Sprachen führen zu können – auch wenn die Antwort mitunter knapp ausfällt.
"Er hat es gehört, er weiß ein bisschen."
Zwar fragt die Reporterin weiter, doch es bleibt mühsam, die Antworten vage. Dass man Frauen ehren müsse, übersetzt die Dolmetscherin, deutsche Frauen. Ein schwieriges Umfeld für ein schwieriges Thema.
Auf der Bühne geht es derweil in den praktischen Teil – auch wenn der Unterricht mitunter etwas von einer, nun ja, Karnevalssitzung hat.
"In Köln sagt man nicht – was hast Du eben gesagt?"
"Salam."
"Sagt man nicht ‚Salam', und nicht ‚Tag zusammen', sagt man auch. Aber normalerweise grüßt man sich mit einem drei Mal, Kölle..."
"...Alaaf!"
"Kölle..."
"...Alaaf!"
"Köln Brass..."
"...Alaaf!"
"Salam."
"Sagt man nicht ‚Salam', und nicht ‚Tag zusammen', sagt man auch. Aber normalerweise grüßt man sich mit einem drei Mal, Kölle..."
"...Alaaf!"
"Kölle..."
"...Alaaf!"
"Köln Brass..."
"...Alaaf!"
Theoretisch und praktisch gut gerüstet
Auch Mojtabz Teymouri macht mit. Der 42-Jährige kommt aus dem Iran, ist seit drei Jahren in Deutschland, lernt an der Volkshochschule Deutsch – und freut sich auf die jecken Tage, noch in Englisch:
"The Carnival is..."
Der Karneval, so erzählt er, sei so gut, weil er so viele Kulturen zusammenbringe, weil er die Menschen zusammenführe. Man finde viele Freunde, so etwas in der Art, sagt er – und lacht.
"...something like that."
Es ist eine Vorstellung, die den Kölner gefallen wird. Leben und leben lassen, so die Maxime dieser Stadt. Doch eines, das wird im Laufe des Vormittags deutlich, fehlt dann doch an diesem jecken Morgen. Organisator Vera Rodriguez:
"Nein, heute gibt es kein Kölsch, weil es ja eine Schulstunde ist."
Doch auf der Leinwand und in der Theorie war der Alkohol doch noch Thema. Für Organisator Vera Rodriguez seien nun alle Teilnehmer bereit für die jecken Tage: "Sie sind gerüstet in dem sie es schon mal erlebt haben in diesem kleinen Rahmen und eigentlich so wissen, was kommt auf mich zu. Von daher ist das hier schon mal eine gute Grundlage."
Und nicht nur das: Denn die Schulstunde im Scheinwerferlicht – sie ist auch das passende Symbol für den Kölner Karneval im Jahr 2016, gut einen Monat nach den Ereignissen aus der Silvesternacht.