Sarah Zerback: Darüber habe ich kurz vor der Sendung gesprochen mit Elfi Scho-Antwerpes. Die SPD-Politikerin ist stellvertretende Oberbürgermeisterin der Stadt und sie habe ich zunächst einmal gefragt, welche Erfahrung die Kommunalpolitikerin denn selbst in ihrer Stadt mit Fremdenhass gemacht hat.
Elfi Scho-Antwerpes: Ich gehöre ja mit zu dem Aktionsbündnis "Köln stellt sich quer" und da habe ich natürlich schon entsprechende Erfahrungen gesammelt, auch ganz persönlich mit Attacken aus dem rechten Lager. Und bis dahin, dass meine Kinder entsprechend attackiert wurden, insbesondere mein Sohn. Aber wenn so etwas passiert wie Samstag, dann erschüttert das einen ganz, ganz stark. Und dass das in einer Stadt wie Köln geschieht, die für sich in Anspruch nimmt, dass wir so tolerant sind und fremdenfreundlich sind, dass wir die Arme aufmachen und die Menschen willkommen heißen, das erschüttert schon unsere Grundfesten. Gerade deswegen müssen wir auch weiter zusammenstehen und müssen sagen, hier ist kein Platz für die braune Soße. Und das müssen wir sehr deutlich sagen. Das was Frau Reker und den anderen Verletzten passiert ist, ist ja nicht nur eine körperliche Attacke. Und ich möchte auf dem Wege auf jeden Fall allen Beteiligten eine Genesungsbotschaft schicken, auf dass sie bald wieder gesund werden, und zwar nicht nur körperlich, sondern auch die seelische Gesundheit. Darüber hat bisher noch niemand gesprochen. Und das ist etwas ganz, ganz Wesentliches. Weil wir sind ja als Politiker und Politikerinnen immer nah an den Menschen, jedenfalls sollten wir das sein. Und natürlich hat man auch Körperkontakte, jemand, der einem sehr nahe kommt. Und man denkt sich gar nichts dabei und man ist nicht geschützt. Man steht blank und dafür gibt es keinen Schutz. Das wünsche ich allen Beteiligten von ganzem Herzen, dass sie körperlich und seelisch genesen werden.
Zerback: Sie sagen, ein Zeichen setzen gegen Fremdenhass, gegen Gewalt. Da hätten die Kölner Bürgerinnen und Bürger eine Chance gehabt, das am Wochenende zu tun, gestern bei der Wahl. Gleichzeitig war die Wahlbeteiligung so niedrig wie noch nie mit knapp über 40 Prozent. Wie erklären Sie sich das, dass es da jetzt nicht diesen Aufstand der Anständigen, wie er so schön heißt, gegeben hat?
Scho-Antwerpes: Es scheint mir Zeitgeist zu sein, dass wir, die wir die Demokratie wirklich in Anspruch nehmen dürfen, dass wir das nicht tun, dass wir da nicht zupacken. Das finde ich ganz, ganz bedauerlich. Und es sind ja viele Anstrengungen unternommen worden, ob von Ihrer Seite, der Presse, ob vom 1. FC Köln, Firmen. Überall hat es Aktionen gegeben, Menschen, die darum geworben haben, Künstler, Künstlerinnen. Und trotzdem ist es uns nicht gelungen, die Menschen in Köln zur Wahl zu bewegen in dem Maße, wie wir es uns erhofft haben, völlig unabhängig von Parteien. Die Demokraten haben sich das alle gewünscht und das ist leider nicht eingetreten. Selbst nach diesem Unfall hat es das nicht gegeben. Ich vergleiche das immer mit den Menschen, die zu uns kommen, zum Beispiel aus Syrien, die nicht frei wählen können, die nicht das ankreuzen können, was sie selber möchten. Und hier nutzen es die Menschen nicht. Da müssen wir, glaube ich, uns alle Demokraten noch mal zusammensetzen und überlegen, was wir noch machen können, und das muss wirklich auch von Bundesseite herkommen. Alle müssen sich an diesem Prozess beteiligen: Wie bekommen wir wieder gelebte Demokratie, dass die Menschen ihr geschenktes Wahlrecht auch in Anspruch nehmen?
Zerback: Und was auch wichtig ist in der aktuellen Situation, dass Menschen sich ehrenamtlich engagieren für Flüchtlinge, für Menschen, die jetzt gerade bei uns ankommen und Schutz suchen. Durch so eine Tat wie die am Samstag, befürchten Sie jetzt, dass sich davon Ehrenamtliche abschrecken lassen, vielleicht einfach auch Angst haben?
Scho-Antwerpes: Das glaube ich nicht. Ich bin immer wieder begeistert von den Kölnern und Kölnerinnen, in welchem Ausmaß sie sich engagieren, wie sie sich einsetzen. Es ist wirklich so lobenswert und die lassen sich nicht davon einschüchtern. Und das ist ja genau das: Wir dürfen uns hier nicht einschüchtern lassen in Köln. Wir sind Köln, ich bin Köln und ich liebe meine Stadt. Und wir sind eine Stadt, die bunt ist, eine Stadt, die tolerant ist. Und es darf keinen Platz für die aus der rechten Ecke geben. Und dafür müssen wir alle eintreten. Wenn wir das in den Vordergrund stellen, gerade in einer solchen Stunde, dann sind wir stark, dass wir zusammenstehen. So wie wir das am Samstag ja spontan getan haben, wo Frau Kraft aufgerufen hat, dass wir uns vor dem Rathaus treffen. Es hat keine 90 Minuten gedauert, bis wir uns da in einer Vielzahl von Menschen eingefunden haben. Und haben genau dieses Signal gesendet.
Zerback: Wie geht es denn jetzt für die Stadt Köln weiter? Henriette Reker ist im ersten Anlauf als Oberbürgermeisterin gewählt worden ...
Scho-Antwerpes: Wozu ich ihr herzlich gratuliere. Das habe ich auch schon per SMS getan. Sie wird es irgendwann sicher auch lesen.
Zerback: Sie sagten nun selbst auch, es ist noch unklar, wie schnell sie sich jetzt davon erholen wird. Morgen hat aber der amtierende Oberbürgermeister von Köln, Herr Roters, seinen letzten Tag im Amt. Wie geht es dann weiter?
Scho-Antwerpes: Ich war schon darauf vorbereitet, ihr morgen die Amtskette umzulegen. Das wird nun leider nicht stattfinden. Aber es gibt natürlich kein Vakuum.
Zerback: Füllen Sie das?
Scho-Antwerpes: Es gibt den Guido Kahlen, unseren Stadtdirektor, der natürlich das Amtsgeschäft immer, wenn der Oberbürgermeister nicht da ist, übernimmt. Und dann haben wir vier ehrenamtliche Bürgermeister. Ich bin die erste Stellvertreterin des Oberbürgermeisters und somit dann auch diejenigen, auf die die Anfragen zuerst kommen. Für uns als Bürgermeister läuft alles eigentlich so weiter wie vorher, dass wir eine Vielzahl repräsentativer Aufgaben wahrnehmen.
Zerback: ... sagt Elfi Scho-Antwerpes von der SPD NRW und erste Bürgermeisterin in Köln. Vielen Dank für das Gespräch.
Scho-Antwerpes: Herzlichen Dank für Sie.
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