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Kölner Möbelmesse
Neue Ideen fürs Design althergebrachter Gegenstände

In Köln hat die internationale Möbelmesse, kurz "imm cologne" begonnen. Trotz schlechter Umsätze präsentiert sich die Branche optimistisch. Badezimmer mit multimedialer Vollausstattung treffen hier auf eine einzige Massivholzküche.

Von Beatrix Novy |
    Die Möbelbranche in Deutschland hat im letzten Jahr, völlig ungewohnt, ein Umsatzminus erleben müssen, aber eine Fachmesse braucht gute Nachrichten. Dazu gehört, dass die Deutschen nicht nur Reise-Weltmeister, sondern auch "Weltmeister im Wohnen" sind; dass sie, in Zahlen, jährlich 390,- Euro pro Kopf in dieser Disziplin investieren, also die Möbelindustrie nicht allein lassen mit den emerging markets in China, Indien, Russland. Eine weitere gute Nachricht: "Das Bad hat sich sehr positiv entwickelt". Sagt ein Hersteller von Badmobiliar, und er kennt den Grund: In der ganzen Wohnung sei das Bad der Rückzugsort, an dem man endlich mal für sich sein kann. Eine gewagte Erklärung vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Single-Haushalte jedes Jahr so sicher auf die 50%-Marke zusteuert wie es jedes Jahr eine Möbelmesse gibt. Gleichzeitig werden immer mehr Wohnungen und Häuser mit mehreren Bädern ausgestattet, umso mehr darf und muss das Bad sich zur Wellness-Oase entwickeln, wovon die diesjährige Messe nicht das erste Lied singt. Wohnzimmerbäder mit Sesseln und Couchtischchen, Duschen mit Regenwaldfeeling - das gibt es in allen Varianten; neu ist die mediale Grundausstattung, die unser Hersteller präsentiert: der in den Spiegel des guten alten Spiegelschranks integrierte Fernsehschirm, der natürlich auch DVD- und Internettauglich ist, vom Audio-Angebot ganz zu schweigen.
    Die Position zur Wanne ist wichtig
    Wichtig ist die Position zur Wanne, von der aus das Programm verfolgt werden kann, und die fast völlige Unsichtbarkeit der Technik. Was im Wohnzimmer so oft schiefgeht, hier klappt das: Die Kabel verschwinden. Und das nicht nur hier im Bad, auch Schlafzimmerschränke gibt es, in deren Schiebewand ein körperlos wirkender Flat Screen eingebaut ist.
    Der Eindruck eines Designs ohne Eigensinn herrscht vielfach auf der diesjährigen Messe. Eine Firma präsentiert sich, die die Rechte an den Möbelentwürfen des österreichisch-amerikanischen Architekten Richard Neutra erworben hat: Vom Bauhaus geprägte schöne Stahlrohrmöbel, vielleicht ein wenig dekorativer, gewagter als die von Mart Stam oder Mies. Aber was auf dieser Messe ist eigentlich, mehr oder weniger, nicht Neutra? Die "gute Form", also das vor 100 Jahren ausgerufene funktional-schlichte Wunschbild, hat schon länger das Sagen, das Design schwimmt in ihrem ruhigen Fahrwasser.
    Lange Tische mit glatten Oberflächen aus Glas, Spiegelglas, Naturholz, Mattlack oder auch Stein, gerade oder nur leicht abgewinkelte Stuhl- und Tischbeine, Stahlrohrgestelle. Aber immer neue technische Raffinessen stecken unter solcher Einfachheit, wie der in Litauen entworfene Esstisch mit einer filigran flachen Platte, aus der sich verblüffende zwei Verlängerungen herausziehen lassen.
    Minimales, technisch geglättetes Design kann nicht weiter minimiert werden, das ist seine Krux und sein Widerspruch. Dagegen helfen, meist auf der Ebene von Accessoires, grelle Farbmixturen und provokante geschmackliche Ausrutscher: der lebensgroße Porzellanpferd-Torso, der Kupferchair mit Beschlägen, die Sofabezüge aus Vintage-Jeansstoff samt Hosentaschen - womöglich eine Version der diversen Recycling-Ideen, die auch dieses Jahr ein Stück weitergekommen sind. Auch die Installation "The House", jedes Jahr von einer Design-Persönlichkeit gestaltet, drückt sich verspielt-sinnlich aus: lange Reihungen von Tischen, Küchengerät, Matratzen, Kissen, umgeben von echtem Grün.
    Der demografische Wandel lugt aus allen Ecken
    Zum Technikthema gesellt sich unvermeidlich ein anderes: Der demografische Wandel lugt aus vielen Ecken. Er ist schon Teil der Hallen, die allein Betten und Matratzen gewidmet sind, darin die Firma, die Matratzen auf der Grundlage eines Wirbelsäulenscans empfiehlt, oder die ungescannte, dafür wissenschaftlich erforschte Tiefschlafmatratze. In der Sonderinszenierung "The Rooms" kommt das alte Thema des integrierten Bade-Schlaf-Zimmers zurück in Form eines Chemie-Plumpsklos, gleich hinter der Trennwand am Bett; wofür hat das wohl einen Sinn, wenn nicht für das höhere Lebensalter, in dem die Häufigkeit nächtlicher Toilettengänge zunimmt.
    Die moderne Alternative zum Nachttopf - sogar sie demonstriert gesellschaftliche Entwicklung in der ewigen Wiederkehr des Gleichen, des Wohnens nämlich. So wie die Massivholzküche, die, obwohl die Messe dieses Jahr keine Küchen zeigt, dabei sein durfte. Sie wurde als Wohnzimmer eingestuft. Eine weitere Station in der langen Geschichte der Wohnküche, die in den 20er Jahren vom Bauhaus in ihre Einzelteile zerlegt worden, aber nie totzukriegen war.