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Kölner Karnevalsverein
"Wir lassen uns die Narrenfreiheit nicht verbieten"

Das Festkomitee Kölner Karneval erhält für den umstrittenen Verzicht auf den "Charlie Hebdo"-Mottowagen Rückendeckung aus den eigenen Reihen. Man habe letztendlich Sicherheitsaspekte berücksichtigen müssen, sagte der Präsident des Karnevalsvereins Rote Funken, Heinz-Günther Hunold, im DLF. Zugleich machte er Raum für Spekulationen.

    Die Grafik zeigt in Köln das Siegermotiv für den Karnevalswagen zum Thema Meinungsfreiheit.
    Ist an Rosenmontag doch nicht zu sehen: Der geplante Motivwagen zum Anschlag auf die Zeitschrift "Charlie Hebdo" ( Festkomitee Kölner Karneval/dpa)
    Die Idee eines Mottowagens zum Anschlag auf "Charlie Hebdo" ist nach Ansicht von Hunold vielleicht zu früh in die Öffentlichkeit geraten. Die frühe Präsenz des Themas habe Ängste bei den Besuchern erzeugt. Dabei lebe der Rosenmontagszug von Wagen mit überraschenden Elementen, den sogenannten "Geheimwagen".
    Hunold stellte aber auch klar: "Wir lassen uns die Meinungsfreiheit, die Gedankenfreiheit, die Narrenfreiheit nicht verbieten." Die Situation auf einer Karnevalssitzung mit tausend Leuten sei aber eine andere als bei einem Rosenmontagszug mit einer Million Menschen, sagte Hunold.
    Der Karnevalsfunktionär ließ aber durchblicken, dass womöglich doch noch Bewegung in die Diskussion kommen könnte. Er sei zwar nicht für den Rosenmontagszug zuständig. "Aber ich würde mal meinen, warten wir nun mal ab, was da nun wirklich passiert."

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Die Musik passt nicht so ganz zum Karneval, der Text vielleicht schon: „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" von Johann Sebastian Bach. Hoffentlich! – Dass der Rheinländer kein besonders geradliniger Organisator ist, das erlebt man in Köln an allen Ecken und Enden. Sinnbild des Provisorischen ist der Dom, der – in seinem Fall allerdings begründet – immer irgendwo eingerüstet ist. Nun hat kurz vor den Tollen Tagen das Festkomitee Kölner Karneval mitgeteilt, dass ein in aller Eile im Bau befindlicher Karnevalswagen zum Anschlag auf das Pariser Satire-Magazin "Charlie Hebdo" beim Rosenmontagszug doch nicht mitfahren soll.
    Der Wagen zeigt einen Karnevalisten, einen Jecken, der einen Stift in die Pistole, das Gewehr eines maskierten Attentäters steckt. Porträts der bei dem Pariser Anschlag ermordeten Karikaturisten sollten zu sehen sein. Es habe Rückmeldungen besorgter Bürger gegeben, die wir sehr ernst nehmen, begründete das Festkomitee die Entscheidung. Und weiter: „Wir möchten, dass alle Besucher, Bürger und Teilnehmer des Kölner Rosenmontagszugs befreit und ohne Sorgen einen fröhlichen Karneval erleben."
    Heinz Günther Hunold ist der Präsident der roten Funken. Das ist das älteste Traditionskorps im Kölner Karneval, 1823 gegründet. Ich habe ihn vor einer Stunde gefragt, ob er die Entscheidung des Festkomitees versteht.
    Heinz Günther Hunold: Ja, ich verstehe sie absolut, denn wir haben ja hier so einen typischen Fall einer Zwickmühle. Auf der einen Seite, und das hat auch seine Hintergründe: Wir haben ein Motto, das heißt „Social Jeck – kunterbunt vernetzt". Und wenn man sich überlegt: Die Anschläge kommen oder haben stattgefunden am Mittwoch, den 7. Januar, am 9. Januar kam die Prinzenproklamation und über dieses Motto waren wir mit den Anschlägen direkt in einer öffentlichen Diskussion, was bedeutet, dass auch das Festkomitee sich dazu geäußert hat, wie im Übrigen auch die neun Traditionsgesellschaften im Kölner Karneval direkt eine Aktion durchgezogen haben.
    Wir haben über 20.000 Buttons mittlerweile an unsere Besucher auf den Sitzungen verteilt, die zur Meinungsfreiheit und Redefreiheit auffordern. Und dadurch ist dieses Thema vielleicht auch zu früh für einen Rosenmontagszug in die Öffentlichkeit geraten, die dann auf der anderen Seite die Menschen auch zur Diskussion auffordert und natürlich auch Ängste erzeugt bei Besuchern.
    Immerhin ist das eine Veranstaltung, eine öffentliche Veranstaltung mit über einer Million Zuschauer, und diesen Aspekt hat man vielleicht unterschätzt.
    Heinemann: Was überwiegt denn bei dieser Entscheidung des Festkomitees jetzt, die Angst oder politische Korrektheit?
    Hunold: Ich glaube, dass das Festkomitee sehr deutlich gesagt hat, dass man sich hier sehr klar für Meinungsfreiheit einsetzt und dass man absolut überzeugt war, diese Demonstration nach außen hin auch zu zeigen, aber ...
    "Das ist ja ein riesengroßer Kraftakt mit Sicherheitsbehörden"
    Heinemann: Warum dann nicht im Rosenmontagszug?
    Hunold: Durch diese öffentliche Diskussion dürfen wir ja nicht unterschätzen, dass die Sicherheitsfragen eine nicht unerhebliche Rolle spielen, und da ist das Festkomitee ja auch nicht alleine am Zug, sondern das ist ja ein riesengroßer Kraftakt mit Sicherheitsbehörden, Polizei, die dann aufgrund der Rückmeldungen, die kommen, wohl noch mal miteinander sich diese Sache überlegt haben.
    Ich muss allerdings sagen, ich bin mir gar nicht sicher, was da nun jetzt wirklich passiert.
    Ich glaube, man sieht das ja auch in der Presse. wenn Sie heute die Pressespiegel anschauen, sehen Sie sehr deutlich, dass es genau diese beiden Lager gibt. Die einen sagen sehr deutlich, man zieht sich hier zurück und das ist feige und was soll das denn, und die anderen sagen, ja, wir haben volles Verständnis dafür, dass man letztendlich doch irgendwo auch Sicherheitsaspekte berücksichtigen muss.
    "Natürlich muss der Karneval Flagge zeigen"
    Heinemann: Aber, Herr Hunold, wie weit geht das? Wenn Fanatiker jetzt zum Beispiel an der leichten Bekleidung der Tänzerinnen, der Funkenmariechen Anstoß nähmen, würden die dann auch aus dem Verkehr gezogen?
    Hunold: Nein, überhaupt nicht. Aber die Frage ist, an welcher Stelle hätte man wie reagieren müssen. Der Rosenmontagszug lebt ja immer davon, dass er auch Wagen hat, die überraschend in den Zug kommen. Das sind die sogenannten Geheimwagen. Und so eine vorweggenommene Stellungnahme führt halt zu einer öffentlichen Diskussion.
    Natürlich muss der Karneval Flagge zeigen und ich sage auch, habe auch gestern auf unserer Veranstaltung sehr deutlich gesagt und Klartext gesprochen, wir lassen uns hier die Meinungsfreiheit, die Narrenfreiheit, die Gedankenfreiheit nicht verbieten.
    Heinemann: Tun Sie es nicht doch?
    Hunold: Nein. Aber ich bin in einem Saal und ich habe 1500 Menschen, die eine Sitzung erleben, und das ist eine andere Situation, als die Sicherheit für über eine Million Menschen zu garantieren.
    Der Karneval muss mit dieser Entscheidung "ein Stück weit leben"
    Heinemann: Herr Hunold, 7.000 Bürgerinnen und Bürger haben in einer Internet-Abstimmung die Auswahl zu Gunsten dieses Wagens getroffen. Werden die jetzt nicht vor den Kopf gestoßen?
    Hunold: Schon! – Natürlich! – Ich will mal Wolfgang Bosbach zitieren, der gesagt hat, das Festkomitee hat eine wichtige richtige Entscheidung getroffen, die man gut nachvollziehen kann, aber die man für problematisch halten muss. Das heißt, natürlich sind diese Aktionen, die man ins Leben gerufen hat, stößt die Menschen vor den Kopf, die sagen, toll, der Karneval trägt ein eindeutiges Zeichen nach draußen.
    Das ist so und damit muss jetzt der Karneval auch ein Stück leben. Aber ich würde mal meinen, ich bin jetzt nicht verantwortlich für den Rosenmontagszug, aber ich würde mal meinen, warten wir mal ab, was da jetzt nun wirklich passiert.
    Heinemann: Heinz Günther Hunold, der Präsident des Kölner Traditionskorps Rote Funken.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.