Eine sechs mal 24 Meter Betonplatte. Als Begegnungsort in der Kölner Keupstraße. Auf dem bislang unbebauten Areal eines ehemaligen Güterbahnhofs. Sie entspricht eins zu eins dem Fundament des gegenüberliegenden Friseursalons, vor dem 15 Jahre zuvor die Nagelbombe des NSU explodierte. Diese Betonplatte soll der physische Teil des Mahnmals werden, das Zwillingsfundament, das der Künstler Ulf Aminde bauen möchte. Die Geste dahinter:
"Ihr greift ein Haus an, wir bauen gleich ein zweites."
Die Wände dieses zweiten Hauses sind virtueller Natur. Filme, die man mit einer App als Augmented Reality hochladen und beim Verweilen auf der Betonplatte sich auf dem Smartphone anschauen kann.
"Und der Inhalt dieser Filme soll sich dezidiert beschäftigen mit der migrantischen Perspektive, mit dem migrantischen Widerstand."
Reker: Geplantes Mahnmal könne so nicht gebaut werden
Das Mahnmal, also ein realer Begegnungsort und gleichzeitig lebendiges Filmarchiv. Eines, dass die deutsche Erinnerungskultur um migrantisierte Perspektiven erweitert und somit zu mehr gegenseitigem Verständnis beiträgt. Mit dieser Idee hatte Aminde vor zwei Jahren, den Rat der Stadt und insbesondere auch die Bewohner der Keupstraße überzeugt. Doch jetzt mussten sich diese kurz vor dem 15. Jahrestag des Anschlags von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagen lassen: Das geplante Mahnmal könne so nicht gebaut werden. Das dafür vorgesehene Grundstück gehöre einer privaten Investorengruppe und denen könne sie keine Vorgaben machen, wann und wie sie es bebauen sollen. Ihr Vorschlag: sich besser nach einem anderen Ort umsehen.
Dann wäre jedoch der Bezug zur Keupstraße, die Sichtachse zum Tatort nicht mehr gegeben. Meral Sahin von der Interessensgemeinschaft Keupstraße schließt aus diesem Vorschlag, Reker habe sie und die Idee hinter der geplanten Installation nicht verstanden:
"Es ist die einzige Möglichkeit, dass sie an dieser Ecke, an diesem Ort und in dieser Art und Weise erstellt wird, sonst funktioniert sie nicht."
"Es geht nur an diesem Ort"
Dabei gab es doch schon etliche Treffen. Mit der Eigentümergemeinschaft und Vertretern der Stadt. In einem Werkstattverfahren wurde festgeschrieben, dass auf dem Gelände ein Erinnerungsort entstehen soll. Dann wurden gleichzeitig zwei Wettbewerbe ausgeschrieben. Ein kleiner für die künstlerische Gestaltung des Mahnmals, den gewann Aminde – und ein großer für den Bebauungsplan des Gesamtareals. Hierbei setzte sich das RKW Architektur-Büro durch. Beide bekamen von der Stadt grünes Licht. Jedoch wurde der kleine Plan, das Mahnmal, nicht in den großen, den Bebauungsplan, integriert. Der für den Bebauungsplan zuständige Architekt Dieter Schmoll fühlt sich von der Stadtverwaltung übergangen. Denn er wusste gar nichts von dem geplanten Mahnmal, auf dem von ihm geplanten Gelände.
"Wenn man den Künstlern hier einen Platz zugebilligt hat, dann hätte man sich vielleicht vorher dafür interessieren müssen, wie sieht denn bisher die Bebauung hier aus."
Schmoll hat sich seinerzeit mehrere Orte überlegt, wo das Mahnmal entstehen könnte. An der Stelle, wo aber Aminde und Sahin es vorgesehen haben, sieht man auf seinem Modell zwei Häuserfluchten direkt an der Straße. Gefragt, ob man diese nicht auch weiter nach hinten versetzen könnte, antwortet er:
"Man könnte dem Eigentümer einen Ausgleich gewähren"
"Das Rückversetzen des Gebäudes um sechs Meter von der Straßenflucht derzeit würde sicher nicht dem städtebaulichen Willen, den wir haben, entgegenstehen. Man könnte ja dem derzeitigen Eigentümer oder demjenigen, der dort seine wirtschaftlichen Interessen vertritt, einen Ausgleich gewähren, indem er an andere Stelle etwas höher bauen darf und so wäre auch auf diese Art und Weise beiden Seiten Rechnung getragen."
Eine Lösung ist also möglich? Man muss nur alle Beteiligten, wie Sahin, Schmoll und Aminde zusammenbringen? Hat Oberbürgermeisterin Reker keine Zeit gehabt, das Naheliegende zu sehen? Vielleicht hat sie aber auch noch immer nicht begriffen, warum genau dieser Ort Meral Sahin, den Menschen in der Keupstraße, eigentlich potenziellen Opfern rassistischer Gewalt überall so wichtig ist? 15 Jahre nachdem hier und nicht woanders der Anschlag stattgefunden hat. Nachdem sieben Jahre lang die Opfer nicht Opfer sein durften, weil sie selbst von den Behörden als Täter verdächtigt wurden. Nachdem sie sich dennoch auf einen gemeinsamen Prozess eingelassen haben, damit ein Erinnern auch ein Kampf gegen wiederaufkommenden Rassismus werden kann. Nach alldem fordert Sahin nun auch etwas Grundsätzlicheres von der Verwaltung jener Stadt, die sie so sehr liebt:
"Sie müssen einfach diesen Menschen Vertrauen schenken, dass das die Lösung ist. Weil wir den Rassismus erlebt haben, weil wir all diese Erfahrungen gemacht haben, weil wir dadurch, was in Vergangenheit passiert ist, genau das sagen können: Das ist der Ort dafür."