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Kölner Oberbürgermeister: "So einen Kongress haben wir nicht gewünscht"

Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma erwartet am Samstag eine friedliche Gegendemonstration zu der Kundgebung der rechtsorientierten Vereinigung pro Köln, die einen "Anti-Islamisierungskongress" abhalten will. 120.000 Muslime in Köln hätten ein Anrecht auf Versammlungsorte wie die geplante Großmoschee, müssten aber auch den Dialog suchen.

Fritz Schramma im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Ein Faltblatt mit kruden Thesen hatten die Kölner schon vor Wochen in ihren Briefkästen - vor dem so genannten Anti-Islamisierungs-Kongress, zu dessen Hauptkundgebung morgen Rechte aus ganz Europa in der Kölner Innenstadt erwartet werden. Die Gastgeber arbeiten nach Erkenntnissen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes eng mit Neonazis und anderen Rechtsextremen zusammen. Scharfe Kritik gab es an der Veranstaltung darum schon in der vergangenen Woche, in den vergangenen Tagen. Eine parteiübergreifende Resolution der Landtagsfraktionen in NRW verurteilte die Tagung. Lautstarken Protest wird es auch heute und morgen geben. Knapp 50.000 Gegendemonstranten haben sich angekündigt. Unter den Gegnern ist der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) und der ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Fritz Schramma: Guten Morgen, Frau Schulz.

    Schulz: Herr Schramma, wie passt der Kongress denn zu dem Image, das sich die Stadt Köln ja gerne gibt, als tolerante und weltoffene Stadt?

    Schramma: Ja, wir sind eine tolerante Stadt. Wir sind auch weltoffen. Wir sind auch gastfreundlich. Aber an einem bestimmten Punkt hört eben diese weltbekannte Toleranz auf und da werden wir auch intolerant. Solch einen Kongress haben wir nicht gewünscht und den wollen wir nicht und da stellen wir uns auch sicherlich mit einer großen Mehrzahl der Kölner Bevölkerung quer.

    Schulz: Wie hat sich die Stadt vorbereitet?

    Schramma: Es gab natürlich eine ganze Reihe von Fragen, Sicherheitsfragen insbesondere und Verkehrslenkungsmaßnahmen, weil wir damit rechnen, dass bei dem hohen Aufkommen der Gegendemonstranten, die ja auch versuchen wollen, die Plätze unerreichbar zu machen oder sie gar zu besetzen, wir versuchen müssen, direkte Konfrontationen zu vermeiden. Deswegen gab es von Seiten der Verwaltung in enger Abstimmung mit der Polizei hier eine Reihe von Vorbereitungen. Wir sind gut gerüstet und werden uns aber durchaus mit Demonstrationen, mit Veranstaltungen, mit Reden, mit Konzerten dagegen wehren, sehr lautstark, sehr deutlich, aber friedlich, wie ich hoffe.

    Schulz: Warum tagen die Rechten überhaupt an so einem prominenten Ort in Köln?

    Schramma: Ja nun, hier ist leider die Keimzelle dieser unsäglichen Fraktion oder der Bürgerbewegung "pro Köln" in dieser Stadt entstanden, ein Sammelsurium aus ehemaligen NPD-Leuten und Reps. Die haben sich zusammengefunden. Das sind Biedermänner, bürgerliche Politiker, die mit Stammtischparolen versuchen, Menschen Angst zu machen, andere auszugrenzen, zu diffamieren. Sie haben rassistisches Gedankengut, das sie verbreiten. In ihrem Netzwerk wollen sie jetzt versuchen, sich europaweit zu präsentieren, was ja Gott sei Dank, wie wir feststellen, mehr und mehr feststellen, nicht so ganz gelingt, wie es ja angekündigt war.

    Schulz: Herr Schramma, das Motto des Kongresses lautet ja auch "Nein zur Groß-Moschee". Im Stadtrat hat Ihre Fraktion, die CDU-Fraktion, gemeinsam mit "pro Köln" gestimmt, also mit dieser Gruppierung, die Sie gerade skizziert haben, von Ihrer Stimme abgesehen. Könnte es denn sein, dass das eine oder andere Mitglied Ihrer Fraktion auch an dem Kongress teilnimmt, wenn die Parallelen dort so groß sind?

    Schramma: Da dürfte ich davon ausgehen, dass das nicht der Fall ist. Die ablehnende Haltung der CDU-Fraktion hat ganz andere Ursachen. Das ist auch deutlich in den Wortbeiträgen gesagt worden. Nein, auch die CDU-Fraktion hat sich noch mal ganz eindeutig gegen diesen Kongress gestellt, auch gestern noch mal mit einer Presseerklärung. Und wenn sich jemand von unseren Leuten dabei beteiligen würde, dann können Sie davon ausgehen, dass ich am Montag Morgen ein Parteiausschlussverfahren anregen werde.

    Schulz: Könnte es denn trotzdem sein, dass es sich jetzt rächt, dass auch Ihre Partei gegen die Moschee in Ehrenfeld polemisiert hat?

    Schramma: Sie hat übrigens grundsätzlich - das muss ich richtigstellen - Ja zur Moschee gesagt. Sie hat sich lediglich wegen der Ausmaße, wegen der Dimensionierung dagegen ausgesprochen. Wir hatten mitgeteilt - das heißt nicht wir. Ich habe mich dort ja stets anders verhalten, aber die CDU-Fraktion und auch die Partei hat ja nach einem großen Parteitag beschlossen, einiges von DITIB (Türkisch-Islamische Union
    der Anstalt für Religion e.V., Anm. d. Red.) mehr abzuverlangen. Und dass DITIB sich zu wenig bewegt hat, war der Grund dafür, dass sich die CDU-Fraktion enthalten hat. Ich begrüße das nicht, aber ich respektiere das zumindest, weil sie dem Votum des Parteitages damit gefolgt sind. Meine Haltung war aber von Anfang an eine andere. Ich bin auch nicht als Oberbürgermeister ausschließlich der Partei verpflichtet, sondern dem Gemeinwohl dieser Stadt, und deswegen habe ich ganz andere Kriterien angesetzt. Auch das habe ich mit bitterbösen Briefen aus der Bevölkerung begleitet ertragen müssen, werde ich aber durchstehen, weil ich weiß, dass hier 120.000 Muslime in der Stadt ein Anrecht haben, ein repräsentatives Gebäude, eine Moschee und ein Kulturzentrum zu haben.

    Schulz: Das werden Sie also durchstehen, weil in Köln im nächsten Jahr Oberbürgermeisterwahlen sind und Sie wissen, dass die Mehrheit der Kölner für die Moschee ist? Habe ich Sie da richtig verstanden?

    Schramma: Das ist nicht für mich die Ursache gewesen. Übrigens hat zu dem Zeitpunkt auch die Entscheidung, ob ich überhaupt antrete, noch gar nicht gestanden. Sie könnten eher davon ausgehen, dass dieses auch bei Hardlinern bestimmter Richtungen mir eher zum Schaden dienen könnte. Das ist aber nicht das Kalkül, das dahinter steht. Ich mache das aus Überzeugung und aus dem Herzen heraus als gebürtiger Kölner, der in einer Stadt zu Hause ist, die immer offen ist für Menschen, die hier hingekommen sind. So sind wir 2000 Jahre lang entstanden, groß geworden und darauf bin ich auch stolz.

    Schulz: Und im Jahr 2008 will dieser Kongress der Rechten nun also Ängste vor dem Islam schüren. Glauben Sie, dass es solche Ängste bei den Kölnern gibt?

    Schramma: Ja, das will ich wohl glauben. Es ist auch so, dass die zu einem Teil nicht ganz unberechtigt sind, denn es gibt ja nun gerade im fundamentalistischen Teil auch durchaus Dinge, die mit Terror und mit Angst zu tun haben. Allerdings trifft das hier nicht zu auf die Menschen, die hier bei uns leben, und trifft auch nicht zu auf die DITIB, die ich seit über 20 Jahren sehr intensiv kenne. Wir müssen hier sehr deutlich unterscheiden. Wir müssen auch unterscheiden zwischen den Verhältnissen in der Türkei und hier. Die Menschen, die hier leben, wollen ja am Ende hier bleiben. Sie wollen Deutsche sein, sie wollen Kölner sein und sie werden auch sicherlich eine neue Form des Islam finden. Das sehen Sie auch schon an dieser neuartigen Architektur, die sehr transparent ist, sehr offen ist, ganz anders als die osmanischen Moscheen ansonsten sind. Darauf setze ich. Ich erwarte allerdings auch, dass die Vereinbarungen, die zwischen der DITIB und mir getroffen worden sind und die wir auch öffentlich gemacht haben, das heißt also das, was in der Moschee passiert und wie man sich dort verhält und was man dort spricht und lehrt, dass das allerdings auch eingehalten wird. Darauf werde ich auch achten, denn das hat ja was mit gegenseitigem Vertrauen zu tun.

    Schulz: Was tun Sie als Kölner Oberbürgermeister gegen diese Ängste, die Sie gerade skizzieren?

    Schramma: Ich spreche mit vielen Leuten. Wenn ich auf der Straße bin, versuche ich, sie davon zu überzeugen. Ich fordere sie auf, mal in die Moschee zu gehen, mal dort hinzugehen, den Dialog aufzugreifen, den die DITIB ja auch anbietet. Wissen Sie, dass diese Moschee schon seit 23 Jahren an derselben Stelle steht, das wussten viele Kölner gar nicht. Da muss man sich auch einmal fragen, warum sie sich nicht darum gekümmert haben, weil es im Hinterhof war. Mir ist aber wichtig, dass die Moschee, dass die DITIB und dass der Islam aus den Hinterhöfen heraus kommt, offen in der Stadt lebt und dass er sich auseinandersetzt mit der Kölner Bevölkerung, dass er in den Dialog auch seinerseits eintritt, denn Integration kann nun mal keine Einbahnstraße sein. Wir können ihn nicht von oben verordnen.

    Schulz: Das Plädoyer des Kölner Oberbürgermeisters Fritz Schramma (CDU) heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke schön!

    Schramma: Danke auch, Frau Schulz.