Es ist an einem Vormittag unter der Woche, als Opa und Enkel langsam auf den ruhigen daliegenden Ebertplatz kommen.
"Wir wollten gerade mal gucken, ob der Springbrunnen läuft, aber der läuft ja nicht."
Der ältere Mann, weißer Schnauzer, Hut und kurze Hose bleibt stehen und schaut: Kreisrunde Stahlplatten mit Stiel, umgefallen wie bei einem Mikado-Spiel liegen in der Mitte des Platzes – und bilden jenen Brunnen, der nun wieder die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
"Ah, guck mal John, da kommen ganz viele Kinder."
"Die machen hier einen Ausflug bestimmt, die wollen alle den Brunnen sehen, aber jetzt läuft kein Wasser."
Doch, ein paar Augenblicke später ist es soweit: "Da."
Das Wasser schießt aus den Fontänen – und im Nu erscheint jene Betonwüste aus den 70er-Jahren in der nördlichen Kölner Innenstadt, um die die Autos kreisen, wie verwandelt.
Überraschend wiederbelebt - als Spielplatz und Treffpunkt
Wer in den letzten Tagen und Wochen den Ebertplatz aufgesucht hat, bekommt das Gefühl, hier habe eine Revolution stattgefunden, das Wasser spüle alle Sorgen weg:
"Ich bin überrascht, wie viele am Platz sind. Und vor allen Dingen zu jeder Tageszeit, also morgens früh wird darauf gewartet, dass der Brunnen angeschaltet wird, aber dann ist der Platz auch gefüllt, mit Kindern und Erwachsenen."
Nadine Müseler vom Kulturamt der Stadt Köln, steht auf dem Ebertplatz. Sie ist zuständig für das sogenannte Zwischennutzungskonzept der Stadt, mit dem die Zeit bis zum geplanten Umbau im Jahr 2020 überbrückt werden soll. Um die Sicherheitslage zu verbessern, sind vor einigen Monaten Glühbirnen ausgetauscht, die Bepflanzung zurückgeschnitten worden und es gab Pläne, einzelne Ein- und Zugänge zuzumauern, doch es war das Wasser und die Sonne, die nun – scheinbar – alles verändert haben.
Kinder flitzen – mal mit, mal ohne Badezeug – durch die Fluten, spritzen mit Wasserflaschen umher. Hunde werden gebadet, Radfahrer halten kurz an und Kopf und Füße in das Wasser. Ein Rollstuhlfahrer fährt an eine Fontäne. Gerade vormittags kommen Tagesmütter mit ihren Ein- bis Zweijährigen an den Brunnen....
"Naja, weil es der heißeste Tag in dieser Woche ist. Und ich glaub, das einfach jetzt die beste Gelegenheit ist, für die Kinder einmal ein bisschen im Wasser zu spielen", sagt sie, zieht ihren fünf Kinder jeweils eine rote Kappe an, damit sie in dem Trubel auffindbar sind.
Auf den ansteigenden, von der Sonne versengten, Grasflächen, werden Handtücher ausgerollt – direkt neben der angrenzenden Straße. Auch Grischa Göddertz ist gekommen, in seinem Rucksack steckt ein orangenes Handtuch:
"Das gehört jetzt dazu. Ich hab ja auch als Kind immer hier gespielt und freu mich jetzt jeden Tag, dass es hier läuft. Und natürlich auch mit Handtuch."
Göddertz, Sohn des verstorbenen Brunnen-Erfinders Wolfgang Göddertz, ist einer der Initiatoren, dass das Wasser wieder läuft:
"Es wird wirklich wieder genauso angenommen, wie mein Vater es entworfen hat. Es war eine begehbare Skulptur, die halt zum Spielen einlädt. Der Brunnen hat ja kein Becken, man kann einfach reinlaufen. So war es eben entworfen."
Ein paar Meter weiter sitzen ein paar Jugendliche auf der von Studierenden der RWTH Aachen neu angefertigten Bretter-Sitzfläche. Nadine Müseler vom Kulturamt wirkt so, als müsste man sie kneifen:
"Und Abends gibt es viele, die chillen, nochmal was trinken, sich unterhalten, also, es ist eigentlich immer der Eindruck: Wow, es ist immer noch so voll und ich muss erstmal die Festplatte mit den früheren Bildern löschen, die da noch im Hinterkopf hängen, wie es nämlich all die Jahre zuvor aussah."
"Und Abends gibt es viele, die chillen, nochmal was trinken, sich unterhalten, also, es ist eigentlich immer der Eindruck: Wow, es ist immer noch so voll und ich muss erstmal die Festplatte mit den früheren Bildern löschen, die da noch im Hinterkopf hängen, wie es nämlich all die Jahre zuvor aussah."
Neue Entwürfe für lange verwahrlosten Platz
"Die Auferstehung" nannte es der "Kölner Stadt-Anzeiger" in dieser Woche. Wie viel doch ein wenig sprudelndes Wasser, ein paar Holzplanken und abends eben eine Lichtinstallation ausrichten können. Und dabei soll es nicht bleiben:
"Ja, meine Damen und Herren, wir wollen starten, sie sind sicherlich hier, um mit den Künstlern zu sprechen…"
Präsentation der Entwürfe für die sechs stillgelegten Rolltreppen, heißt der Termin offiziell, zu dem Müseler und das Planungsteam in dieser Woche geladen haben. Bereits im Jahr 2004 – und da zeigt sich die jahrelange Ursache der Probleme – sind die Rolltreppen aus Kostengründen stillgelegt worden – und wurden so zum Symbol der Verwahrlosung. Nun sollen sie umgewandelt werden: In eine Rutsche, einen Barren oder eine Holztreppe, die hoch in den Himmel hinausführt – und als Aussichtsplattform nutzbar ist, so Müseler:
"Viele Entwürfe fokussieren auf diese Beteiligung, auf die Wichtigkeit des Passanten, der dann irgendwas machen kann, der da rutschen kann, der sich spiegeln kann. Das waren einfach überzeugende Ideen, die uns für den Ebertplatz und diese manchmal verlassene Passage wichtig erschienen."
Als Angstraum bekannt - auch in TV-Talkshows
Auch ein Café ist geplant. Aufbruchsstimmung also am Ebertplatz, dabei hatte es vor weniger als fünf Monaten, noch ganz anders geklungen:
"Das Thema bei Sandra Maischberger: Angst auf der Straße. Muss der Stadt härter durchgreifen?" In der ARD, zu besten Sendezeit, war der Ebertplatz – mal wieder – ein bundesweites Beispiel für einen Angstraum:
"Sie, Hayko Migirdicyan, haben einen Kiosk am Ebertplatz in Köln. Da war im Herbst eine große Schlagzeile, es gab einen Toten bei einer Messerstecherei im Kampf um zwei Dealer-Gruppen und dann ist allen offensichtlich dann zuletzt auch klar geworden, dass das tatsächlich ein sogenannter gefährlicher Ort ist. Haben Sie das Gefühl der Staat hat tatsächlich alles noch im Griff im Bereich Sicherheit, wenn Sie Ihren Platz sehen?"
"Also jetzt ausgehend vom meinem Platz, muss ich sagen: Die Polizei tut tatsächlich am meisten leid."
Und nun? Ist also alles gut, auf dem neuen Ebertplatz? Max Biermann lächelt ein wenig verlegen.
"Ein paar Sachen sind aber trotzdem noch so, wie sie früher waren oder ähnlich. Aber ich glaube, ich bin da mal optimistisch, weil ich glaube: Es ist ja auch noch neu, dass das hier so ist und hoffe, dass es im Herbst auch schön und belebt bleibt - und nicht wieder so einen tristen Rückfall bekommt."
"Drogenproblematik nicht wirklich geändert"
Der 39-Jährige, Sohn des ehemaligen Sängers der Kölner Band Bläck Fööss, nun selbst als Musiker unterwegs, hat dem Ebertplatz ein kölsches Lied gewidmet und wohnt seit Jahren hier. Nun läuft er über den Platz zur Bahnhaltestelle:
"Ähnlich ist, dass sich die Drogenproblematik nicht wirklich geändert hat, verkauft wird hier immer noch. Die sind halt sehr geschickt."
Die Zahl der Straftaten, so die Polizei, gehe zwar seit Juli leicht zurück, sei aber in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017 sogar noch gestiegen, was auch an den häufigeren Kontrollen liegen könnte. Dennoch: Ende Oktober darf das Café – Stand heute – nichts mehr ausschenken. Einen Weihnachtsmarkt soll es nicht geben, aber vielleicht etwas Ähnliches. Der Opa mit dem weißen Schnauzer, der mit Enkel John zum Ebertplatz gekommen ist, ist aber jetzt schon – auch im Sommer, bei sprudelndem Wasser – skeptisch:
"Und jetzt machen sie den Springbrunnen wieder an und tun da ein paar Bretter hin und dat soll, glaub ich, ein Kaffeebüdchen sein. Sieht hässlich aus, ja. Also, ich meine: Das ist Sand in die Augen gestreut."
Mit-Iniitiator Göddertz sieht es anders:
"Im Sommer haben wir jetzt die Chance, dass die Leute wieder verstehen, dass es eben ein vernünftiger Platz ist, der auch wirklich Aufenthaltsqualität hat."
Und auch Müseler vom Kulturamt macht sich Gedanken:
"Ich weiß es nicht. Ich glaub, ich bin nicht sorglos, aber wir bereiten jetzt schon mal einige Dinge vor, die dem vielleicht entgegenwirken, dass man nur über den Ebertplatz rennt, weil eben kein Wasser mehr da ist und es kalt ist. Mal schauen."
Doch heute, bei sprudelndem Wasser und sommerlich heißen Temperaturen, da funktioniert er schon mal, der neue Ebertplatz.